1. Adventsonntag (2.12.18)

1. Adventsonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 21, 1-11 Jer 33, 14-16 1 Thess 3, 12 - 4, 2 Lk 21, 25-28.34-36

Mit dem Text Mt 21,1-11 beginnt die Adventszeit. Wie die meisten Texte der Adventszeit läuft der Text quer zu gängigen Adventsbildern. Es geht um den erwachsenen Mann Jesus, um Passion und Ostern. Das ist eine homiletische Herausforderung. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt in dieser Jahreszeit im Empfinden vieler Menschen eine untergeordnete Rolle. Die Herausforderung dieser Zeit ist es eher, das Ideal von Ruhe, Besinnung und Gemütlichkeit gegen Stress und überhöhte Erwartungen zu verteidigen. Allerdings spielen auch Konsumkritik und das Denken an Bedürftige in dieser Zeit eine Rolle. Einige mögliche Predigtmotive sind:

1. Ein König kommt – Jesus kommt anders

Vieles erinnert an einen Staatsbesuch. Die jubelnden Menschen, der rote Teppich, Winkelemente. Doch vieles ist anders. Staatsbesuche werden minutiös geplant. Hier ist alles spontan. Kleider werden ausgezogen und auf den Weg gelegt, die Zweige spontan von den Bäumen gerissen. Selbst das Reittier wird nicht im Voraus gebucht, sondern auf wundersame Weise herbeigebracht.Statt Nobelkarosse ist es ein kleiner Esel.

Der Einzug Jesu ist der eines Königs. Bedeutsam. Beachtenswert. Hoch zu würdigen. Ernst zu nehmen. Und doch ist er ganz anders. Ohne äußeren Prunk und große Vorplanung. Ohne einstudierte Chöre und herbeibestellte Jubler. Die Menschen wissen in dem Augenblick, in dem es geschieht: Das ist er! Der Sohn Davids. Der da kommt im Namen des Herrn. Demütig. Sanftmütig. Arm. Gering – und doch hochgeschätzt.

2. Advent kommt – Advent ist anders

Die Adventszeit beginnt. Prunkvoll geht es auch hier zu und oft alles andere als spontan. Der Plan für die Beleuchtung ist ausgeklügelt. Kleine Rituale und Traditionen werden gepflegt, die davon leben, dass jedes Jahr alles gleich ist. Und die wenigen Adventssonntage sind durchgeplant: Familie, Weihnachtsfeiern, Glühweintrinken, Chorkonzert.

Können wir uns von dem „anderen Einzug“ des Königs inspirieren lassen, auch den Advent anders zu gestalten? Weniger prunkvoll. Weniger durchgestylt. Weniger durchgeplant. Nicht so viel Zeit und Energie in Äußerlichkeiten stecken. Bei Dekoration, Lichtern, Geschenken eher auf Nachhaltigkeit als auf Masse achten.


3. Advent ist anders – Advent geht nicht ohne Passion

Advent ist nicht ohne Passion und Ostern denkbar. Erst von Leiden und Auferstehung Jesu her fragt man nach den Wurzeln des Mannes aus Nazareth. Von Leiden und Auferstehung Jesu her deutet man diese Wurzeln im Licht der Verheißungsgeschichte Israels. Der Predigttext bringt sowohl den Passionsbezug als auch den Israelbezug der Geschichte Jesu zum Tragen. Damit sind auch die inhaltlichen Passionsbezüge (Wo gibt es Leiden auf der Welt? Was tragen wir dazu bei? Wo können wir verzichten/fasten? Wovon müssen wir erlöst werden?) präsent? Ein Ausruhen auf „süßlichen“ Adventsgedanken wird so abgewehrt. Advent als Bußzeit, Fastenzeit wird ins Bewusstsein gebracht


4. Sieh, dein König kommt zu dir – ein Lied als Brücke (EG 13)

Auch Menschen, denen der Passionsbezug der Adventszeit fern liegt, stimmen beherzt in das Lied „Tochter Zion, freue dich“ ein. Das Lied, ursprünglich für die Passionszeit gedacht, ist längst zu einem Klassiker der Advents- und Weihnachtszeit geworden. Eine Liedpredigt könnte hier eine Brücke schlagen und Nachhaltigkeitsgedanken aufgreifen:

Die Melodie von Händel stammt ursprünglich aus dem Oratorium „Josua“ und wurde von ihm auf das Oratorium „Judas Makkabäus“ adaptiert: „Das Oratorium ist in Allegorie zu dem jüdischen Freiheitskämpfer Judas Makkabäus dem Duke of Cumberland, William Augustus, zugeeignet worden, dessen vernichtenden Sieg über den Prätendenten des britischen Throns, Charles Edward Stuart, in der Schlacht von Culloden am 16. April 1746 es feiert. Seither gehört die Melodie ins feste Repertoire englischer patriotischer Gesänge...“ (Quelle: Wikipedia)

Der fränkische Pfarrer Heinrich Franke hat um 1820 die letzte Strophe des Liedes als Grundlage für eine deutsche Fassung verwendet, die Bezüge zu Sach 9,9 aufgegriffen und zwei Strophen ergänzt, die das kommende ewige Friedensreich Gottes verkündigen. In einer Zeit, die von den gerade überstandenen Befreiungskriegen und beginnenden inneren Unruhen (Burschenschaften) geprägt ist, spricht die enthaltene Friedenssehnsucht und Friedenshoffnung Bände. Ein kämpferisch-patriotisches Lied wird zum Friedenslied. Bei allem Jubel und aller triumphalen Melodieführung wird betont, dass der König anders ist: mild, friedlich, kindlich.

Welchen Frieden wir erhoffen und dass Frieden nur werden kann, wenn Macht anders eingesetzt wird, kann in einer Predigt entfaltet werden.

Nicht verschweigen sollte man in dem Zusammenhang auch, dass „Tochter Zion, freue dich“ eines der Lieder ist, die den „Entjudungs“-Anstrengungen der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

Einen weiteren heilsgeschichtlichen Bogen schlägt das Lied als französisches Osterlied „À toi la gloire, O Ressuscité!“


5. Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer (Sach 9,9)

Der Predigttext selbst bietet ein unvollständiges Zitat von Sach 9,9. Da dieser Vers auch Wochenspruch ist, bietet es sich, ihn auch in der Predigt ganz zu lesen und in die Auslegung miteinzubeziehen. Wie beschreibt Sacharja diesen König?

Ein Gerechter und ein Helfer – so heißt es in der Lutherübersetzung.

Vom Urtext her bedeutet es zunächst aber: der Königist einer, dem von Gott geholfen wird. Er ist einer, der sich nicht selbst helfen kann. Er weiß, dass erauf Gottes Hilfe angewiesen ist. Und nur als einer, der von Gott Hilfe erfährt, kann er anderen helfen.

Wie viele Mächtige verlassen sich dagegen viel zu oft nur auf das, was sie selbst steuern können. Menschen, die wissen, dass sie Gottes Hilfe und seine Begleitung im eigenen Leben brauchen, können indieser Lebenshaltung ein Segen für andere sein. Wir brauchen solche Menschen überall dort, woes darum geht Verantwortung zu übernehmen.

Arm – auch das passt nicht zu den Bildern eines Königs. Jesus hat denen Gottes Heil verkündet und gebracht, die als Kleinbauern hart für ihr tägliches Brot arbeiten mussten. Er hat sich um die Bedürftigen und um die, die am unteren Rand der Gesellschaft waren, gekümmert. Bis heute ist er ein Vorbild, wenn wir nach der Gerechtigkeit in unserer Welt fragen und wenn wir versuchen, denen gerecht zu werden, die unter Ungerechtigkeit leiden.


6. Siehe dein König kommt zu dir – und der „Hunger nach Gerechtigkeit“

Mit diesen Gedanken lässt sich auch eine Brücke zur Eröffnung der 60. Spendenaktion von Brot für die Welt bauen, die am 1. Advent eröffnet wird.

Charlotte Weber, Erfurt