5. Sonntag nach Trinitatis / 14. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 5, 1-11 | Ez 1, 28b - 2, 5 | 2 Kor 12, 7-10 | Mk 6, 1b-6 |
1.) Lukas 5, 1 – 11
Prall mit Fischen gefüllte Netze sind ein Bild von Reichtum und Überfluss. Sie gleichen einer reichen Ernte, die in guten Jahren von Landwirten eingefahren wird und die den Auftakt bildet für die zu feiernden Erntedankgottesdienste.
Die prall gefüllten Netze sind auch in unserer Zeit ein häufig zu sehendes Bild, zumindest in der Berichterstattung auf den Bildschirmen. Heute stehen sie im Zusammenhang einer hoch technisierten Fischerei, versehen mit Echolotsystemen und den Sondierungsmöglichkeiten, die es vormals nicht gab.
Ein Bild, das uns auch an grausame Szenen erinnert, an die Ausplünderung der Meere, den Rückgang von Arten. Ein Bild, das die soziale Frage aufwirft, für welche Teile der Weltbevölkerung die edlen Fische noch bezahlbar sind.
Man erinnert sich an Darstellungen in der Reihe Eco-Crimes, in der der illegale Fang von schwarzen Seehechten durch Piratenfischer in arktischen Gewässern dargestellt und angeprangert wird.
Oder an den Einsatz von Persönlichkeiten wie Hannes Jaenicke, einem Umwelt-Aktivisten und modernen Helden unserer Tage, der oft unter eigener Gefahr Enthüllungsjournalismus betreibt, etwa in Angelegenheiten des illegalen Abfi-schens der letzten Haifisch- Gründe zur Gewinnung der Flossen für die begehrten Suppen der Ostasiaten. In seinen Darstellungen zeigt er auf, inwiefern auch die Konzerne des Westens an den Verbrechen an der Natur beteiligt sind. Oder wir denken an die Küsten Afrikas, wo in unserer Zeit gähnende Leere herrscht in den Netzen der Fischer, deren Vorfahren Jahrtausende lang durch den Fischfang ein gutes Auskommen hatten. Fischgründe, die heute mit modernster Technik von den chinesischen Flotten abgefischt werden, solange sich der Fischfang und die Ausbeutung im großen Stil überhaupt noch lohnen. Die betroffenen Menschen werden gezwungen, als Wirtschaftsflüchtlinge anderswo eine Überlebensmöglichkeit zu suchen.
Gleichzeitig kommen uns Bilder ins Bewusstsein, wie Delphine in den Netzen der Hochseefischerei in großer Anzahl ums Leben kommen, vom immer noch uneingeschränkt betriebenen Walfang einiger Staaten ganz zu schweigen.
Wir denken auch an den einst unbeschreiblichen Überfluss an Nahrungsres-sourcen in den Gewässern vor der kanadischen Küste. Dort gab es noch vor einem Jahrhundert Kabeljau in schier endlos erscheinenden Mengen; Fischgründe, die so radikal ausgeplündert wurden, dass sie in unserer Zeit nicht mehr existieren.
Oder es gab – um vom Fischfang abzusehen und den Blick auf weitere natürliche Ressourcen zu richten – schier endlos erscheinende Wälder, sowohl in den gemäßigten Zonen, als auch in den nordischen Ländern und am Äquator. Wälder, die als Lebensräume im schroffen Gegensatz standen zu den sich täglich ausdehnenden Wüstengebieten unserer Tage. Der Planet war lange Zeit gesegnet mit Vielfalt und einer Vielzahl an Leben, das der Mensch – einmal auf den Menschen zentriert betrachtet – für sich und seine eigene Art nachhaltig nutzen konnte. Denken wir an die frühen Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg als Professor Dr. Bernhardt Grzimek von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt schon in seiner damaligen Sendung „Ein Platz für Tiere“ darauf aufmerksam machte, welche natürlichen Ressourcen noch vorhanden- aber bereits bedroht waren. Schon damals führte er aus, dass die Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen ohne jedwede Begrenzung zwangsläufig den nachfolgenden Generationen eine langwierige und nachhaltige Nutzung verwehren würde, dass der Mensch massiv seine eigenen Lebensgrundlagen zerstöre. Grzimek argumentierte wirtschaftspolitisch korrekt und hatte die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen durch Menschen im Blick sowie die Notwendigkeit einer Orientierung an den ethischen Grundlagen für eine intergenerative Gerechtigkeit. Seine Aktionen und Aussagen galten den Nutznießern des Systems seinerzeit schon als unpopulär, ebenso wie die Betrachtungen des zeitgleich agierenden Journalisten Horst Stern.
Heute betrachten wir im Gottesdienst das starke Bild eines archaischen Fischers am See Genezareth. Fischfang, wie er früher einmal war. Und wie er teils in unserer Zeit in ähnlicher Weise noch betrieben wird; denken wir etwa an die kleinen Fischerboote an den Küsten des Golfs von Bengalen. Fischfang wurde- und wird betrieben, um das tägliche Einkommen-, die Ernährung der Familien-, der Menschen in der Region zu sichern. Hier von einer ökofairen Beschaffung und regionalen Vermarktungsstrategien zu sprechen wäre allerdings zu neuzeitlich gedacht und würde den ganz anderen Realitäten der damaligen Zeit nicht entsprechen. Zudem herrscht im Erfahrungshintergrund zur vorliegenden Perikope nicht der schiere Überfluss vor, den es einmal in den Gewässern vor der kanadischen Ostküste gab. Hier herrscht vielmehr der tägliche Kampf ums Überleben, harte Arbeit für den Broterwerb; Mensch und Tier sind den Launen der Natur noch ganz unterworfen, der Erfolg des Fischers ist begründet in seiner Berufserfahrung; seinen Kenntnissen um das Verhalten der Fische, ihrer Bewegungen im See; den wechselnden- und jahreszeitlich sich ändernden Strömungen. In der Perikope wird dargestellt, wie ein erfahrener Fischer – Petrus – auf das Geheiß Jesu mit seinen Männern nach der Enttäuschung über einen ausgebliebenen Fang nochmals aufbricht und gegen alle Berufserfahrung die Netze zur ungewohnten Zeit auswirft um schließlich einen Fang einzuholen, der in seinem Umfang bisher nicht vorstellbar war. Der Fischer begreift dieses Ereignis als ein Wunder und erkennt das Eingreifen Gottes; verbeugt sich in tiefer Demut.
Der unerwartete-, unbegreifbare Überfluss mitten im alltäglichen Kampf ums Überleben macht das Göttliche transparent; die Zeugen des Geschehens werden von einem heiligen Schrecken erfasst. Für Petrus steht an dieser Stelle ein Ereignis, das von nun an den Rest seines Lebens bestimmen wird, trotz aller Zwiespältigkeit, die in seiner Person begründet liegt, allem Zweifel, der ihn begleitet, bis hin zum geduldigen Martyrium, der akzeptierten Hinrichtung um der Glaubensüberzeugung willen. Nachhaltige Entwicklung setzt innerhalb der Person- und Persönlichkeit des Petrus ein mit der Bereitschaft zur Veränderung, zu Umstellungen, zum Überdenken verfestigter Positionen wie sich später in seinem Lebenslauf zeigen wird (u. a. Acta 10/ Acta 15). Seine Nachfolger tragen bis auf diesen Tag den Ring des Fischers, der zurückweist auf den Tag der Berufung, die Perikope zum 5. Sonntag nach Trinitatis. So betrachtet setzt ein Ereignis eine Veränderung in Gang, die den weiteren Verlauf eines Menschenlebens prägen wird; nachhaltig ist. Grundlegender Inhalt des fünften Sonntags nach Trinitatis ist Aufbruch und Nachfolge. Parallel zur Perikope der 1. Reihe beschreiben die Perikopen der 3.- und der 4. Reihe für diesen Sonntag einen Aufbruch. Inhalt ist ein anderes- ein auf den Glauben und daraus begründetem Handeln zentriertes Leben, verbunden mit der Umkehr, zu der der Messias aufruft; „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“. Der katholische Übersetzer Fritz Tillmann übersetzt diesen grundlegenden Aufruf Jesu kongenial: „Ändert euren Sinn, denn das Himmelreich ist nahe“. Wie immer ein Mensch das füllen mag – in der Wahrnehmung seiner Verantwortung in diesem Leben und für dieses Leben-, für die Gegenwart und für die Zukunft – liegt im Ermessenspielraum des Einzelnen-/ der Einzelnen, in seiner oder ihrer jeweiligen persönlichen Lebenssituation, die den Veränderungen von Raum und Zeit unterworfen ist. Petrus hat – zu seiner Zeit – seinen eigenen Weg gefunden. Wir heutigen Christen müssen – in unserer Zeit – unsere Wege finden.
Ein wesentliches Moment für einen Predigtentwurf mag die kirchenjahreszeitliche Verbindung der Perikope über den Fischfang des Petrus mit dem 05. Sonntag nach Trinitatis sein, dem 05. Juli 2015: Es ist Trinitatiszeit! Für den Gottesdienstbesuch- und damit verbunden mit der Gottesdienst feiernden Gemeinde hat damit eine Zeit der Reifung des christlichen Glaubens begonnen: Nach den 6 Monaten des Kirchenjahres, die den Hochfesten gegolten haben, beginnend mit dem 1. Advent und endend mit dem Pfingstsonntag (Das Trinitatisfest selbst hat in unserer Zeit landläufig keinen besonderen Stellenwert!) hat eine sechs Monate währende Zeit begonnen, die keine Hochfeste kennt und die der Vertiefung dient. Besonders in der Zeit vor dem Ende der Sommer-ferien ist der durchschnittliche Gottesdienstbesuch bestenfalls moderat. Wer jetzt zum Gottesdienst geht, tut dies, um seinen Glauben zu vertiefen. Symbolisch begleitet die Farbe der Paramente den Anlass, die in der gesamten Trinitatiszeit bis zum Volkstrauertag aufliegen werden: Grüne Antependien auf Kanzeln und Altären, Zeichen für die aufgehende Saat, für Wachstum, für das Leben. Zeit für Sustainable Development; für nachhaltige Entwicklung im Glauben, für die Umsetzung von Glaubensinhalten. Dazu passt die Perikope über den Fischzug des Petrus. Einem Mann, der sich bewegen lässt. Der sich verändert. Der in Demut seine Unzulänglichkeit erkennt. Dem es gelingt sein Leben umzustellen, seinen Überzeugungen treu zu bleiben; auf die Stimme seines Herzens zu hören. Hinsichtlich der weiteren Facetten und damit verbundenen Auslegungsmöglichkeiten des Textes sei auf das starke Bild der reißenden Netze oder auf die Freude als Fascinosum-, das heilige Erschrecken des Petrus und aller Anwesenden hingewiesen. Vielleicht passt – je nach individuellem Entwurf – EG 395 als Lied nach der Predigt zu den Inhalten der Auslegung.
2.) Perikopen der römisch-katholischen Kirche
a.) Ezechiel 1, 28b – 2,5
b.) 2. Korinther 12, 7 – 10
c.) Markus 6, 1 b – 6
Anders als im Fall der Perikope aus dem Evangelium nach Lukas scheinen die Perikopen der römisch- katholischen Kirche für diesen Sonntag mit Ausnahme der Perikope des 2. Korintherbriefes keine Aspekte zu enthalten, die aufgrund exegetischer Erkenntnisse in Beziehung zu nachhaltigem Handeln zu setzen wären oder begründet damit in Verbindung gesetzt werden könnten. Im Fall der Perikope aus dem 2. Korintherbrief lohnt sich eine Reflexion über das Stark- Sein des Apostels aufgrund seiner Schwäche, den Chancen des Schwach- Seins für den Glauben, die Anerkennung von Schwäche und Krankheit und der daraus resultierenden Aktion um gleichzeitig die Kraft Christi im Geschöpf wohnen zu lassen und Raum zu geben für das Wirken Gottes. In diesem Zusammenhang wären die Bemühungen von Christen- aber auch von Menschen zu nennen, die keiner christlichen Kirche angehören. Unwillkürlich wird man an das Wirken des indischen Widerstandkämpfers Mohandas Karamchand Gandhi denken, den seine Zeitgenossen „Mahatma“ nannten; „Große Seele“. Insgesamt Menschen, die aufgrund eigener Überzeugung trotz zu verkraftender Rückschläge im ausgewogenen Miteinander von Aktion und Kontemplation in der Lage waren, letztlich Veränderungen zu bewirken im Sinne der Bewahrung der Schöpfung oder des Einsatzes für Schwache, Verfolgte und Notleidende in aller Welt.
Uwe G. W. Hesse, Frankenberg