7. Sonntag nach Trinitatis / 15. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 9, 10-17 | Dtn 30, 10-14 | Kol 1, 15-20 | Lk 10, 25-37 |
Die Autorin geht auf alle Lesungen des Sonntags mit Schwerpunkt auf die Speisung der 5000 ein.
Lukas 9,10-17: Es ist genug Lebensbrot für alle da
Exegetische Überlegungen:
Das Wunderbare dieser Geschichte besteht in dem Unterschied zwischen dem, was die Jünger haben und dem, was Jesus durch den Segen Gottes daraus macht. Darin liegt auch das Verheißungsvolle: Das wenige was uns möglich ist, das was wir in unserer Begrenztheit haben an Gaben - und mögen sie noch so arm sein - kann durch Gottes Segen viele Menschen satt und reich machen. Das ist das eigentliche Wunder dieser Geschichte, das zum Vertrauen ermutigen will.
Außerdem deutet die Geschichte auf das sakramentale Geschehen des Abendmahls, denn Vers 16 hat eindeutige Anklänge an die Einsetzungsworte und die Parallele im Johannesevangelium weist mit der Rede zum Lebensbrot im Anschluss ebenfalls daraufhin. Die Jünger haben die Mittlerstellung in der Verteilung des Lebensbrotes, das Jesus selbst gibt. Diese himmlische Speisung stärkt die Gemeinde an Leib und Seele, alle sind dazu eingeladen. Jesus hat dem Volk zunächst vom Reich Gottes erzählt, das in dem Mahl in aller Fülle bereits angebrochen und erfahrbar ist.
Predigtimpulse
Der Text kann den Predigthörern das Abendmahl als Stärkungsmahl auslegen (sinnvoll ist, das Abendmahl tatsächlich zu feiern), indem wir schon jetzt das angebrochenes Reich Gottes erfahren und die Fülle des Lebens spüren. Jesus selbst als das Lebensbrot ist in, mit und unter den Gaben. So gestärkt und ermutigt werden wir in den Alltag gesandt, in die Realität dieser Welt, in der die Mehrheit der Weltbevölkerung an Hunger und Mangel an Bildung, medizinischer Versorgung, Energie und vielem mehr leidet. Diese Probleme scheinen oftmals wie ein riesiger Berg, der mehr lähmt als zum Handeln ermutigt („Ich kann ja eh nichts erreichen – das müssen wir denen da oben überlassen.") Im Gegensatz dazu lässt uns Jesus nicht auf den Mangel (über 5000 hungrige Menschen) blicken, sondern auf das, was wir an Gaben und Ressourcen haben, auf das was uns möglich ist. Wenn wir Gott dafür danken und es für andere einsetzen, wird er seinen Segen darauf legen und mehr Menschen „satt" machen als wir erträumt hätten. Wir dürfen ihm vertrauen, er hat uns befähigt und berufen mit dem, was uns zur Verfügung steht, Mittler seiner Lebensfülle für alle Menschen zu sein.
Aspekte der Nachhaltigkeit
Viele Menschen fühlen sich angesichts der großen Not, die weltweit herrscht und über das Fernsehen in unserer Wohnzimmer gebracht wird, ohnmächtig. Die Geschichte will Menschen ermutigen nicht wegzusehen, sondern ihre Gaben und Ressourcen (Kraft, Zeit, Geld, Know How etc.) zu teilen. Darauf liegt Gottes Segen, so dass das wenige für viele reicht.Das Motto „Es ist genug für alle da", das Brot für die Welt über sein 50jähriges Jubiläum gestellt hat, lässt sich wunderbar an dieser Geschichte und mit konkreten Beispielen aus dem Material und dem Meditatonstuch von Brot für die Welt zu entfalten (www.brot-fuer-die-welt.de .). Dabei setzt die Geschichte eine kritische Position frei zum ewigen Wachstumsdenken des kapitalistischen Marktsystems. Nicht durch immer mehr Wachstum, durch genmanipulierte Nahrungsmittel, durch immer neuen Schulden, durch immer neuen Energiequellen, sondern durch die Verteilung dessen was schon da ist, werden die Probleme gelöst.
Dass in der Geschichte die übrig gebliebenen Brocken aufgesammelt wurden, setzt ein Zeichen gegen die Wegwerfmentalität, die immer wieder dazu führt, dass die privaten und die gewerblichen Mülleimer voll von Lebensmitteln sind. Die Tafeln und die Mülltaucher, die die täglich weggeworfenen Lebensmittel von Supermärkten weiter verwerten, sind positive Beispiele des „Brocken"- Aufsammelns.
Deuteronomium 30, 10-14: Werte des Lebens statt Gesetze des Marktes in die Herzen
Exegetische Überlegungen
Der Text enthält Anspielungen auf alte mesopotamische Erzählungen, nach denen Helden in ferne Länder übers Meer reisen oder bis zum Himmel aufsteigen, um von den Götter zu erfahren, wie sie das ewige Leben erhalten. Für die Israeliten ist das Leben gar nicht so fern, sondern ganz nah. Tod und Leben entscheidet sich am Halten und Tun der Gebote. Sie wurden verinnerlicht, in dem sie auswendig gelernt wurden durch das halblaute Lesen und Murmeln der Thora und sollten so ins Herz fließen.
Predigtimpulse
Angesichts einer immer größeren Relativität und Beliebigkeit von Werten in der postmodernen Gesellschaft, in der jeder Mensch seinen eigenen Wertekanon jeweils selbst erfinden muss, bietet dieser Text die Worte Gottes und seine Gebote als wertvolle Orientierungspunkte an. Eine Balance zwischen festen christlichen Werten, die unaufgebbar sind und die Übersetzung der Gebote Gottes in die heutige individuell sehr unterschiedliche und sich ständig ändernde Lebenssituation von Menschen verheißt mehr Leben für uns und andere. Die christliche Botschaft von der Vergebung der Sünden kann dabei hilfreich sein an unserem eigenen Scheitern nicht zu verzweifeln, sondern uns immer wieder zu Neuanfängen ermutigen.
Aspekte der Nachhaltigkeit
Der in den letzten Jahrzehnten erfolgte Wertewandel in unserer Gesellschaft ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. Einige warnen vor dem Werteverfall, andere freuen sich über mehr Autonomie und Selbstentfaltung. Gefährlich wird es da, wenn der Wirtschaftsmarkt mehr und mehr die Wertebildung beeinflusst, mit seinen Gesetzen, die vom individuellen Egoismus des einzelnen abgeleitet wird, auf immer mehr Wachstum und Konsum abzielt und Leistungsschwache durchs Raster fallen lässt. Die geforderte Umkehr im Predigttext hin zum Verinnerlichen von Gottes Geboten kann konkretisiert werden in der Forderung eines Transformationsprozesses von Wirtschaft und Gesellschaft (vgl. Rede von Präses Schneider unter http://www.transformationskongress.de/ unter Materialien). Wir brauchen Werte, die das Leben befördern in den globalen Finanzmärkten genauso wie in unserem privaten Leben.
Kolosser 1,15-20: In Christus: Schöpfung, Erlösung, Frieden und Lebensfülle
Exegetische Überlegungen
Wahrscheinlich ist hier ein zweistrophiger Hymnus als Vorlage vom Briefschreiber übernommen worden. Christus wird als präexistenter Schöpfungsmittler gepriesen,durch den, in dem und zu dem hin alles geschaffen ist. Das bedeutet, dass die Schöpfung in ihm besteht, die Verletzung der Schöpfung auch die Verletzung Christi bedeutet. Zusätzlich gilt Christus als der in dem die ganze Fülle Gottes, die Erlösung, der Frieden und die Versöhnung wohnt. Er selbst gilt dabei als Haupt der Gemeinde. Letztendlich gilt das „Allein Christus" gegen alle Lebens- und Friedens - gefährdenden Mächte und Gewalten.
Predigtimpulse
Es gibt immer wieder Tendenzen zu behaupten, dass die individuelle religiöse Beziehung zu Jesus die Bereiche von Politik, Umwelt und Wirtschaft nicht in den Blick nimmt. Doch tatsächlich kann hier die Gemeinde in die Weite des christusgemäßen Glaubens geführt werden. Wenn in Christus die Schöpfung, die Lebensfülle, Erlösung und Frieden wohnen, dann ist es für uns wichtig diese Schöpfung zu bewahren, uns für die Lebensfülle für alle Menschen und Frieden einzusetzen.
Aspekte der Nachhaltigkeit
Das „Allein Christus" kann frei machen von falschen Mächten und Gewalten, wie zum Beispiel dem Diktat der Gewinnmaximierung, das der Bewahrung der Schöpfung, den Grundsatz „Leben für alle" und sogar den Frieden (z.B. Bürgerkrieg in Kongo) opfert.
Lukas 10, 25-37: Barmherzigkeit schließt niemanden aus
Exegetische Überlegungen
Wieder stellt sich die Frage nach dem Erreichen des Ewigen Lebens (vgl. Dtn30, 10-14). Diesmal hat der Fragende die Thora in ihrer Zusammenfassung, dem Doppelgebot der Liebe, verinnerlicht, aber dieses nicht in seiner klaren Einfachheit verstanden. Es gelingt dem Schriftgelehrten nicht dieses Gebot einfach zu tun. Er hinterfragt: Wer ist Adressat der Liebe, wer ist überhaupt mein Nächster? Er will Abstufungen und Einteilungen der Menschen vornehmen. Jesus sprengt diese verengende Differenzierung in zweifacher Weise auf mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter:
1) Mein Nächster ist der, der hilfsbedürftig auf meinem Wege liegt.
2) Der Samariter hat diese einfache Wahrheit verstanden. Samariter galten den rechtgläubigen Juden damals als verachtenswert, als Menschen auf, die man herabsah. Damit gilt, der der so anders ist, als wir es für richtig halten, erfüllt das Gebot Gottes. Solche mir fremde Menschen könnten mein Nächster werden, wenn ich in Not bin.
Predigtimpulse
Wir hatten gerade in unserer Frauenhilfe folgende Diskussion: Sollte sich die Bahnhofsmission nicht nur auf die Reisenden konzentrieren, anstelle allen Menschen die hungrig zu ihnen kommen Brot und Kaffee anzubieten. Werde die Bahnhofsmission nicht ausgenutzt von verwahrlosten und teilweise sogar aggressiven Obdachlosen? Daher finde ich es wichtig die Predigthörer zu ermutigen, die Einfachheit und Klarheit des doppelten Liebesgebotes nicht durch zu viel theoretische Überlegungen und Einschränkungen zu verengen, sondern ihrem barmherzigem Herzen zu folgen.
Aspekte der Nachhaltigkeit
Der Barmherzige Samariter ist die klassische Geschichte, die diakonische Aufgaben als für die Gemeinde als wesensgemäß verstehen lässt. Die Gefahr besteht, dass durch Professionalisierung und die fast überall vollzogene Ausgliederung der Diakonie aus der Gemeinde in eigene Vereine dieses dem Christen als ureigenste Aufgabe aus den Blick gerät. Nur die Verzahnung von diakonischer Arbeit und Gemeindearbeit, kann dieser Tendenz nachhaltig entgegenwirken, ebenso wie der Tendenz, dass immer mehr nur refinanzierbare diakonische Arbeit geleistet wird und somit viele unserer Nächsten auf der Strecke bleiben.
Silke Beier