Palmarum / Palmsonntag (10.04.22)

Palmarum / Palmsonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 17,1-8 Jes 50, 4-7 Phil 2, 6-11 Lk 19, 28-40

 

Betet und hofft – trotz alledem!

Das „hohepriesterliche Gebet“ Jesu, Johannes 17, 1-8

Der heutige Sonntag, Palmsonntag, markiert einen Schlüsselpunkt des Weges Jesu: die Erkenntnis, dass in Jesus der Messias gekommen ist, wird ebenso deutlich wie die Gewissheit, dass sein Weg ans Kreuz führen wird. Der Messias wird heute bejubelt, morgen aber fallengelassen. In dieser Spannung steht auch der Predigttext. Das Hohepriesterliche Gebet bildet den Abschluss der Abschiedsreden Jesu, und direkt im Anschluss folgen Jesu Gefangennahme (Kap. 18), Kreuzigung und Tod (Kap. 19). Es markiert den Moment, da „die Stunde gekommen“ (V. 1) ist: zwischen dem Abschluss bzw. der „Vollendung“ des irdischen Auftrages Jesu („Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegen hast, damit ich es tue.“, V. 4) und seiner Verherrlichung durch den Vater („Und nun, Vater, verherrliche Du mich bei dir“, V. 5). Geradezu paradox macht dieses Gebet deutlich: mitten in der sich anbahnenden Katastrophe zeigt sich das Heil Gottes.

Kardinal Walter Kasper hat das Gebet als den „Ernstfall des Glaubens“ bezeichnet. Die Frage lautet, ob wir im Ernstfall, also an kritischen Punkten des Lebens, resignieren oder ob wir beten und unsere Klagen und Bitten vor Gott bringen. Sagen wir: „Es hat ja doch alles keinen Sinn!“ und verstecken wir uns hinter Ausreden wie „Da kann man ja doch nichts ändern!“? Oder beten wir und hoffen gegen allen Augenschein und trotz aller „aber’s“? Stecken wir den Kopf in den Sand oder sind wir bereit, Jesu Worte fortzuführen, die Gott ihm gegeben hat (V. 8) und an dem ewigen Leben (V. 2) als Wegweiser der Hoffnung auf dieser Erde festzuhalten?

Die globalen Herausforderungen stellen unsere christliche Hoffnung auf den Prüfstand. Ich verstehe Jesu Gebet als Anstoß, es ihm gleich zu tun und in der größten Not am Gebet und damit an der Hoffnung festzuhalten. Denn „nur das Gebet ist imstande, die Welt zu verwandeln.“ (Pater Pio, in: Winfried Brandau, Novene zum heiligen Pater Pio, Bernardus-Verlag 2012, S. 5). Wir können nicht alles auf der Welt ändern. Aber wir können beten, unsere Klagen und Bitten vor Gott bringen und daraus auch Kraft zum Handeln schöpfen.


Gewaltlosigkeit wagen

Der Knecht Gottes, Jesaja 50, 4-7 (Lesung in der evangelischen Perikopenreihe: Verse 4-9)

Der Text umfasst das dritte der vier Gottesknechtslieder, von Deuterojesaja während oder kurz nach dem Babylonischen Exil verkündet. Der Prophet betont darin in besonderer Weise die gewaltlose Haltung des Gottesknechtes: „Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften.“ (V. 6) Und gerade inmitten dieser Hingabe weiß er sich von Gott gestützt und unterstützt: „Aber Gott der HERR hilft mir“ (V. 7).

Das vierte Gottesknechtslied geht sogar noch einen Schritt weiter und bestätigt, dass Überwindung von Gewalt durch Gewaltlosigkeit möglich ist: „Im Lied vom leidenden Gottesknecht (Jesaja 52,13 – 53,12) wird erstmals dargestellt, dass Gewalt ohne Gegengewalt von den Opfern besiegt werden kann.“ (Ein gerechter Friede ist möglich. Argumentationshilfe zur Friedensarbeit, EKiR, Düsseldorf, 2005, Seite 19)

Die Predigt kann dazu anregen, über die Haltung der Gewaltlosigkeit nachzudenken: Welche Möglichkeiten gibt es für uns als Christ*innen, uns in Konflikten zu verhalten? Ist es möglich, Konflikte gewaltfrei zu lösen? Ist der Gottesknecht ein Vorbild für uns? Darüber hinaus ist Gewaltlosigkeit nicht nur eine individuelle, sondern auch eine zutiefst politische Frage: ist ein gerechter Frieden möglich und wenn ja, wie?

Konkrete Anregungen dazu:
Friedensstock:
schon mit Kindern können wir einüben, Konflikte gewaltfrei zu lösen, zum Beispiel mit Hilfe des „Friedensstockes“, den Tassilo Peters entwickelt hat (www.tassilopeters.com/friedensstock). Er basiert auf den vier Schritten der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg: das Geschehene beobachten und ohne Bewertung beschreiben, die eigenen Gefühle benennen, sein Bedürfnis zum Ausdruck bringen und anschließend eine Bitte äußern. Der Friedensstock ist durch die Bilder und Symbole so gestaltet, dass auch schon Kinder die vier Schritte nachvollziehen können. In einem fünften Schritt wird zusammen gefeiert, dass der Konflikt gelöst werden konnte.

Sicherheit neu denken:
Das Konzept „Sicherheit neu denken“ (www.sicherheitneudenken.de), welches in der Evangelischen Landeskirche in Baden entwickelt wurde, bietet eine konkrete Vision für eine zivile Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2040. Das Szenario entwickelt auf Basis von folgenden fünf Säulen den Weg von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik: I Gerechte Außenbeziehungen, II Nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten, III Teilhabe an der internationalen Sicherheitsarchitektur, IV Resiliente Demokratie und V Konversion der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie. Ja, ich denke: Frieden muss gewagt werden. Sind wir dazu bereit?


Frieden wächst von unten

Jesu Einzug in Jerusalem, Lukas 19, 28-40

Jesus zieht in Jerusalem ein und die Menschen begrüßen den Friedenskönig mit dem Ruf „Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ (V. 38) Die Palmenzweige symbolisieren ebenso Frieden wie einen Triumph oder einen Sieg. Das ist die eine Seite: hier kommt der König, der den Frieden bringt und den Sieg davonträgt. Auf der anderen Seite reitet Jesus auf einem jungen Esel, der Lasten trägt. In Anlehnung an Sacharja 9,9 („Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“) ist er ein armer Friedenskönig, der nicht den gesellschaftlichen Normen entspricht, der vielmehr die Welt von unten her verändert.

Der letzte Satz des Textes ist bezeichnend: als die Gelehrten Jesus auffordern, dass er die Jünger, die laut und mit Freuden Gott loben, zurechtweise (VV 37-39), antwortet Jesus: „Wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.“ (V 40) Die Jünger sollen nicht aufhören, Gott zu loben für diesen König, der da kommt! Und selbst wenn sie schwiegen, würde das Lob Gottes niemals verstummen. Denn diese Botschaft kann niemand zum Schweigen bringen: dass Gott sein Reich des Friedens nicht durch Macht und Stärke und Reichtum aufrichten wird. Sondern letztlich trägt der Gegenentwurf Jesu den Sieg davon: der König, der die Welt verändert, kommt niedrig und in Armut. Das heißt, Frieden geschieht von unten: durch das Tragen von Lasten, durch das Tun von Gerechtigkeit und im Helfen (vgl. Sach. 9,9). Frieden muss von unten wachsen, damit er tragfähig ist.

Martje Mechels, Moers