ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Spr 8, 22-36 | Apg 13, 14.43b-52 | Offb 7, 9.14b-17 | Joh 10, 27-30 |
Ev. Predigttext: Spr 8, 22-36:
Ein ganz wunderbarer poetischer Schöpfungstext, der von der Erschaffung der Weisheit erzählt und viele Parallelen zum Schöpfungsbericht Gen 1 aufweist. Die Vorstellung einer personifizierten Weisheit hat sich in Israel seit dem Exil entwickelt, als der Polytheismus keine Gefahr mehr für den Jahweglauben bedeutete. Während die Weisheit in Hi 28 und Bar 39-44 als eine Sache erscheint, als ein begehrenswertes Gut, das sich außerhalb von Gott und vom Menschen befindet, wird sie in Spr 1,20-33; 3,16-19 und 8-9 als Person dargestellt.
Hier offenbart sie selbst ihren Ursprung (vor aller Schöpfung erschaffen, V. 22-26) sowie den aktiven Anteil, den sie am Schöpfungswerk nimmt (V. 27-30) und die Rolle, die sie bei den Menschen spielt, um sie zu Gott zu führen (V. 31.35-36) – als eine Eigenschaft Gottes oder ein von Gott unterschiedenes Wesen.
Im NT wird diese Lehre wiederaufgenommen und erhält eine weitere und entscheidende Entfaltung dadurch, dass sie auf die Person Jesu Christi angewandt wird: Jesus wird als „die Weisheit“ und „die Weisheit Gottes“ bezeichnet (Mt 11,19; Lk 11,49; vgl. Mt 23,34-36; 1 Kor 1, 24-30: wie die Weisheit hat er Anteil an der Erschaffung und Erhaltung der Welt).
Der Prolog von Joh schließlich überträgt Züge der schöpferischen Weisheit auf den Logos und das ganze Joh-Ev stellt Jesus als die Weisheit Gottes dar (vgl. Joh, 6,35 ff). So erklärt sich, dass die christliche Überlieferung seit Justin in der Weisheit des Ersten Testaments (AT) Christus erkannt hat.
Die Verse beschreiben so die innige und liebe-volle Verbindung zwischen Schöpfer-Gott und Christus, die uns heute als „Vor-Bild“ dienen kann, wie wir untereinander und unserer Mit-Welt umgehen können und sollten: in einer Beziehung lebend, die von Liebe, Freude und Spiel geprägt ist, ohne Selbstzweck, wie ein Kind im Augenblick den „Augen-Blick“ lebend und diesen genießend.
Welch starkes Kontrastbild zu dem, wie unsere Welt sich heute „aufgestellt“ hat und wie sie „funktioniert“… Wie sehr sind uns die inneren Haltungen „wenn es etwas bringt/wenn ich etwas davon habe/wenn es mich weiterbringt, weil ich davon profitiere“ usw. als Kriterien für unser Handeln vertraut, ja, längst internalisiert und dadurch „selbst-verständlich“ geworden. So laufen wir immer wieder in diese „Falle“, die uns nicht zum „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) führt. So mag uns dieser Text aufs Neue „Heraus-Forderung“ und „Ein-Ladung“ sein, aus dem „Hamster-Rad“ unseres Lebens - zumindest immer mal wieder - auszusteigen und der Verheißung zu folgen:
„Wer mich findet, findet Leben und erlangt das Gefallen des Herrn (V. 35)“
Zugleich kann sich in dieser Erfahrung eine der größten Sehnsüchte so vieler Menschen heute erfüllen: mich als geliebt(es Kind) zu erfahren, vor aller Leistung und bedingungslos angenommen zu sein. In diesem Vertrauen darf ich aus der Tiefe meines Herzens jubeln und dem Namen dieses Sonntags („Jubilate“) alle Ehre machen…
Kath. 1. Lesung: Apg 13, 14.43b-52:
Klare Ansage, was „Sache“ ist – und die Konsequenzen ziehen, transparent machen und handeln - wie oft würden wir uns dies im so dringend not-wendenden Umgang mit unserer Mitwelt wünschen. Über 50 Jahre wissen wir über die „Grenzen des Wachstums“ durch die Beschreibungen des „Club of Rome“ Bescheid, hätten die zahlreichen Warnsignale der Schöpfung Ernstnehmen können und uns darauf einstellen können, was auf uns zukommt, aber aus unterschiedlichen Gründen haben wir uns versäumt – und müssen mit den bitteren Konsequenzen und immer neuen Schreckensszenarien leben…, die eine Umkehr unbedingt not-wendig machen.
Paulus und Barnabas waren da konsequenter: Wenn Ihr nicht hören wollt, was wir euch zu sagen haben und wir leider nur „taube Ohren“ wahrnehmen können, wenden wir uns an die, die offen sind für das, was „die Stunde schlägt“, für das „Heil-same“, das in der Botschaft liegt, die sie zu verkünden haben…
Und sie haben dies voller Freude und erfüllt vom Heiligen Geist getan: sich nicht entmutigen lassen von den „ewig-Gestrigen“ und „Unbelehrbaren“, den Leugnern des Offensichtlichen und den Verweigerern von Veränderung… - und dort die Anstrengungen verstärken, wo sie auf „fruchtbaren Boden“ fallen und etwas wachsen kann, in den „Graswurzelbewegungen“ unserer Zeit, deren Aufbrüche es auf vielen Ebenen im Einsatz für Klimagerechtigkeit und Artensterben gibt.
Leben wir aus dieser Freude und diesem Espirit, die dann ansteckend werden können für immer mehr Menschen…
Kath. 2. Lesung: Offb 7, 9.14b-17
Ein harmonisches Bild, das uns die Sprache verschlagen mag: ein Zukunftsszenario, nach dem wir uns in der aktuellen Situation des Anthropozäns, der von Menschen in einer nie dagewesenen Weise geprägten Epoche, die für so viel Leid und Tod gesorgt hat und weiterhin sorgt, so sehr sehnen mögen – und zugleich längst alle Hoffnung aufgegeben haben? Weil wir uns bereits daran gewöhnt haben, die Katastrophen- und Kriegsbilder schrecklich und unerträglich bleiben, wir uns aber mit ihnen „arrangiert“ haben, teils aus Ohnmacht, teils aus Resignation…
Eine Utopie, die von Menschen niemals erreicht werden wird und kann und uns evtl. vertrösten will?
Es ist ein Bild der Zukunft, die uns verheißen ist, vielleicht für das, was uns in der Vollendung/im kommenden Leben erwartet – und deshalb ein Hoffnungsbild, das uns bereits jetzt in den gelungenen „Augen-Blicken“ unseres Lebens erahnen lassen kann, wie es sein wird.
Mehr noch: es will uns Motivation und Kraftbild sein, dass wir JETZT darauf hinarbeiten, Wege „aus der großen Bedrängnis“ zu suchen und zu finden, mit denen der Autor auf die Verfolgungen, deren Prototyp die Verfolgungen unter Kaiser Nero waren, anspielt. Die Bedrängnisse unserer Zeit sind – neben den Christenverfolgungen in leider immer noch zu vielen Gebieten dieser Erde – die Bedrohungen unserer Existenz durch Erderwärmung und Artensterben, die wir selbst zu verantworten haben und die uns nicht gleich-gültig sein lassen dürfen.
„Sie werden keinen Hunger und keinen Durst mehr leiden, und weder Sonnenglut noch irgendeine sengende Hitze wird auf ihnen lasten.“ Worte aus der Prophezeihung des Propheten Jesaja (4,5f.; 25, 4-5; 49,10) die ein völlig konträres Bild zur aktuellen Erfahrung der Menschen heute zeichnen - bis in unsere Breitengrade hinein…
Noch seufzt die Schöpfung und liegt in Geburtswehen, wie es der Apostel Paulus einmal in Worte gefasst hat, aber es gibt ein Ziel, auf das wir alle zugehen dürfen, von dem wir träumen dürfen, um uns im Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung aufs Neue zu motivieren und zu stärken: „Denn das Lamm [Jesus Christus] in der Mitte … wird sie weiden und zu den Quellen führen, aus denen das Wasser des Lebens strömt, und Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen, so wie es auch eines unserer sog. „Neuen Geistlichen Lieder“ beschreibt:
„Alle meine Quellen entspringen in dir, in dir mein guter Gott. Du bist das Wasser, das mich tränkt, und meine Sehnsucht stillt. Du bist die Kraft, die Leben schenkt. Eine Quelle, welche nie versiegt. Ströme von lebendigem Wasser brechen hervor…“
Kath. Evangelium: Joh 10, 27-30
Wie in der 2. Les treffen wir auch im Evangelium auf ein sehr starkes Bild und eine Verheißung, die von der Vertrautheit und innigen Beziehung zwischen Jesus und seinen Jünger:innen erzählen: es ist das alte – und heute in der Natur kaum noch anzutreffende – Bild vom „Guten Hirten“, der um alle seine Schafe weiß und sich in der Weise um sie sorgt, dass keines von ihnen Schaden erleiden wird:
„Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen (V. 28b).“
Die erlebte aktuelle Wirklichkeit in dieser „Zeitenwende“ sieht genau anders aus: persönliche, gesellschaftlichen wie globalen Beziehungen sind zunehmend von Aggression und Streit geprägt, viele Menschen sind „dünnhäutiger“ geworden, finden immer weniger (zu) sich selbst und einen persönlichen Platz in diesen unruhigen und stressgeplagten Zeiten… Und so klingt dieses vertraute Bild selbst wie eine Quelle, zu der ich gehen darf, weil es um eine Beziehung geht, die in mir selbst lebendig werden kann – nicht als „Flucht aus der Welt“, sondern um ein gutes „Fundament“ zu schaffen, um gut durch die Stürme und Katastrophen dieser Zeit hindurch zu kommen und weitergehen zu können. Wenn ich gut bei mir selbst bin, mich spüren kann, wird mir nichts so schnell den Boden unter Füßen wegziehen, dann bin ich „wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen“ (Ps 1,3).
Und Jesus weiß – als Guter Hirte -, was uns, seine „Schafe“ bewegt, weil er uns kennt und um jede:n von uns weiß, noch bevor wir es selbst in Worte fassen können. Bei meinem eigenen Vater, der mit 50 Jahren seinen Kindheitstraum „Schäfer zu sein“, verwirklicht hat, durfte ich bewundern, dass er Namen für sie hatte und immer hinter den Schafen herlief: weil er darauf vertrauen konnte, dass sie den Weg (zur Weide) kennen und so dafür sorgen konnte, dass alle (in ihrem je eigenen Tempo) mitkommen, dass keiner – im wahrsten Sinne des Wortes – „auf der Strecke bleibt“…
Lassen wir uns aufs Neue auf dieses großartige Geschenk der Beziehung zu Jesus ein, - nicht obwohl, sondern weil die Welt „so sehr im Argen liegt“…
Norbert Nichell, Bistum Mainz