Miserikordias Domini / 3. Sonntag der Osterzeit / 2. Sonntag nach Ostern
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Petr 2, 21b-25 | Apg 5, 27b-32.40b-41 | Offb 5, 11-14 | Joh 21, 1-19 oder Joh 21, 1-14 |
Das Thema des Sonntages im Kirchenjahr ist die „Barmherzigkeit des Herrn“, wie sie in dem Bild des guten Hirten anschaulich wird.
Nur in zwei Texten der evangelischen Perikopen- und der katholischen Leseordnung kommt das Bild des Hirten vor. In allen vier Texten geht es um das Vorbild Christi als unschuldig Leidendem, um das „Lamm Gottes“ und um die (Leidens)Nachfolge der Jünger. Das Thema Nachhaltigkeit sehe ich nur in diesen beiden Texten aufgenommen.
1) 1 Petrus 2, 21b-25 (evangelische Perikopenordnung)
Der Kontext des Predigttextes stellt eine Zumutung an den Prediger und die Predigerin dar, denn der Abschnitt ist Teil der sogenannten „Haustafel“, in dem die Sklaven aufgefordert werden, ihr Schicksal der Sklaverei geduldig zu ertragen, so wie Christus auch sein Leiden willig ertragen hat. Diese Aufforderung aus einer Zeit, in der die Abschaffung der Sklaverei offensichtlich noch als undenkbar galt, lässt sich schwerlich ins Heute übertragen. Ebenso problematisch erscheint eine Auslegung, die auf die Nachfolge Jesu durch die willige Übernahme des Märtyrertodes zielt.
Die Frage nach dem Umgang mit dem Leiden ist heute angesichts der Zunahme von Terror, Unrecht, Verfolgung und Krieg, in Zeiten von IS, Boko Haram, Ukrainekrise und den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer höchst aktuell. Es kann nicht bestritten werden, dass auch die Verfolgung und Ermordung von Menschen um ihres Glaubens willen – darunter vor allem von Christen- besorgniserregend zugenommen hat. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage: Müssen Christen und Christinnen wie Christus das ihnen zugefügte willig Leid ertragen, es gar als „Gnade“ ansehen (V. 20)? In welchen Fällen ist Widerstand gegen Unrecht und Krieg geboten und wie soll er aus christlicher Perspektive aussehen?
Der Text sollte m.E. von der zentralen Zusage ausgelegt werden, dass Christus gestorben ist, damit wir „…der Sünde abgestorben der Gerechtigkeit leben“ (V. 24 a). Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Christus bedeutet also, die Sünde hinter sich zu lassen und für die Gerechtigkeit zu leben. Glaube an den leidenden Christus heißt an die Kraft der Gewaltfreiheit zu glauben. Diesem gilt es nachzufolgen. Wie das aussehen kann, wird in V. 23 deutlich, wo Christus als der vorgestellt wird, der auf Rache und Vergeltung verzichtete. Damit wird sowohl auf den leidenden Gottesknecht in Jesaja 53 als auch auf die Bergpredigt Bezug genommen. Mir kommen dabei Menschen in den Sinn, die sich in vielen Ländern in Friedensinitiativen engagieren und für Gerechtigkeit und Versöhnung eintreten. Ich denke an Christen und Muslime, die in Nigeria gemeinsam für ein friedliches Zusammenleben eintreten, an die kleinen christlichen Kirchen im Nahen Osten, die sich für eine Verständigung zwischen den Religionen und politischen Konfliktparteien einsetzen, an die Kirchenvertreter, die sich in der Ukraine vor die Panzer gestellt haben und an die, die die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer retten. Damit durchbrechen sie den Teufelskreis der Gewalt und zeigen, dass es doch eine Alternative zu Krieg, Verfolgung und Terror gibt. Sie lassen sich leiten von der Zusage: „durch seine Wunden seid ihr heil geworden“ und bezeugen so das Heil Gottes (V. 24b). Den verzweifelten Menschen, die durch unsere Welt wie „verirrte Schafe“ herumziehen, werden sie zu guten Hirten (V. 25).
2) Apostelgeschichte 5, 27b-32.40-41 (katholische Leseordnung)
Die Geschichte handelt von dem mutigen Bekenntnis des Petrus vor dem Hohen Rat, der den Aposteln verbietet, das Evangelium Jesu zu predigen. Trotz Gefängnis, dem die Apostel gerade entkommen sind, trotz Schlägen und Drohungen (V. 40) hält Petrus fest: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (V. 29). Mit diesem Bekenntnis des Petrus wird deutlich, warum Christen auch in Situationen kommen, in denen sie zum Widerstand aufgerufen sind. In der Nachfolge Jesu kann dieser Widerstand jedoch immer nur ein gewaltfreier Widerstand sein.
Der Gehorsam gegenüber Gottes Geboten steht über dem Gehorsam gegenüber menschlichen Instanzen. Das gilt sowohl für das Gebot, das Evangelium Jesu zu bezeugen wie auch für das Gebot der Nächstenliebe. Es ist beeindruckend, dass Christen und Christinnen in vielen Ländern sich nicht scheuen, ihr Leben durch die Bezeugung ihres Glaubens zu riskieren. Die Begegnungen mit Geschwistern unserer Partnerkirchen in Syrien oder mit Christen aus Pakistan erlebe ich auch als Anfrage an unsere relativ wohlhabenden und abgesicherten Kirchen in Europa, die sich so viele Sorgen um ihre Zukunft machen. Wären wir bereit, auch solche Nachteile für unseren Glauben in Kauf zu nehmen und unseren Glauben bei Bedrohung und Gefahr so mutig zu bekennen?
Gott mehr gehorchen als den Menschen, das gilt auch für die politische und gesellschaftliche Verantwortung der Christinnen und Christen. Wo das Recht der Armen gebeugt wird, sollen sie auch gegen wirtschaftliche und politische Interessen für deren Rechte eintreten. Aktuell lenkt dies unseren Blick auf die verzweifelte Situation von Menschen in vielen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens, die unter Armut und Krieg leiden und die gefährliche Flucht in das reiche Europa antreten. Als Christen und Christinnen sind wir aufgefordert, uns für die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern einzusetzen, die oft auch durch unsere wirtschaftlichen Interessen mitverursacht sind. Wir sind aber auch aufgefordert, Flüchtlinge bei uns willkommen zu heißen und ihnen Asyl zu gewähren. Ein Mittel, ihnen zu diesem Recht auf Asyl zu verhelfen, ist das Kirchenasyl. Viele Kirchengemeinden wählen dieses Mittel des zivilen Ungehorsams. Ein anderes Mittel des zivilen Widerstandes ist der Einsatz für Klimagerechtigkeit z.B. durch symbolische Aktionen und eine kritische Begleitung der Klimakonferenzen. Denn der Klimawandel trifft die am meisten, die am wenigsten zu ihm beitragen. Deshalb sind die Menschen in den reicheren Ländern als erstes zu einer grundlegenden Umkehr in ihrem Lebensstil aufgerufen und zur Kritik am herrschenden wirtschaftlichen Wachstumsparadigma, das keine Rücksicht nimmt auf die Bedürfnisse der Armen und die Erhaltung der Schöpfung.
Mich beeindruckt, wie die Apostel „fröhlich von dannen zogen“, weil sie um des Evangeliums willen leiden durften (V. 41). Und dass sie nicht aufhörten, das Evangelium von Jesus Christus alle Tage zu predigen (V. 42). Diese Gelassenheit und Unbeirrbarkeit im Glauben an das Evangelium und im Dienst an den Menschen wünsche ich auch uns.
Dr. Ruth Gütter