11. Sonntag nach Trinitatis / 21. Sonntag im Jahreskreis (23.08.20)

11. Sonntag nach Trinitatis / 21. Sonntag im Jahreskreis

Ergänzender Predigtlink zu Lk 18,9-14 (Tutzing-Tagung "Management und Moral" 2019)

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 18,9-14 Jes 22, 19-23 Röm 11, 33-36 Mt 16, 13-20

Lk 18,9-14

Im jesuanischen Gleichnis vom Zöllner, welcher in überheblicher Art und Weise von seiner eigenen Gerechtigkeit überzeugt ist, und vom Sünder, der sich seiner Schuld bewusst um das göttliche Erbarmen bittet, wird letztlich jeder Mensch aufgefordert, über das eigene Selbstbild und den Blick auf das eigene Verhalten nachzudenken. Zum Thema Nachhaltigkeit: Wie beurteile ich meinen eigenen Umgang mit den Gaben der Schöpfung? Richte ich womöglich über andere, die keine Bio-Produkte kaufen und mache dabei selbst jedes Jahr mit dem Flieger eine Fernreise? Wie in Bezug auf jedes andere menschliche und gesellschaftliche Thema werden hier die Großen wie die Kleinen angesprochen: Kann sich ein Großkonzern selbstgerecht von Fragen der globalen Ressourcenverteilung frei sprechen? Habe ich hier als Konsument Einflussmöglichkeiten – vielleicht mehr als bei meinem Nachbarn, der seinen Müll nicht trennt? Mit welcher inneren Haltung betrachte ich Mitmenschen, die anscheinend kein Interesse an Umweltschutz haben? Habe ich das Recht, zu urteilen – trotz meiner eigenen blinden Flecken?


Röm 11, 33-36

„Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung.“

Ähnlich wie in den letzten Kapiteln des Hiobbuches finden wir hier das Motiv der Unergründlichkeit Gottes. Angesichts der Größe und Fülle der göttlichen Weisheit und seines Schöpfungshandelns, welches der Mensch nie ganz wird überblicken können, erkennt der Mensch seine eigene Begrenztheit. Durch menschliche Manipulationen des Schöpfungswerkes, wodurch das natürliche Gleichgewicht in Unordnung gerät, wird klar, dass die Weisheit und Erkenntnis Gottes nicht nachzuahmen ist und der Mensch nicht „Ratgeber“ Gottes sein kann.

Mt 16, 13-20

Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein. 

Und Jes 22, 19-23: Ich werde ihm den Schlüssel des Hauses David auf die Schulter legen. Er wird öffnen und niemand ist da, der schließt; er wird schließen und niemand ist da, der öffnet.

In beiden Stellen geht es um die Übertragung von Schlüsselgewalt. Beim Propheten Jesaja die Ankündigung der Königswürde für Elijakim, die ihm auch durch die Schlüssel des Hauses David übertragen wird. Beim Evangelisten Matthäus die Einsetzung des Petrus als Felsen, auf dem die Kirche Jesu gegründet sein soll. In beiden „Schlüsselworten“ findet sich die ähnliche Formulierung: Was der Inhaber des Schlüssels öffnen oder lösen wird, soll von keiner anderen irdischen Gewalt geschlossen oder gebunden werden können. Bei Matthäus reicht diese Schlüsselgewalt sogar ins himmlische Reich hinein.

Die Einsetzung des Papstamtes, welches sich in der kirchlichen Tradition auch auf diese Stelle bezieht, verleiht dem Papst als Nachfolger Petri auf Erden die Verantwortung zu binden und zu lösen. Papst Franziskus hat, wie zuvor kein anderer Papst, diese Verantwortung in Bezug auf die Bewahrung der Schöpfung ernst genommen. In seiner Enzyklika „Laudato Si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ (2015) mahnt er die Weltgemeinschaft zu einem klaren Umdenken, was ihre Verantwortung gegenüber der Schöpfung angeht: „Wenn wir die verschiedenen Gegenden des Planeten betrachten, erkennen wir bedauerlicherweise sofort, dass die Menschheit die Erwartungen Gottes enttäuscht hat.“ Papst Franziskus hat weder Schlüsselgewalt im Sinne der ökologischen Bewirtschaftung unseres Planeten noch im Hinblick auf die gerechte Verteilung der weltweiten Ressourcen, aber er übt eine Schlüsselposition in der Wertebildung der Weltgemeinschaft aus - durch seine klaren, mutigen und einfachen Worte. „Eine Änderung der Lebensstile könnte dazu führen, einen heilsamen Druck auf diejenigen auszuüben, die politische, wirtschaftliche und soziale Macht besitzen.“ Das päpstliche Privileg zu „lösen und zu binden“ aus Mt 16 wird ebenso als Grundlegung für die Beichtvollmacht der Priester herangezogen, das Sakrament, in welchem der priesterliche Dienst es ist, zu ermutigen, aber auch zur Umkehr zu rufen. Papst Franziskus ruft die Weltgemeinschaft der Christen zu einer solchen Umkehr auf: „Ich lade alle Christen ein, diese Dimension ihrer Umkehr zu verdeutlichen, indem sie zulassen, dass die Kraft und das Licht der empfangenen Gnade sich auch auf ihre Beziehung zu den anderen Geschöpfen und zu der Welt, die sie umgibt, erstrecken.“ Ein Papst, der seine Schlüsselposition nicht nur auf’s Himmlische bezieht, sondern seine irdische Einflussmöglichkeiten nutzt.

Stefanie Völkl, Offenbach