o1.o1.25 – Neujahrstag / Hochfest der Gottesmutter Maria

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jos 1, 1-9 Num 6, 22-27 Gal 4, 4-7 Lk 2, 16-21

Stellung im Kirchenjahr: Am Oktavtag von Weihnachten beschließt das Evangelium die Geburtsgeschichte und rahmt die vorausgegangenen Einzelerzählungen. Die anglikanische Kirche gedenkt heute der Namensgebung und der Beschneidung Jesu, die römisch-katholische feiert das Hochfest der Gottesmutter Maria sowie seit 1968 den Weltfriedenstag, der sich jedes Jahr einem anderen Baustein für ein friedliches Zusammenleben von Mensch und Schöpfung widmet.

Exegetische Anmerkungen

Jos 1,1-9: Die Perikope markiert den Übergang von Mose zu Josua, dem Gott die Führung des Volkes anvertraut. Dabei sagt Jahwe Jose einerseits zu, ihn treu zu begleiten und die an das Volk ergangenen Verheißungen zu erfüllen, fordert aber andererseits die Treue der Israeliten ein. Die Weisung des Herrn ständig zu bedenken und danach zu handeln, ist der geforderte Beitrag der Menschen, Bedingung für das Wohlergehen des Volkes, Voraussetzung für ein Leben in Glück und Erfolg. Wenn das Volk diese Chance ergreift und dabei bleibt, nehmen Wüstenzeit, unstetes Umherziehen und bedrohte Existenz ein Ende, eröffnet sich dem Volk beständig gutes Leben.

Gal 4,4-7: Der Text bietet das älteste und kürzeste Weihnachtsevangelium des Neuen Testaments, indem Paulus die Inkarnation als Zenit der Heilgeschichte Gottes mit den Menschen heraushebt und damit die Geschichte überhaupt und Menschsein radikal neu definiert. Und diese Neudefinition wird möglich, weil sich Gott durch seinen konkreten Einsatz in Jesus, dem Menschensohn, dem Gesetz unterwirft und es endgültig überwindet. Weil Überkommenes dem Menschen zu Fesseln geworden ist, die letztlich nur Tod bringen, bricht Gott auf, damit diese verhängnisvolle Situation ein Ende findet, Befreiung geschieht und der Mensch neu in Beziehung treten kann, zu Gott, zueinander und zur ganzen Schöpfung.

Lk 2,16-21: Wie Paulus in Gal stellt auch Lk stellt die Geschichte in einen größeren theologischen Horizont, in dem sich Gott entschieden auf die Seite der Marginalisierten stellt und alles Überhebliche, Sich-Selbst-Genügende und Anmaßende als schal und nicht, letztlich un-menschlich karikiert und hinterfragt.  Der Name Jesus (Gott hilft/rettet), seinerzeit nicht selten, ist dabei kein Wunschname der Eltern, sondern eine von Gott verfügte Bezeichnung, Überschrift für den Neuanfang, Charakterisierung einer neuen Zeit, in der Gott unwiderruflich präsent ist und in unsere Existenz hinein interveniert. Ziel ist, dass Herz und Hand von seinem Geist erfüllt werden und die Glaubenden sich – ähnlich wie in Jos 1 – in Gedanken, Worten und Werken von ihm führen lassen, damit Rettung nicht ein einmaliger Akt bleibt, sondern sich durch uns fortsetzt, damit Gottes Heil nicht nur den Menschen, sondern die ganze Schöpfung für immer umfasst und durchdringt. Auf diesem Hintergrund bedeutet Marias Bewahren mehr als ein passives Wahrnehmen und Behalten, sondern ein aktives Reflektieren und bewusstes Zusammenfügen des Erlebten.

 

Predigtskizze

Durch die Fehlinterpretation bzw. Nichtbeachtung der Schöpfungsordnung sowie Gottes lebensbejahender Botschaft gerät die Welt in einen Zustand der Verworren- und Gefesseltheit. Daraus kann sich der Mensch aus eigener Kraft nicht befreien, vielmehr kommt es zur Marginalisierung von Gruppen – die Schöpfung zerreißt.

Aus purer Liebe und Barmherzigkeit aber strebt Gott danach, die Schöpfung neu an sich zurückzubinden und wird ganz und gar menschlich. Er lädt den Menschen ein, das Verworrene und Zerrissene mit Gottes Augen zu betrachten und als etwas zu verstehen, dass sich danach sehnt, wieder zusammengefügt zu werden. Aus diesem intellektuellen Prozess erwächst die Motivation, selbst – als Vertreterin und Vertreter Gottes auf Erden – solidarisch und befreiend aktiv zu werden.

 

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

  1. Gott eröffnet die Chance zu gutem Leben (Jos, Gal, Lk)

Alles beginnt mit der Sehnsucht, immer ist im Herzen Raum für mehr, für Schöneres, Größeres. Das ist des Menschen Größe und Not: Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe. Und wo Sehnsucht sich erfüllt, dort bricht sie noch stärker auf. Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an? So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen, Dich zu suchen, und lass sie damit enden, Dich gefunden zu haben.

Nelly Sachs, Die Botschaft heute 10 (2023) 417

 

Möchten wir uns ein Leben ohne Hoffnung
in unserem Herzen vorstellen?
Das wäre nicht auszuhalten.
Wohl für niemanden unter uns.

Möchten wir uns ein Leben ohne die Zuversicht,
die uns Flügel zu geben vermag und uns erheben lässt
über das viele, das uns am Boden halten möchte, vorstellen?
Das wäre wohl nicht auszuhalten.
Wohl für niemanden unter uns.

Zu hoffen sind wir Menschen berufen.
Gott schenke uns tausend Gründe dafür.

Thomas Diener, Die Botschaft heute 10 (2023) 417f

 

  1. Als Befreite die Verantwortung füreinander und die Welt übernehmen (Gal, Lk)

Man soll das neue Jahr
nicht mit Programmen beladen
wie ein krankes Pferd.

Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter Letzt zusammen.

Je üppiger die Pläne blühen,
umso verzwickter wird die Tat,

man nimmt sich vor,
sich schrecklich zu bemühen,
und schließlich hat man den Salat.

Es nützt nicht viel, sich rotzuschämen.
Es nützt nichts, und es schadet bloß,
sich tausend Dinge vorzunehmen,

Lasst das Programm
und bessert euch drauflos!

Erich Kästner, in: Klaus Vellguth (Hg.), Gedankenblitze – Stolpersteine. Predigtkontexte zum Lesejahr C, 1997, 255f.

 

  1. Zerrissenes neu Zusammenfügen (Lk, Maria, Weltfriedenstag)

Was die Einheitsübersetzung mit „(im Herzen) erwägen“ übersetzt, heißt auf Griechisch „symbállein“, also „(im Herzen) zusammentragen, -stellen, -fügen“. Gast- und Geschäftsfreunde gewannen in der Antike durch das Auseinanderbrechen eines Gegenstandes ein Erkennungszeichen, ein „Symbolon“. Jeder behielt eine Hälfte, die Bruchlinien passten genau zueinander. So konnte sich ein Bote oder auch ein Nachkomme von Vertragspartnern ausweisen.

Maria fügt also alles Gehörte im Herzen zusammen, sieht geduldig und genau hin, wie die Teilstücke zusammenpassen und wie ein Puzzle ein Ganzes ergeben. Der Teufel hingegen, der diábolos, ist Meister im Durcheinanderwerden (bis nichts mehr passt), er liebt das Verwirren und Faktenverdrehen.

Hans Brunner, Die Botschaft heute, 11 (2023) 426

 

Es gibt Kampf, aber der darf für keinen tödlich sein (…) Und dann soll es Ruhezonen und Ruhezeiten geben, in denen die Konfliktthemen einfach auf Zeit ausgesetzt werden, damit alle aus einem Abstand heraus nachdenken können und andere Gesichtspunkte finden.

Und diese Ruhezeiten und –orte können die Dinge so weit vorantreiben, dass sie nicht eskalieren. Denn wer in den Ausstand treten kann, der kann sich bewusst über die Fixierungen erheben und findet meist auch zu den anderen. Diese Aus-Zeiten lassen dann die Idee im Hinterkopf behalten, dass irgendwann Kampf durch Spiel und Rivalität durch gemeinsames Streben ersetzt werden können.

Ludwig Mödl, Abends in St. Ludwig. Predigten in der Universitätskirche München. Band 1, Jahreskreis A, 2013, 42f.

Dr. Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim

 

Literatur: Radl, Walter: Der Ursprung Jesu. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas 1-2 = Herders Biblische Studien 7 (1995), Freiburg: Herder.

Zimmermann, Christiane: Gott und seine Söhne. Das Gottesbild des Galaterbriefs = Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 135 (2013), Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag.