11. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis (12.8.18)

11. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Gal 2, 16-21 1 Kön 19, 4-8 Eph 4, 30 - 5, 2 Joh 6, 41-51

Gal 2, 16-21

Exegetische Überlegungen

Der Galaterbrief gilt als Kerndokument der protestantischen Rechtfertigungslehre. Er ist das streitbarste Schreiben des Paulus und wendet sich gegen diejenigen, die bezweifeln, dass auch nichtjüdische Menschen Zugang zum Heil bekommen können.

Die neuere Paulusauslegung (z.B. Luise Schottroff, Claudia Janssen) sieht Paulus jedoch nicht mehr im Gegensatz zum Judentum, sondern vielmehr fest in der jüdischen Tradition verankert. Paulus verkündet Befreiung von der Macht der Sünde hin zur Erfüllung der Thora. Durch den Messias Jesus eröffnet Gott allen Menschen einen Weg zur Teilhabe am Heil Israels. Das jüdische Gesetz ist durch Christus nicht überholt, sondern bleibt auch für die christliche Gemeinschaft Gottes Wille und Weisung zum Leben.

Sünde ist kein individueller moralischer Begriff, sondern bezeichnet die Verstrickung in schuldhafte todbringende Strukturen, denen wir uns nicht entziehen können. Durch das Eingreifen Gottes in Tod und Auferstehung des Messias Jesus sind wir befreit vom Zwang zum falschen Leben. Glauben heißt dann, anzufangen gerecht zu leben und die Gnade nicht wegzuwerfen.

Mitten in dieser anspruchsvollen Rechtfertigungstheologie wechselt Paulus plötzlich seinen Sprachstil und begibt sich auf eine eher mystische Ebene (Vers 19b-20). Gerecht sein bedeutet In-Eins-Sein mit Christus. Es geht hier wohl um eine neue Identität, die uns grundlegend verändert.

Predigtimpulse

Unser Text ist voll von zentralen Begrifflichkeiten protestantischer Theologie und eine echte Herausforderung für alle Predigenden.

Was hat die Rechtfertigungslehre noch mit unserem heutigen Leben zu tun?

Luthers „Frage nach dem gnädigen Gott“ ist für uns heute normalerweise kein Thema mehr. Für uns geht es eher darum, in einer von Leistungsdruck und Imponiergehabe geprägten Welt zu bestehen, indem wir uns als von Gott geliebte Menschen verstehen, die von Gott beschenkt sind und es eigentlich gar nicht nötig haben, sich ständig verzweifelt Bestätigung von außen zu suchen.

Wenn wir die Christuskraft in uns groß werden lassen, dann befreit uns das, uns immer um uns selbst zu drehen. Wir haben Gottes Liebe in uns und können voller Zuversicht und Hoffnung unseren Blick auf andere richten, die uns brauchen und anpacken wo es notwendig ist.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Unsere Verstrickung in Schuldzusammenhänge, aus denen wir uns gar nicht selbst befreien können, kann manchmal ganz schön mutlos machen. Bei allem, was ich konsumiere, bei allem, was ich tue, bin ich Teil globalisierter Arbeitszusammenhänge oder gefährde oder zerstöre Leben anderer. Ich fahre Auto und nehme in Kauf, dass täglich Millionen Tiere tot am Straßenrand liegen, immer seltener werdende Insekten auf meiner Windschutzscheibe sterben, ich zur Klimaerwärmung durch CO2-Ausstoß beitrage. Ich kaufe ein Kleidungsstück oder irgendein Lebensmittel und kann nur selten wirklich nachvollziehen, ob es wirklich lückenlos unter ökologischen und fairen Bedingungen hergestellt wurde.

Wir sollen trotz allem nicht resignieren und müssen uns auch nicht immer nur abstrampeln und anstrengen, um von Gott geliebt zu werden. Gott liebt uns. Unser Glaube an die Kraft Jesu Christi, die in uns wirkt, lässt uns zu einem guten und gerechten Leben finden. Im Vertrauen darauf, in all unserer Unzulänglichkeit von Gott geliebt zu werden, können wir tapfer weiter unsere kleinen Schritte der Veränderung wagen.

1 Kön 19, 4-8

Exegetische Überlegungen

Der Prophet Elia spielt sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Tradition eine herausragende Rolle. Seine Wiederkunft als Messias wird im Judentum erwartet und Jesus wird mit ihm verglichen.

Das 18. Kapitel endet mit Elias Erfolg auf der ganzen Linie, das ganze Volk erkennt Israels Gott als wahre Gottheit an, die feindlichen Propheten sind beseitigt, der Regen ist wieder gekommen, der König auf seiner Seite. Größer könnte also der Kontrast kaum sein, der hier spannungsgeladen aufgebaut wird. Als Isebel von Elias Triumph erfährt, stößt sie furchtbare Drohungen aus. Und der gerade noch so starke, wie ein Wilder für Gottes Sache Kämpfende, lässt sich in die Flucht schlagen, will sogar nicht mehr leben. Es ist sicher kein Zufall, dass die Geschichte in der Wüste spielt, dem Symbol für Unwirtlichkeit schlechthin. In seiner Verzweiflung und Erschöpfung hat Elia eine Gottesbegegnung und macht sich gestärkt auf den Weg zum Höhepunkt des Eliazyklus überhaupt, die Szene am Horeb, dem Gottesberg. Schon die Szene in der Wüste hat dieselbe Struktur: Verzweiflung, Klage und Anklage, die durch Gottesnähe und einen neuen Auftrag überwunden wird.

Predigtimpulse

Wir hören in letzter Zeit öfter von Männern, die nicht mehr können, die einen Zusammenbruch haben, von Burn-Out-Syndrom ist dann oft die Rede. Früher durften Männer so etwas gar nicht zugeben, da wurde das nur Frauen zugestanden.

Wenn ein Mann sagt: ich kann nicht mehr, es ist genug, dann bedeutet das meistens, dass es schon längst viel zu viel ist.

Elia wird mir in dieser Szene viel sympathischer, weil er seine Schwäche eingesteht. Und das Gottesbild, das hier gezeichnet wird, tut ebenfalls gut. Inmitten dieses so kriegerischen Buchs der Könige wirkt Gott sanft und fürsorglich und überwindet Elias trotzigen Rückzug durch Berührung, Stärkung und Ansprache. Elia wird mit neuer Kraft wieder auf den Weg geschickt. Es ist ein langer Weg mit vielen Umwegen, ein therapeutischer Weg hin zur Gesundung, ein Weg der inneren Einkehr, ein Glaubensweg.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit hat nicht nur etwas mit gerechten Strukturen und einer gesunden Umwelt zu tun. Sie beginnt vielmehr bei uns selbst, wie wir mit unserem eigenen Körper umgehen und mit unseren eigenen Kräften und Ressourcen haushalten.

Gerade wenn wir uns bewusst sind, wie viel in unserer Welt falsch läuft, wenn wir so viele Nöte und dringenden Handlungsbedarf sehen, dann sind wir ganz besonders gefährdet uns immer wieder selbst zu überfordern und irgendwann zu verzweifeln an der Unmöglichkeit, die Welt zu retten. Wir brauchen immer wieder solche stärkenden Erlebnisse, wo wir Gottes Nähe spüren können, wo uns etwas oder jemand berührt und uns neue Kraft vermittelt. Wir dürfen auch einmal schwach sein und uns fallen lassen, Schwäche zeigen und uns helfen lassen. Am besten bevor unser Körper sich schmerzhaft die Hilfe holt.

Eph 4, 30 - 5, 2

Exegetische Überlegungen

Sachliche und terminologische Parallelen sowie der Aufbau des Briefes an die Gemeinde in Ephesus weisen auf seine literarische Abhängigkeit von dem an die Gemeinde in Kolossä hin. Die Vorlage wird jedoch souverän bearbeitet und es werden neue theologische Akzente gesetzt. Die Schreibenden sind also nicht identisch. Bei beiden Briefen handelt es sich auch nicht um Paulusbriefe, obwohl sie das vorgeben zu sein. Als Pseudepigraph nimmt die verfassende Person die Autorität des Paulus für sich in Anspruch und scheint sich als im geistigen Erbe des Paulus stehend zu sehen.

Vermutlich war der Brief ursprünglich an keine bestimmte Gemeinde gerichtet, sondern als eine Art Rundschreiben für die Gemeinden Kleinasiens gedacht. Bekannt ist der Brief an die Gemeinde in Ephesus hauptsächlich wegen seiner Darlegungen über die Kirche und seiner Ehebelehrung, wobei letztere allerdings für uns heute eher ärgerlich ist, weil sie extrem patriarchale Familienstrukturen zementiert hat.

Im Zusammenhang der vorliegenden Perikope (Eph 4,1 – 5,20) geht es um Ermahnungen für christliches Leben im Raum der Kirche, in der Gemeinde und im nichtchristlichen Umfeld.

Unserem Textausschnitt unmittelbar voran geht ein kleiner Tugendkatalog. Darin wird beschrieben, wie Christinnen und Christen leben können und sollen. Die Ermahnungen gipfeln in dem Grundsatz: weil wir von Gott beschenkt wurden, können wir weitergeben.(4,32)

Predigtimpulse

Wie unterscheidet sich ein Christ oder eine Christin von anderen Menschen? Gibt es da überhaupt einen erkennbaren Unterschied?

Jesus hat uns vorgelebt, wie wir einander lieben sollen.

Alle, die glauben, dass in Jesus die Liebe Gottes sichtbar wurde und die Gott in ihrem Leben wirken lassen, sollen das auch in ihrem Verhalten gegenüber anderen sichtbar machen. Gott hat das Geschenk der Liebe in unsere Welt gegeben. Gott selbst ist Liebe und in der Liebe zwischen Menschen wird Gott lebendig.

Der Vergleich mit dem Wohlgeruch der Opfer weckt in mir die Vorstellung, dass Liebe auch immer etwas mit Opferbereitschaft und Dienen zu tun hat. Manchmal ist es eben, um der Liebe zum Mitmenschen willen notwendig, unsere persönlichen Interessen in den Hintergrund zu stellen. Manchmal müssen wir selbst zurückstecken, um anderen gerecht zu werden, ja um die Dinge zu verwirklichen, die Jesus in der Bergpredigt für uns als Richtschnur gibt.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Wenn wir ernsthaft dem Vorbild Jesu nacheifern wollen, dann müssen wir für Frieden und Gerechtigkeit in unserer Welt arbeiten. Dann können wir nicht einfach als gegeben hinneh­men, dass da Menschen leiden. Wir können nicht weiter ignorieren, dass wir auf Kosten der armen Länder leben. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um Menschen zu helfen, ihre Probleme zu bewältigen auch hier bei uns.

Eine Gesellschaft, die zukunftsfähig sein will, braucht heute mehr denn je Solidarität und Gerechtigkeit. Eine zukunftsfähige Gesellschaft braucht Liebe. Und zwar Liebe, die nichts mit überschwänglichen romantischen Gefühlen zu tun hat, sondern damit, nüchtern um sich zu schauen und Probleme zu sehen. Die Liebe, von der unser Text spricht, ist nicht von menschlichen Stimmungen abhängig. Und auch nicht davon, wie gut oder schlecht die Zeiten sind. Diese Liebe ist vielmehr mit Jesus Christus Realität geworden. Sie lässt sich aus dieser Welt nicht mehr verdrängen.

Joh 6, 41-51

Exegetische Überlegungen

Die Perikope gehört in den Zusammenhang der Bildrede vom Brot des Lebens. Sie knüpft an die Wundererzählungen von der Speisung der 5000 und des Seewandels an. Jesus offenbart sich hier in Form einer der sieben Ich-bin-Aussagen, die nur Johannes überliefert, als die wahre Heilsmöglichkeit. Die johanneische Gemeinde befindet sich in der Auseinandersetzung mit anderen Heilsbringern und muss sich dagegen abgrenzen. Das himmlische Brot der Gegenwart des Messias wird dem Manna in der Wüstenzeit des Volkes Israel gegenüber gestellt, Ausführungen über das Abendmahl schließen sich an. Während das Manna nur irdische Speise war, so verleiht, laut Johannes, die Speise, die Jesus bringt eine Überwindung des Todes. Wer glaubt, hat diesen Tod schon besiegt, wer sich zu Jesus als dem von Gott gekommenen Retter bekennt, für den ist das eschatologische Sein schon Realität geworden.

Predigtimpulse

Im Gegensatz zu früheren Zeiten und auch zu anderen Gegenden der Erde wird bei vielen von uns viel eher die „Sattheit“ zum Problem. Und das in doppelter Hinsicht. Mittlerweile gibt es in der Welt mehr übergewichtige als hungernde Menschen. Die Fehlernährung führt zu großen gesundheitlichen Problemen. Da geben Menschen ihr manchmal gar nicht so üppiges Geld für Nahrung aus, die nichts wert ist, sondern die eher krank macht. Auf der anderen Seite hat der materielle Wohlstand bei uns manches verdorben. Der Hunger nach wahrem Leben nagt in den meisten von uns. Der Durst nach Liebe und Erfüllung quält uns immer öfter. Was probieren wir nicht alles aus, um ein erfülltes Leben zu führen. Angebote gibt es ja wahrhaftig genug. Und alle versprechen sie, uns den Weg zum Heil zu zeigen. Meist vergeblich.

Wenn wir Jesu Angebot annehmen und versuchen, seinem Vorbild zu folgen, wenn also Gottes Liebe durch andere für uns und durch uns für andere lebendig wird, dann hat unser Leben einen Sinn. Dann werden wir Erfüllung und Glück erfahren.

„Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst, nach Glück nach Liebe , wie nur du sie gibst.“

(Eugen Eckert, in: Kirchentagsliederbuch 2017, Nummer 25)

Bezug zur Nachhaltigkeit

Wir füllen nicht nur unsere Bäuche, sondern auch unsere Seelen und unseren Geist viel zu oft mit Nahrung, die nicht wirklich satt macht, die keine nachhaltige Wirkung zeigt. Vollgestopft mit Eindrücken, überfüttert mit Informationen, rennen wir dem wahren Leben hinterher und spüren immer größere Leere und Hunger nach etwas, was wirklich trägt und und Sinn gibt.

Muss etwas wirklich schlecht sein, nur weil wir es schon länger kennen? So wie in unserem Text Jesu Worte in Frage gestellt werden, weil die Hörerinnen und Hörer ihn schon lange zu kennen meinen und ihm deshalb nichts Besonderes zutrauen.

Kirche hat auch heute noch etwas anzubieten, was den Menschen bei der Sinnfindung helfen kann. Das dürfen wir selbstbewusst vertreten. Ohne andere damit zu diskriminieren.

Gemeinsames Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung hilft nicht nur unserer Umwelt, sondern gibt auch uns selbst einen Lebensinhalt und macht das Brot des Lebens sichtbar.

Martina Horak-Werz, Gommersheim