Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria (1.01.16)

Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria 2016


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jak 4, 13-15 Num 6, 22-27 Gal 4, 4-7 Lk 2, 16-21

Stellung im Kirchenjahr

Am Oktavtag von Weihnachten beschließt das Evangelium die Geburtsgeschichte und rahmt die vorausgegangenen Einzelerzählungen. Die anglikanische Kirche gedenkt heute der Namensgebung und der Beschneidung Jesu, die römisch-katholische feiert das Hochfest der Gottesmutter Maria sowie seit 1968 den Weltfriedenstag, der sich jedes Jahr einem anderen Baustein für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Schöpfung widmet.

Exegetische Anmerkungen

Gal 4,4-7
Der Text bietet das älteste und kürzeste Weihnachtsevangelium des NT, in dem Paulus die Heilgeschichte von Gott her erzählt und damit auch die Geschichte an sich neu definiert: Weil das Gesetz den Menschen zu Fesseln des Todes geworden ist, stellt sich Gott selber unter das Gesetz des Lebens, damit Befreiung zu neuer und engster Gottesbeziehung möglich wird.

Lk 2,16-21
Auch Lk stellt die Geschichte in einen größeren theologischen Horizont, in dem sich Gott entschieden auf die Seite der Marginalisierten stellt und alles Großseinwollen der Menschen karikiert.  Der Name Jesus (Gott hilft/rettet), seinerzeit nicht selten, ist dabei kein Wunschname der Eltern, sondern von Gott verfügt. Marias Bewahren ist für Lk nicht nur Behalten und Reflektieren, sondern ein „Zusammenfügen“ des Erlebten.

Predigtskizze

Durch die Fehlinterpretation bzw. Nichtbeachtung der Schöpfungsordnung sowie Gottes lebensbejahender Botschaft gerät die Welt in einen Zustand der Verworren- und Gefesseltheit. Daraus kann sich der Mensch aus eigener Kraft nicht befreien, vielmehr kommt es zur Marginalisierung von Gruppen – die Schöpfung zerreisst.

Aus purer Liebe und Barmherzigkeit aber strebt Gott danach, die Schöpfung neu an sich zurückzubinden und wird ganz und gar menschlich. Er lädt den Menschen ein, das Verworrene und Zerrissene mit Gottes Augen zu betrachten und als etwas zu verstehen, dass sich danach sehnt, wieder zusammengefügt zu werden. Aus diesem intellektuellen Prozess erwächst die Motivation, selbst – als Vertreterin und Vertreter Gottes auf Erden – solidarisch und befreiend aktiv zu werden.

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Die liebende Symphonie von Gottes Schöpfung

Wenn du tausend Gründe zu leben findest,
wenn du dich niemals einsam fühlst,
wenn du beim Aufwachen singen möchtest,
wenn alles zu dir spricht
– von den Steinen auf dem Weg bis zu den Sternen am Himmel,
von den Eidechsen, die faulenzen,
bis zu den Fischen, den Herren des Meeres –
wenn du die Winde verstehst
und der Stille lauschest,
erschaure vor Freude:
Die Liebe geht an deiner Seite,
sie ist deine Weggefährtin,
deine Schwester.

 Helder Camara, Stimme der stummen Welt 1989. Zürich: Pendo, 85.

2. Nachsinnen über das Geschenk der Freiheit

Wir brauchen nur in unser eigenes Leben zu schauen und uns zu fragen, wodurch das eigene Leben und das der anderen je verändert wurde, neue Perspektiven empfing, eine neue Richtung nahm, menschlicher, erfüllter, freier  wurde. Jeder weiß dann von eigenen Erfahrungen zu berichten: von Begegnungen durch Gemeinschaften, von Herausforderungen durch bestimmte geschichtliche Situationen, von Erlebnissen mit Menschen, aber auch mit Büchern, Kunst, Natur – vor allem aber mit Menschen: Liebe, Vertrauen, Vergebung, Worte, die ins Herz treffen, und nicht zuletzt überzeugend vorgelebte Lebensmodelle anderer: all das macht frei. In solchen Erfahrungen leuchtet konkret auf, was Gnade ist: Freiheit, die man andern verdankt, die man sich selbst nicht schenken kann.

Gisbert Greshake, Geschenkte Freiheit, 1992, Freiburg-Basel-Wien: Herder, 101.

3. Zerrissenes neu Zusammenfügen

Die Arab Evangelical School im palästinensischen Ramallah und die jüdische Neve Shalom Schule bei Jerusalem erhielten 2003 den Preis der Desmond Tutu Friedenstiftung. Die Arab Evangelical School wurde 1954 von Frauen aus den USA und aus Wales gegründet mit dem Ziel, besonders unterprivilegierten Kindern eine Schulausbildung zu ermöglichen. Bis heute hat sich die Schule zu einer angesehenen Einrichtung entwickelt, die von Kindern aus Familien mit unterschiedlichen Denominationen besucht wird. Die Neve Shalom Schule ist eine israelische Bildungseinrichtung, an der jüdische und arabische Schüler gemeinsam lernen.
Das Preissymbol besteht aus einer stilisierten Friedenstaube in zwei Teilen mit Ölzweig. Das Zusammenfügen der Taube zu einem Ganzen symbolisiert den Prozess des friedlichen Miteinanders in der Zivilgesellschaft und der Versöhnung zwischen jungen Arabern und Israelis.

Weitere Infos: http://www.tutufoundationusa.org

Joachim Feldes

 

Lit.: Radl, Walter:Der Ursprung Jesu. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas 1-2 = Herders Biblische Studien 7 (1995), Freiburg: Herder.

Zimmermann, Christiane: Gott und seine Söhne. Das Gottesbild des Galaterbriefs = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 135 (2013), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag.