2. Advent 2013
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Offb 3, 7-13 | Jes 11, 1-10 | Röm 15, 4-9 | Mt 3, 1-12 |
"Die Tore stehen offen ..." (© W. Moroder)
Stellung im Kirchenjahr
Die Adventszeit ist im Kirchenjahr aber auch in der Gesellschaft eine emotional hoch besetzte und geschäftige Zeit, bedeutsam für die Familien und Kirchengemeinden, stimmungsvoll und sehnsuchtsvoll, aber auch voller Stress und Kommerz. Theologisch geht es im Advent um die Ausrichtung auf den kommenden Gott und seine Ankunft auf unserer Erde. In den alttestamentlichen wie neutestamentlichen adventlichen Texten werden dafür starke Hoffnungsbilder und Visionen verwand. So auch in den Texten, die für diesen Sonntag vorgeschlagen sind.
Offenbarung 3,7-13
Exegetische Überlegungen
Die Offenbarung des Johannes war und ist für viele ein rätselhaftes Buch, das erst spät in den biblischen Kanon aufgenommen wurde. Lange Zeit wurde es weltgeschichtlich auf bestimmte geschichtliche Akteure gedeutet- so u.a. auch von Luther, der z.B. im Papsttum den personifizierten Antichristen sah. Durchgesetzt hat sich die exegetisch-zeitgeschichteliche Sicht, dass der Verfasser am Anfang des 2. Jahrhunderts stark von apokalyptischer Tradition geprägt war und im Kern eine Trostbotschaft an die im römischen Reich verfolgten und angefochtenen Christen richtet. Der Text lobt und bekräftigt die Geduld und Beharrlichkeit der Christen in Philadelphia, mit der sie als kleine Minderheit ihrem Glauben trotz aller Anfeindungen treu bleiben.
Predigtimpulse
Mich sprechen zwei Bilder im Text an: das Bild der offenen Tür, die aufgetan ist und die niemand schließen kann (V.8) und von der kommenden Stadt Gottes ( (V.12). Ermutigende und befreiende Bilder sind das! Mir fällt dazu der Liedvers aus dem EG 395 ein: „Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit“. Obwohl die Gläubigen in Philadelphia nur eine kleine Kraft haben, haben sie sich dennoch bewährt. Sie haben sich nicht von ihrer Ohnmacht entmutigen lassen, sondern sind treu geblieben. Sie werden getröstet mit dem Zuspruch: Siehe, ich komme bald (v.11). Nicht nur das: sie mit der kleinen Kraft, sollen sogar Pfeiler im Tempel Gottes werden (V. 12)!
Bezug zur Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit heißt auch Zukunftsfähigkeit. Als Christen leben wir von starken biblischen Hoffnungsbildern und Visionen, die uns nicht aus der Welt fliehen lassen, sondern in die Welt hineinführen. Wir sollen uns in ihr bewähren, gegen alle Widerstände unserem Glauben und unserem Auftrag treu bleiben. Auch wenn wir in unserem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden nur wenige sind und nur eine kleine Kraft haben, kann Gott uns Türen öffnen. Sein Reich kommt zu uns. Wir können ihm den Weg ebnen.
Jesaja 11,1-10
Exegetische Überlegungen
Der Prophet Jesaja lebte im 8. Jh. v. Chr., eine politisch und ökonomisch noch relativ stabile Zeit, in der sich aber die Bedrohung von außen durch die Assyrer allmählich anbahnte. Jesajas Botschaft an die Könige wie auch an das Volk ist die Mahnung, sich nicht auf die eigene Macht und die Macht von Verbündeten zu verlassen, sondern allein auf Gott. Jesaja übte scharfe Kritik an den ungerechten gesellschaftlichen Missständen seiner Zeit und war stark von der Hoffnung auf den Messias und sein kommendes Friedensreich geprägt. So auch in unserem Text, der mit seiner Verheißung des „Reis“ aus dem Stamm Isais zu den bekannten adventlichen Texten des AT gehört ( „es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart…“). Dieser Messias wird Gerechtigkeit für die Armen bringen ( V. 4), auf ihm wird die Weisheit und Erkenntnis Gottes ruhen ( V. 3) und mit ihm wird auch Frieden in der Schöpfung einkehren : Wolf und Lamm werden beieinander wohnen, der Säugling wird am Loch der Otter spielen.( V. 6-8)
Predigtimpuls und Bezug zur Nachhaltigkeit
Für unseren Alltag mit all seinen Mühen und insbesondere für unser Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung brauchen wir starke Hoffnungsbilder. Wir können die Kraft nicht aus uns allein schöpfen, sondern wir brauchen Trost und Zuspruch von außen: Gewalt, Macht und Zerstörung werden nicht das letzte Wort haben, Gott wird sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten. Mit Christus ist dieser verheißene Friedensfürst schon zu uns gekommen. Er will uns gebrauchen, sein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit weiter zu bauen—zeichenhaft schon auf dieser Erde und in aller Größe und Schönheit in seinem zukünftigen Reich. Die Hoffnung auf Friedensreich umfasst die ganze Schöpfung- auch die Tiere.
Römer 15,4-9
Exegetische Überlegungen
Paulus entfaltet im Römerbrief seine Kernbotschaft von der Gerechtigkeit, die nicht aus den Werken, sondern aus dem Glauben allein kommt. Im 14. und 15 Kapitel geht er auf die Auseinandersetzungen zwischen den Starken und den Schwachen im Glauben ein, die es offenbar in der Gemeinde zu Rom gab. Im Kern ging es dabei um die Auseinandersetzung zwischen den Judenchristen und Heidenchristen um das Essen von möglichem Götzenopferfleisch. Er fordert von beiden Seiten, insbesondere von den Starken im Glauben, Rücksicht zu nehmen, zur Auferbauung der anderen zu leben und deshalb u.U. auch auf das Essen von Fleisch zu verzichten. Er ermahnt in diesem Abschnitt beide Seiten, geduldig zu sein und den Trost der Hoffnung zu behalten ( V. 4-5), einmütig zu sein ( V. 6), einander anzunehmen zur Ehre Gottes (V.7).
Predigtimpulse und Bezug zur Nachhaltigkeit
Auch bei der Frage nach einem nachhaltigen Lebensstil gibt es unter engagierten Christen ( wie auch Nichtchristen) manchmal Streit um die Grenzen dessen, was ökologisch und sozial verträglich und vertretbar ist und was nicht. Soll/darf man angesichts der globalen Ernährungskrise noch Fleisch essen? Soll/ darf man noch Coca Cola trinken, wenn man weiß, dass der Konzern in Südindien den Bauern mit seiner Flaschenwasserproduktion regelrecht das Wasser abgräbt? Soll/ kann man noch Aktien bei der Deutschen Bank kaufen, wenn man weiß, dass diese sich auch an der Nahrungsmittelspekulation beteiligt? Paulus geht es darum, dass wir uns nicht aus unserem Handeln rechtfertigen und dass Lebensstilfragen nicht letzte Bedeutung haben. Aber sie sind auch nicht beliebig. Mit unserem Handeln sollen wir andere nicht in Gewissensnöte bringen, sondern uns daran ausrichten, wie wir sie auferbauen und zum Lobe Gottes und im Dienst der Menschen leben können. Weder überhebliche Gesetzlichkeit noch gleichgültige Indifferenz sind gefordert, sondern ein gemeinsames Ringen um verantwortliches Handeln vor Gott und den Menschen.
Matthäus 3,1-12
Exegetische Überlegungen
Matthäus ist unter den vier Evangelisten der, dem am meisten an der positiven Wertschätzung des Gesetzes und der Ethik gelegen ist. Die Bergpredigt ist seine Komposition und enthält eine radikale Friedensethik ( 5,43 ff) und die Forderung zur Vollkommenheit ( 5,48). Der Ruf zur Umkehr von Johannes des Täufers in unserem Abschnitt ist radikal. Er ist motiviert durch das nahe Himmelreich „ Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“( V. 1). Johannes scheut sich nicht, den Pharisäern und Schriftgelehrten das Gericht anzukündigen ( V. 7). Ebenso auch allen, die keine Frucht bringen: „Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen“ ( V.10).
Predigtimpulse und Bezug zur Nachhaltigkeit
Diese radikale Gerichtspredigt passt weder in die stimmungsvolle auf Harmonie und Wohlbefinden ausgerichtete Adventszeit, noch zu unsere nicht nur evangelisch sondern inzwischen auch ökumenisch fundierten Verkündigung von der großen Liebe und Güte Gottes. Johannes hat eine aufwühlende und verstörende Botschaft, die dennoch auch ihr Recht hat und angesichts der globalen Herausforderungen leider immer mehr an Aktualität gewinnt. Umkehr ist nötig, damit wir nicht verderben- das wissen alle, die sich z.B. mit den Auswirkungen des Klimawandels befassen. Wer darauf hofft, dass es auch ohne unsere Umkehr irgendwie noch gut geht, lebt und denkt unverantwortlich. Als Christen können wir nicht weitermachen wie bisher und darauf hoffen, dass Gott alles zum Guten wenden wird, was wir an zunehmender Zerstörung verursachen oder zulassen. „Umkehr zum Leben“ ist deshalb auch das Motto eines ökumenischen Prozesses einiger katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen in Deutschland, die sich für eine zukunftsfähige, soziale und klimagerechte Welt einsetzen.
Starke Hoffnungsbilder und Visionen vom kommenden Gottesreich, wie sie in den oben genannten alttestamentlichen und neutestamentlichen Texten zu finden sind, geben uns die Kraft für eine solche Umkehr, die dem Leben dient. Sie in der Adventszeit stark zu machen und zur Umkehr Mut zu machen, würde dieser adventlichen Zeit in unseren Gottesdiensten wieder mehr Tiefe, Ernst und Gegenwartsbedeutung geben.
Dr. Ruth Gütter, Kassel