Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit / 6. Sonntag nach Ostern (08.05.16)

Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit / 6. Sonntag nach Ostern


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Eph 3, 14-21 Apg 7, 55-60 Offb 22, 12-14.16-17.20 Joh 17, 20-26

Eph 3, 14-21

... wird in der ntl. Forschung als theologische Abhandlung in Briefform bezeichnet, als Meditation (vgl. Ingo Broer, Einleitung in das Neue Testament, 3. Aufl. 2010, S. 503 ff). Der hymnische Charakter, die liturgische Sprache legen eine solche Interpretation nahe. Diese feierliche Einleitung „Ich beuge mein Knie vor dem Vater“ führt ein in das Thema, nämlich eine geeinte Kirche von Juden und Heiden zu halten und zu verfestigen (vgl. V.3,6 Heiden sind die Miterben). Auch wenn lange Uneinigkeit unter ntl. Forschern herrschte, so hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der Brief nicht von Paulus stammt sondern danach, in einer Zeit des Übergangs entstanden ist, wahrscheinlich im Umkreis der Gemeinden, denen auch der Kolosserbrief galt. Wesentlicher ist sein Entstehungsdatum, nämlich in einer Phase, die von der paulinisch verfassten Gemeindestruktur zu einer Kirchenverfassung überleitet, die nach Ämtern verlangt, um die Kirche in ihrer Ausrichtung auf Christus zusammen zu halten. Unüberschaubarer  Vielfalt von Meinungen zwischen Heiden, Juden und Christen soll durch eine kirchliche Verfassung mit Ämtern Einhalt geboten und Richtung gewiesen werden.

Im Eph-Brief ist die Ekklesiologie nicht von der Christologie zu trennen. Für eine einige Kirche mit vielen Wurzeln ist entscheidend, dass Christus alles Trennende beseitigt hat, v.a. die Unstimmigkeiten zwischen Juden und Heiden, so dass der Ausschluss der Heiden vom Bürgerrecht Israels und vom Bund der göttlichen Verheißung keine Relevanz mehr haben.

Diese Absicht soll die kirchliche Verfasstheit widerspiegeln: Nicht mehr - wie im Korintherbrief noch postuliert - ist deren Fundament allein in Christus grundgelegt, sondern wird vielmehr durch Apostel und Propheten gebildet (2,20), Amtsträger eben. Sie sollen die Einheit der Kirche sichern mit Leitung, Verkündigung und Lehre.

Partnerschaft statt Abgrenzung, ein hohes Gut. Amtsträger als Beschützer von Minderheiten, die Ausgrenzung durch engherzige Besitzstandswahrung durch die Mehrheit entgegen stehen sollen.

Diese Aufgabe kommt bis heute Amtsträgern zu, von ihnen erhofft man sich Vorbild und Denkanstoß. Das gilt in besonderem Maße im Verhalten zu den am meisten gefährdeten Menschen in unseren Tagen, Migranten und Flüchtlinge. Auf die Dringlichkeit solchen weist der Welttag der Migranten und Flüchtlinge im Oktober jeden Jahres hin.

Seinen Aposteln hat Jesus die Aufgabe anvertraut, unterschiedslos allen Völkern seine Botschaft zu verkünden. Am Pfingsttag haben sie darum voller Mut und Begeisterung den Abendmahlsaal verlassen als vom Geist beseelte Lehrer, so dass jeder ihre Verkündigung in der eigenen Sprache verstand. Eine Kirche ohne Grenzen kann in der Welt Vorbild für eine Kultur der Annahme und Solidarität sein, in der niemand fehl am Platze oder unnütz ist. Für die christliche Gemeinschaft stellt diese Orientierung an Annahme und Partnerschaft in diesen Tagen eine besondere Herausforderung dar, wenn eine große Zahl von Menschen ihre Ursprungsorte verlässt, im Gepäck Sehnsucht, Hoffnung und Angst. Nicht selten lösen die Wanderungsbewegungen auch in den Kirchen Ängste und Unsicherheiten aus, Misstrauen und Feindseligkeit, noch bevor man die Geschichten von Leid, Verfolgung und Elend gehört hat.

Hier ist die ethische Weisung des Epheserbriefes hilfreich, wenn er dazu auffordert, die Liebe Christi in ihrer Länge und Breite, Höhe und Tiefe zu ermessen (3,18). Christen und kirchliche Amtsträger sind aufgefordert, Vorbild zu sein in ihrem Vertrauen auf das Heil, Vorbild zu sein auch in großherziger und selbstkritischer Öffnung für interkulturelle Differenzierung.

Apg 7, 56-60

... ist das Ende einer Rede des Stephanus, in der er die Weigerung von Volk und Hohenpriestern angreift, sich mit Herz und Ohr den Weisungen des Heiligen Geistes zu öffnen. Daraufhin wird er aus der Stadt hinausgetrieben und gesteinigt. Stephanus leitete den Siebener-Kreis der Diakone, war von ihnen der Fähigste und hat dem „neuen Weg“, einer Bezeichnung für die sich abzeichnende Sammlungsbewegung der AnhängerInnen Jesu in Jerusalem, als Diakon nachhaltig gedient. Für diesen "neuen Weg" Jesu ist er überzeugend eingetreten, hat klar und eindeutig diskutiert: "erfüllt vom Glauben und vom Heiligen Geist" (Apg 6,5). Er tat "voll Gnade und Kraft große Zeichen unter dem Volk" (6,8). Seine Gegner aus einigen Strömungen des damaligen, gläubigen Judentums konnten seinen Argumenten nichts entgegensetzen. Und wo die Argumente fehlen oder versagen, da findet rohe Gewalt ihr Ventil. Für ihn und seine Argumente ist kein Platz mehr innerhalb der Strömungen des damaligen Judentums. Selbst Saulus wirkt hierbei aktiv mit.

Ich denke, hier wird zunächst einmal das persönliche Schicksal des ersten Märtyrers beschrieben, doch zugleich werden auch grundsätzliche Konsequenzen aufgezeigt, die im Anfang im Stall von Bethlehem beginnen. Glaubenskrieg ist heutzutage erneut wesentlicher Grund für Fluchtbewegungen und hinterlässt unserer Welt ein immenses Drama von Brutalität und Ignoranz. Flüchtlinge in Deutschland treffen auf eine Gesellschaft, die solches Wissen nicht unberührt lässt und die sich durch die Aufnahme vieler in einem dynamischen Veränderungsprozess befindet. „Interkulturell“ fasst als Begriff zusammen, wenn Menschen verschiedener geographischer, kultureller und religiöser Herkunft beieinander leben. Er verweist aber auch auf sich ausdifferenzierende Lebensstile und -entwürfe. Der Begriff versucht, der Angst vor dem Neuen, dem Unbekannten einen Rahmen zu geben, versucht, um Verständnis zu werben für eine Gesellschaft, in der Menschen mit ganz unterschiedlichen Hoffnungen beieinander leben und alle zusammen eine Gesellschaft bilden (sollen). Hierbei geht es nicht um Integration, nachhaltig ist vielmehr ein grundsätzlich integratives Selbstverständnis (vgl. T. Broch, Fünf Klingelschilder, fünf Wohnungen, in: Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt, Interkulturelle Woche 2015, S. 41).

Joh 17, 20-26

Inständig betet Jesus in seinem Abschiedsgebet  für die, die an ihn glauben. Für die, die er liebt, die seinen Tod verkraften müssen und auch anderes Leid, das ihnen bevor steht. Er betet für ihren Glauben und auch für die Späteren, die durch das Wort derer, die bei ihm stehen, Glauben lernen sollen. Er betet für die Gemeinden, die auf Ostern und Himmelfahrt bereits zurückblicken: Er betet für uns.

Und so geschieht es, dass in diesem Gebet der irdische Jesus und der auferstandene Christus miteinander verschmelzen. Jesus Christus betet inständig und leidenschaftlich. Es ist zu ahnen, dass dieses Gebet gar nicht aufhört. Damit öffnet Jesus seinen Jüngern die Augen für Gottes unsichtbare Wirklichkeit. Selbst im größten Leid ist Gott nahe, lässt es in einem anderen Licht erscheinen. Ein Ende kann ein Anfang sein. Der Himmel ist auf die Erde gekommen.  Für dieses Eins sein von Himmel und Erde betet Christus: „Lass sie eins sein, so wie du und ich eins sind.“ (V. 21)
Christus in Gott und Gott in Christus.
Gott ist so in Jesus, dass er in dessen Leben und Wirken erkennbar wird als der, der da ist, der heilt, der hilft, als der „Ich bin da“. Gott ist ganz in Jesus. Und weil Jesus Gottes Worte spricht und Gottes Taten tut, ist er ganz im Vater.
„Lass sie teilhaben an unserer innigen Gemeinschaft“, betet Christus. Gemeinden, wir alle werden da hineinwachsen, immer mehr. Und einen Prozess beginnen, in dem wir lernen, Unterschiede in Liebe anzunehmen, lernen, was jeder braucht. In der Vielfalt der Glaubensrichtungen und Kulturen das Eins sein in der Liebe lernen. Das Hineinwachsen in die Liebe ist nie abgeschlossen, im Gegenteil, es ist immer möglich! Alle Glaubenden sollen der Welt die Liebe Gottes zeigen. So setzt die Hoffnung auf die Nachhaltigkeit der Liebe, die das Überlegenheits- und das Unterlegenheitsgefühl zwischen Kulturen beseitigen kann. Erst dann kann ein Mix ohne Angst möglich sein. Das bedeutet keinen kulturellen Mischmasch. Nein, es braucht auch und gerade in einer Einwanderungsgesellschaft und in Glaubensgemeinschaften Orte, in denen man getrennt und geschützt für sich ist. Aber es braucht eben auch – vielleicht mit einer Patchwork-Familie vergleichbar – Orte und Anlässe, bei denen gemeinsam gefeiert wird, was man als verbindend liebt und als Trennendes zu schätzen gelernt hat.

Stefanie Wahle-Hohloch