1. Sonntag nach Trinitatis / 10. Sonntag im Jahreskreis (07.06.15)

VorschlÀge der Perikopenrevision (EKD/VELKD/UEK): 1 Joh 4,
(13-16a)16b-21;
1Mose 18,16-
33;
Joh 5,39-47; Jona 1(-2): Apg 4,32-37: Lk 16,19-31 [www.stichwortp.de]

 

1. Sonntag nach Trinitatis / 10. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 16, 19-31 Gen 3, 9-15 2 Kor 4, 13 - 5, 1 Mk 3, 20-35

Mit dem 1. Sonntag nach Trinitatis beginnt liturgisch gesehen die „grĂŒne Zeit“ - die Trinitatiszeit. Darauf weist das GrĂŒn als liturgische Farbe: in dieser Zeit sollen die FrĂŒchte des Glaubens heranreifen. Dieses Wachstum, wir können auch sagen dieser Wandel, will gestaltet sein. Vieles kann diesen Wandel zum Besseren behindern. Darauf weisen gleich zwei biblische Texte, die am Beginn der Trinitatiszeit stehen.

Als erstes ist da die ErzĂ€hlung vom SĂŒndenfall in 1 Mose 3 [Gen 3], einer der großen Menschheitstexte. In den Versen 9-15, dem zweiten Teil des Textes, versucht der Mensch sich seiner Situation zu entziehen, sich vor Gott zu verstecken. Dann sucht er die Schuld auf Gott und andere zu schieben statt sich auf das eigene Fehlverhalten ansprechen zu lassen. Anstelle „vollendeter Gemeinschaft des Lebendigen ist einer des anderen Feind und jeder sich selbst der NĂ€chste geworden.“1 So aber wachsen keine FrĂŒchte des Glaubens heran sondern Ungenießbares, durch Zwietracht und Egoismus vergiftet.
Die Frage an Adam ‚Wo bist du?‘ „will den Menschen aufrĂŒhren 
 will in ihm den großen Willen erwecken heraus zu gelangen.“2 In der Predigt könnte dargelegt werden, dass nicht das Behaftet werden mit Versagen das letzte Wort haben soll sondern die Umkehr in die Gemeinschaft mit Gott und des Lebens. „Das Versagen des Menschen 
 wird zum Gelingen, wenn die 
 Gottesfrage ‚wo bist du?‘ vernommen und durch ein besseres Handeln beantwortet wird.“3
Solange der Mensch mit sich selbst als letzter Instanz rechnet und verzweifelt nach Leben giert - in der Hoffnung zu sein wie Gott - wird er am Ende mit leerem Herzen dastehen. Dann aber wachsen Dornen und Disteln statt FrĂŒchte des Glaubens.

Auch der neutestamentliche Text in Lukas 16,19-31 zielt darauf die FrĂŒchte des Glaubens wachsen zu lassen. Es handelt sich um Sondergut des Lukas. Ob ab Vers 27ff spĂ€tere redaktionelle ZusĂ€tze vorliegen, ob analoge ErzĂ€hlungen und Motive die Vorlage bildeten, wird diskutiert.4 Ich halte es mit Rengstorf, der dazu bemerkt: Der Grundgedanke entfaltet sich „vollstĂ€ndig erst mit ihrem letzten Verse: Selbstsicherer Gebrauch dessen, was die Welt bietet, fĂŒhrt unwiderruflich in die Qual vollkommener Gottesferne.“5
Das Kapitel Lukas 16 handelt vom Thema Geld und Thora. Die der ErzĂ€hlung vorgeschalteten Verse 14-18 mit dem Hinweis auf das Gesetz und die Propheten geben der ErzĂ€hlung „noch grĂ¶ĂŸere Wucht“.6

Die ErzĂ€hlung erwĂ€chst aus den sozialen VerhĂ€ltnissen der damaligen Zeit und spiegelt Anschauungen der PharisĂ€er ĂŒber die Hölle als zwischenzeitlichem Strafort fĂŒr die Gottlosen. Kritisiert wird die UnbekĂŒmmertheit, mit der der Reiche inmitten seines Reichtums lebt: „er macht es 
 so, wie ‚man es‘ eben in seiner Lage nur zu leicht ‚macht‘“.7
Bei dem Thema arm und reich geht es um Fragen von Recht und Gerechtigkeit und damit um einen Schwerpunkt des Glaubens: des jĂŒdischen und auch unseres Glaubens.

Luther Ă€ußert in einer Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis 1522 zur Stelle: „Wenn wir 
 an diesem reichen Mann nach den FrĂŒchten des Glaubens sehen, so werden wir finden ein Herz 
 des Unglaubens.“8 „Wer 
 Gottes GĂŒte nicht fĂŒhlt, der fĂŒhlt auch seines NĂ€chsten UnglĂŒck nicht 
 Also sehen wir an diesem Beispiel 
, dass unmöglich Liebe ist, wo kein Glaube ist und unmöglich Glaube, wo keine Liebe ist 
 ein UnglĂ€ubiger will sich von jedermann bedienen lassen.“9 Der Glaube hingegen „lĂ€sst sich anstecken von Gottes Perspektive, die das Elend der Armen sieht“10: d.h. neu sehen lernen, besonders jene wahrzunehmen, die in Not und Elend sind.

Drei Aktualisierungen dazu aus unserer Zeit:

1. Es ist nicht einsehbar, dass bei uns gerade in der Adventszeit Licht verschwendet wird und gleichzeitig mehr als 1 Milliarde Menschen im Dunklen sitzen bzw. gesundheitsschĂ€dliche Petroleumlampen benutzen. Mit der „Aktion Lichtbringer – Licht schenken statt verschwenden“ will unsere Kirchengemeinde gegensteuern. Solarlampen sollen Petroleumlampen ersetzen, damit mehr und mehr von den Ärmsten der Armen Zugang zu mehr und besserem Licht haben.

2. Die Energiewende in Deutschland wird heiß diskutiert, z.B. wird gegen den Bau von WindrĂ€dern Einspruch erhoben, um Rotmilane zu schĂŒtzen oder Schlagschatten zu vermeiden. FĂŒr den Strom, den ein modernes Windrad im Jahr erzeugt, spart man 2500 Tonnen Steinkohle, soviel wie 100 große LKWs transportieren können. Die Steinkohle aber wird aus dem Ausland, z.B. aus Kolumbien, herbeigeschafft. DafĂŒr wird Urwald in Kolumbien und anderswo gerodet, die ansĂ€ssige Bevölkerung vertrieben, und es werden riesige Löcher in die Erde gebuddelt. Wir leben energetisch in Saus und Braus, wollen keine WindrĂ€der bei uns und stellen oftmals noch nicht einmal die elektrischen GerĂ€te ab. Bei einer Umfrage unter Konfirmanden stellte sich heraus, dass manche in ihrem Zimmer mehr als 10 (!) elektrische GerĂ€te in Betrieb haben - Tag und Nacht! In globalen ZusammenhĂ€ngen lĂ€sst sich unser Umgang mit Energie mit dem Verhalten des Reichen gegenĂŒber Lazarus vergleichen. Wir ignorieren, dass Menschen in anderen Regionen der Welt durch unseren Umgang mit Energie Heimat und Bleibe verlieren - arm wie Lazarus werden wenn Kohle gefördert werden soll -, was den Klimawandel zudem noch anheizt.

Eine Frucht des Glaubens heißt m.E. die Energiewende in Deutschland beherzt voranzubringen - statt die Armen und zukĂŒnftige Generationen fĂŒr unseren flĂŒchtigen Wohlstand zahlen zu lassen.

3. Neulich kam bei uns das Thema auf welche Farben der Blumenschmuck fĂŒr den Konfirmationsgottesdienst haben soll. Wichtiger aber ist m.E. die Frage: wie sind die Blumen erzeugt worden? Blumen aus Plantagen wo Helikopter Chemikalien auf die Felder versprĂŒhen wĂ€hrend dort zugleich BeschĂ€ftigte arbeiten und Erkrankungen hervorrufen, an denen manche zugrunde gehen, solche Blumen passen nicht zu einem Konfirmationsgottesdienst, sondern erinnern an Lazarus mit seinen GeschwĂŒren und an die MentalitĂ€t der 5 BrĂŒder, die nicht umdenken wollten, sondern weiterleben wie bisher - statt auf Gottes Boten zu hören.

 

Mit diesen drei Beispielen möge deutlich werden: Die Geschichte von Lazarus und dem Reichen fordert den Prediger und die Gemeinde heraus zu ĂŒberlegen wie wir uns in unseren heutigen LebenszusammenhĂ€ngen verhalten. Das Versagen des Reichen „lag in der selbstgefĂ€lligen Sicherheit, die kein Auge ĂŒbrig hatte fĂŒr das HĂ€ufchen Elend vor seinem Haus.“11 So wachsen keine FrĂŒchte des Glaubens.

 

Die ErzĂ€hlung von Jesu wahren Verwandten in Mk 3, 20-35 weist uns auf das Thema noch einmal aus einer weiteren Perspektive: Nicht der eigene Clan, nicht die eigene Familie oder Gesellschaft ist die entscheidende Bezugs- und OrientierungsgrĂ¶ĂŸe, sondern „wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ (Mk 3, 35)12

In einer globalisierten Welt, in der unser Handeln bis an die Enden der Welt Auswirkungen hat, ist das durchzubuchstabieren und mit anschaulichen Beispielen in der Predigt deutlich zu machen: nicht lĂ€nger oder zumindest weniger auf Kosten der Armen zu leben, die oft am anderen Ende der Welt leben. Dann können FrĂŒchte heranwachsen, die einer globalen Zivilisation dienlich sind. Dazu brauchen wir die FrĂŒchte des Glaubens und wir sollten die Trinitatiszeit nutzen: als grĂŒne Wachstumszeit und Reifezeit – um den Wandel in uns und um uns zu gestalten!

Von den FrĂŒchten des Glaubens spricht 2 Kor 4,13-5,1 unter einer besonderen Perspektive. Der Apostel Paulus, der sich mit Kritik seiner Gegner auseinander zu setzen hatte und um den Erfolg seiner MissionsbemĂŒhungen besorgt war, ein Mann, der wohl den Zenit seiner TĂ€tigkeit ĂŒberschritten hatte, er erfĂ€hrt am eigenen Leib, dass „unser Ă€ußerer Mensch verfĂ€llt“. (V16)

In solch einer Situation spricht Paulus vom inneren Menschen, der sich im Unterschied zum Ă€ußeren Menschen nicht verbraucht, sondern „von Tag zu Tag erneuert wird“. (V16)13

Die RealitĂ€t wird heute aber von vielen ganz anders erlebt. ‚Die erschöpfte Gesellschaft’14 lautet der Titel eines kĂŒrzlich erschienenen Buches. Zunehmende Anforderungen im Beruf fĂŒhren zu Stress bis hin zum Burn-out. Aber auch die Jungen und die Alten, die nicht in der Arbeitswelt stehen, machen sich selber Stress. Sei es um den eigenen Marktwert in sozialen Netzwerken zu steigern (die Jungen), sei es Verpflichtungen und TĂ€tigkeiten zu ĂŒbernehmen, um das GefĂŒhl zu haben gebraucht zu werden (die Senioren).

Wir bauen uns Ă€ußerlich auf und stemmen uns gegen den Verfall des Ă€ußeren Menschen – haben wir den Sinn fĂŒr die Erneuerung des inneren Menschen verloren? Dann aber droht die Gefahr, dass kostbare FrĂŒchte verdorren, bevor sie ĂŒberhaupt zur Reife gelangen.
Luther betonte, dass ein Christ immer im Werden ist. D.h. sich von Gott aus VordergrĂŒndigem herausholen zu lassen, sich in der Personenmitte durch die Begegnung mit Gott „runderneuern“ zu lassen und eine neue Blickrichtung zu gewinnen.

Was wir brauchen, ist die gesunde Balance zwischen dem Ă€ußeren Menschen, der sich verausgabt und dem inneren Menschen, der in der Begegnung mit Gott neue KrĂ€fte sammelt. Dann werden wir gelassener ans Werk gehen. Dann können gute FrĂŒchte wachsen und der Wandel gestaltet werden.

Andreas Krone, Runkel-Steeden

 

Anmerkungen
1. O.H. Steck, Die ParadieserzÀhlung, S 96, zitiert nach Claas, Göttinger Predigtmeditation (GPM) 59/2,2005, S 153

2. M. Buber, zitiert nach R. Gradwohl, Bibelauslegung aus jĂŒdischen Quellen, Bd 1, Stuttgart 1986, 52. Siehe auch C. Westermann, Biblischer Kommentar, Altes Testament, Genesis, 1. Teilband, Neukirchen-Vluyn, 19833: In diesem Anruf Gottes wird deutlich, dass die folgende Vertreibung aus dem Garten „von einer Zuwendung Gottes zu den Menschen ausgeht ... Der den Menschen bestrafende Gott ist der sich um den Menschen bekĂŒmmernde Gott“, S 346.
3. Gradwohl, 52
4. Siehe Hoffmann, Göttinger Predigtmeditationen 63/3, 2009, S 318. Sehr ausfĂŒhrlich Francois Bovon in EKK III/3 Das Evangelium nach Lukas, DĂŒsseldorf, ZĂŒrich 2001, S 109-130
5. Neues Testament Deutsch, Göttingen 1978, S 195
6. Ebenso 193
7. Ebenso 193
8. Zitiert nach Hoffmann, GPM 2009, S 319
9. Ebenso
10. Hoffmann GPM, 320
11. Koch, in: Meditative ZugÀnge, Predigtreihe I,2, Göttingen 1991, 214
12. AusfĂŒhrliche Darstellung exegetischer und redaktionsgeschichtlicher Fragen siehe EKK, Das Evangelium nach Markus, Joachim Gnilka, ZĂŒrich u.a. 19893, S 144-155
13. Zur ausgiebigen Diskussion zum Ă€ußeren und inneren Menschen vgl. EKK, Der Zweite Brief an die Korinther, Thomas Schmeller, Neukirchen-Vluyn 2010, S 272-281
14. Stephan GrĂŒnewald: Die erschöpfte Gesellschaft - Warum Deutschland neu trĂ€umen muss, Frankfurt, New York 2013