11.o8.24 – 11. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Gal 2,16-21 1 Kön 19, 4-8 Eph 4, 30 - 5, 2 Joh 6, 41-51

Galater 2, 16 -21

Exegetische Anmerkungen:

Dieser Text wird besser verständlich, wenn wir ihn in den Kontext stellen, in dem Paulus diese Worte schreibt. Paulus beschreibt in den vorangehenden Versen einen handfesten Konflikt mit Petrus. Er wirft ihm Heuchelei vor, da Petrus zunächst mit Heidenchristen Tischgemeinschaft pflegte ohne auf die jüdischen Reinheitsgebote zu achten. Dann aber wollte Petrus vor Jakobus, dem Bruder Jesu und seinen (judenchristlichen) Leuten gut dastehen und aß plötzlich nicht mehr mit den sogenannten „Heiden“ sondern wollte sie zwingen, jüdische Vorschriften zu beachten. In diesem Vorgang sieht Paulus eine gefährliche Rückkehr in eine Gesetzlichkeit, die die Freiheit aus dem Glauben an Jesus Christus in Frage stellt. Deswegen formuliert Paulus ungewöhnlich scharf, ja fast ideologisch, um das zu betonen, was er als Kern des christlichen Glaubens erkannt hat: Gott nimmt uns an allein aufgrund unseres Glaubens, des Vertrauens zu ihm, eigene Leistung („Werke“) zählen dabei nicht, ja können eher im Wege stehen. Das ist pure Rechtfertigungslehre, die protestantisches Denken bis heute nachhaltig prägt.

Predigtanregungen:

Ich finde es spannend, in einer Predigt zunächst auf das einzugehen, wovon Paulus sich deutlich abgrenzen will, auf die Position des Petrus. Ich frage mich, ob Petrus uns nicht viel näher ist mit dem Ansatz, dass unsere Leistungen zählen, dass es auch auf unser (richtiges) Verhalten vor Gott und den Menschen ankommt.

Unser ganzes Leben funktioniert doch nach dem Leistungsprinzip und deshalb meinen wir uns den Himmel, wenigstens ein bisschen, verdienen zu können.

Wir wollen gesehen und anerkannt werden, für das was wir tun, für das Engagement, das wir zeigen. Gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit, auf Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ist es doch von entscheidender Bedeutung, dass wir handeln und wie wir handeln. Das kann doch nicht wertlos sein.

Es ist auch nicht wertlos, aber die „Werke“ müssen an ihren richtigen Platz gestellt werden, da wo sie hingehören.  Und sie gehören nicht ins Zentrum unserer Beziehung zu Gott. In das Zentrum unserer Beziehung zu Gott steht nämlich Gottes befreiendes und gnädiges Handeln an uns, dass er uns durch Jesus Christus seine bedingungslose Annahme schenkt, zu der wir im Glauben vertrauensvoll ja sagen dürfen. Damit ist unser Verhältnis zu Gott ein für allemal geklärt. Und dieser Glauben befreit uns, denn wer sich auf seine Leistungen (vor Gott) beruft, der wird immer wieder nur auf sich selbst stoßen und um sich selbst kreisen. Wenn ich diese Abhängigkeit durchbreche, kann ich in den “Gnadenbereich Gottes” eintreten, dann stehe ich auf dem “Urgrund” des christlichen Glaubens. Ich lebe, ob ich etwas Nützliches leiste, oder nicht. Gott hat mich gemacht, er hat mich erschaffen, ich darf leben, welch ein Wunder.

Gute Werke sind nach Artikel 16.2 der „Westminster Confession of Faith“ (1647) „Früchte und Zeichen eines wahren und lebendigen Glaubens. Durch sie zeigen die Gläubigen ihre Dankbarkeit“.  Dies ist der Platz, der den guten Werken gebührt: sie sind nicht Grund, sondern Auswirkung des Glaubens, natürliche Folge eines in Dankbarkeit gegenüber Gott gelebten Lebens.

Nachhaltigkeitsaspekte:

In meinem Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist meine eigene Haltung von Bedeutung: überfordere ich mich, weil ich meine, ich könne „die Welt retten“? Setze ich mich und andere unter Leistungszwang, weil die Situation so dramatisch ist? Zu der Zeit da ich diese Zeilen schreibe (Juni 2023) werden die Aktionen der „Last Generation“ vielfach in den Medien diskutiert: junge Menschen, die sich auf Straßen festkleben um die Öffentlichkeit wachzurütteln und die Politik zum Handeln zu zwingen. Ich kann die Motivation der jungen Menschen sehr gut verstehen, teile ihre Sorgen und finde das Anliegen mehr als berechtigt. Ist es ein legitimer Weg andere Menschen zu nötigen um sie aufzurütteln? Vielleicht bewirken die Aktionen etwas, vielleicht schrecken sie eher ab. Ein Handeln, dass Gott nicht im Blick hat, sondern davon ausgeht, dass es allein auf mich ankommt, kann schnell zur Verzweiflungstat werden. Die bedingungslose Annahme durch Gott, die Rechtfertigung aus Glauben, gibt uns alle Freiheit und Kreativität zum Handeln, denn „durch ihn (Jesus Christus) widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen“ (These 2 der Barmer Theologischen Erklärung).

Wenn ich mein Engagement für diese Welt, für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung als „freien und dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen“ sehe, dann kann ich mich mit all meiner Kraft und meinen Fähigkeiten engagieren ohne auszubrennen oder zu verzweifeln. Denn: HE has got the whole world in his hands.

Könige 19, 4-8

Der Prophet Elia befindet sich in einer existenziell bedrohlichen Situation. König Ahab und seine Frau Isebel trachten ihm nach dem Leben. Auf den Triumph des Elia (Gottesurteil am Karmel) über Baal und seine Priester folgt seine Flucht in die Wüste. Elia fühlt sich am Ende, zweifelt an sich selbst und seiner Mission und will sterben. Heute würden wir das Burn-Out nennen.

Gott gewährt ihm das, was er zur Stärkung an Leib und Seele benötigt: Schlaf und nochmals Schlaf, Brot und Wasser, wiederholte persönliche Ansprache (durch den Engel) und einen neuen Auftrag.

Nachhaltigkeitsaspekte finde ich in der notwendigen Stärkung durch Gott für den „weiten Weg“, der vor uns liegt. Die Stärkung durch Gott ist offenbar sehr nachhaltig, denn Elia hat die Kraft und die Energie um bis zum Berg der Gottesbegegnung (dem Horeb bzw. dem Sinai) zu laufen, vierzig Tage und Nächte lang. Wenn wir uns für die Schöpfung engagieren, dann ist das kein Sprint, sondern ein Marathon, ein weiter Weg, auf dem wir einen langen Atem brauchen. Und wir lernen wie wenig wir eigentlich zum Leben brauchen und können sagen „es ist genug“ in einem positiven Sinne: genügend Schlaf, einen Rückzugsort im Schatten (unter dem Ginsterstrauch), Brot und Wasser, persönliche Ansprache und einen Auftrag, einen Sinn im Leben. Das ist geistliche und leibliche Wegzehrung, die genügt.

Marcus Wetter, Krefeld

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