Jubilate / 4. Sonntag der Osterzeit / 3. Sonntag nach Ostern
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Spr 8, 22-36 | Apg 13, 14.43b-52 | Offb 7, 9.14b-17 | Joh 10, 27-30 |
Spr 8, 22-36
Das Buch der Sprüche gehört zur alttestamentlichen Weisheitsliteratur. In diesem Text kommt die Weisheit selbst zu Wort, ja, sie wird sogar zu einer Person. Die Weisheit (hebr.Hokma, griech. Sophia) ist in den biblischen Sprachen der Antike weiblich – genau, wie im Deutschen auch. In diesem Text wird sie als erstes Geschöpf dargestellt („im Anfang“ – genau wie in Gen 1,1). Dieser Text ist praktisch eine Ergänzung zum ersten (priesterschriftlichen) Schöpfungsbericht, er nimmt Bezug auf dessen mythische Sprache. Er geht aber noch zurück vor den Urzustand, den wir in Gen 1,1 geschildert bekommen. In Gen 1 schwebt der „Geist“ Gottes über dem „Wasser“, also dem Urmeer. Dieser Geist (hebr.Ruah) ist übrigens auch weiblich.
Hier in Spr 8 ist die Weisheit praktisch das erste Geschöpf Gottes – vor den Tieren und auch vor dem Menschen. Ein weibliches Prinzip, das die Menschen lenken soll: „Ihr Söhne hört auf mich“.
Wenn wir unseren heutigen Umgang mit der Schöpfung betrachten, scheint uns diese Weisheit abhandengekommen zu sein: Wir wissen, dass der Klimawandel eine Realität ist – und trotzdem versuchen einige, ihn zu leugnen. Wir kennen die Maßnahmen, die dringend zu ergreifen wären –und setzen sie nicht um.
Im Dez. 2015 haben wir das Klimaabkommen von Paris gefeiert – und gehofft, dass die Staatengemeinschaft den Ernst der Lage verstanden hätte. Aber schon heute ist klar, dass Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2020 nicht einhalten kann. „Doch wer mich verfehlt, der schadet sich selbst“ – heute würde die Weisheit sagen: „Wer die Klimaschutzmaßnahmen verfehlt, schadet sich selbst“.
Vor einigen Jahrzehnten haben sich die Kirchen die Aufgabe der „Bewahrung der Schöpfung“ zu Eigen gemacht. Angesicht der Bedrohung durch den Klimawandel geht es nicht mehr darum, die Schöpfung zu „bewahren“. Auch nach dem Klimakollaps wird die Schöpfung Gottes weiter bestehen – wenn auch in veränderter Form. Es geht darum, die Erde als Lebensraum für den Menschen zu bewahren. Und dazu ist heute mehr denn je, Weisheit vonnöten: „alle, die mich hassen, lieben den Tod.“
Apg 13,14
Die Szene aus der Apostelgeschichte gibt Zeugnis von der entscheidenden Wende der christlichen Mission des ersten Jahrhunderts: Der Übergang von den Juden zu den anderen Völkern, die man damals als „Heiden“ bezeichnete. Diese Hinwendung zu den „Heiden“ kam nicht von ungefähr. Schon damals gab es die sogenannten Proselyten, d.h. Nicht-Juden, die das Judentum attraktiv fanden und teilweise auch die Synagogengottesdienste besuchen. Ein Übertritt zum Judentum war für sie jedoch schwierig. Das wird einerseits dadurch erklärt, dass manche Gesetzesvorschriften (z.B. Speiseregeln) die Nicht-Juden abschreckten. Das war sicher auch ein Faktor. Andererseits war das Judentum gerade wegen seiner Ethik, die auch in den gesetzlichen Regelungen zutage tritt, für viele Griechen und Römer attraktiv. Der größere Hinderungsgrund war eher, dass der Übertritt zum Judentum eigentlich gar nicht möglich war (und ist), denn Jude wird man nur durch die jüdische Mutter.
Da bot das frühe Christentum einen Ausweg: eine Ethik der Nächstenliebe, welche die vielen Gebote auf eines reduzierte, ohne den ethischen Rigorismus wegzunehmen; eine Gemeinschaft, die zumindest ansatzweise sich als Alternativgesellschaft präsentierte (Gütergemeinschaft, Sorge für die Armen und Schwachen). Eine Gemeinschaft, die sich als „Licht für die Völker“ versteht und „Heil“ bringen soll. Eine Gemeinschaft, die zudem offen ist und jeden aufnimmt, der sich zu Jesus und seinem Evangelium bekennt.
Verstehen wir als Kirche, Pfarrei oder Ortsgemeinde auch als „Licht für die Völker“? Tragen wir durch unseren Umgang miteinander dazu bei, dass man bei uns das Wirken des Heiligen Geistes erkennt?
Offb 7, 9
Die Offenbarung des Johannes ist die Widerstandsschrift der bedrängten Christen im römischen Reich. Die ersten großen Christenverfolgungen haben schon stattgefunden (Nero) bzw. finden gerade statt (Domitian). Scheinbar werden die Christen aus religiösen Gründen verfolgt; jedoch ist das römische Reich religiös eher tolerant und sogar Juden wie Paulus konnte römische Staatsbürger sein. Auch Pilatus hätte Jesus allein aus religiösen Gründen nicht hinrichten lassen.
In einem Punkt ist die römische Staatsmacht jedoch unerbittlich: Jeder Römer (wahrscheinlich auch jede Römerin) muss den Kaiserkult leisten. Der Kaiser wird als göttliches Wesen verehrt und somit seine Macht religiös abgesichert. Die frühen Christen wollen diesen Kaiserkult nicht leisten und werden deswegen hingerichtet, weil sie als Bedrohung der Macht angesehen werden. Und trotzdem hat das Christentum weiterhin Zulauf und wird schließlich so stark, dass Kaiser Constantin es seinerseits als moralischen Kitt für sein innerlich zerrissenes Reich legitimiert.
Welche Rolle sollen wir heute als Kirche einnehmen? Staatstragend? Kultureller Zusammenhalt? Leitkultur?
Sollten wir nicht eher die Haltung der kritischen Solidarität einnehmen? Solidarisch dort, wo wir uns für mehr sozialen Zusammenhalt, für Gerechtigkeit, für die Unterstützung Bedürftiger einsetzen. Kritisch dort, wo Menschen ausgegrenzt werden, wo eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet, wo die Kluft zwischen arm und reich größer wird. Das kann für uns als Kirche und einzelne Christen in einem wohlhabenden Land auch bedeuten, dass wir kritisch prüfen, welche Bank mit unserem Geld arbeiten darf und wofür sie es einsetzt; dass wir Firmen meiden, die ihr Geld (auch) mit der Herstellung von Waffen verdienen; dass wir beim Erwerb von Produkten auf die Herstellungsbedingungen achten; dass wir unsere Aktivitäten klimaneutral durchführen….
Situationen, bei denen wir zeigen müssen, auf welcher Seite wir stehen, gab es zu allen Zeiten und auch heute erfordert es Mut, Missstände anzuprangern. Aber nur, wenn wir deswegen weinen, wird Gott auch unsere Tränen abwischen können.
Joh 10, 27
Dieser Text passt zu dem vorhergehenden. Nur, wenn wir der guten Nachricht (für die Armen, für die Ausgegrenzten und für die ausgebeutete Natur) folgen, werden wir das ewige Leben erlangen.
Dr. Monika Bossung-Winkler, Böhl-Iggelheim