3. Sonntag nach Trinitatis / 11. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Tim 1, 12-17 | 2 Sam 12, 7-10.13 | Gal 2, 16.19-21 | Lk 7, 36 - 8, 3 oder Lk 7, 36-50 |
1 Tim 1, 12-17
Anmerkungen zum Text
Die sogenannten Pastoralbriefe, zu denen auch 1 Tim gehört, gehen wohl nicht auf Paulus selbst zurück. Wer auch immer sie im Namen des Paulus verfasst hat, richtet sich offenkundig an christliche Gemeindeleiter. Um die erste Jahrhundertwende herum schwindet der Glaube an die baldige Wiederkunft Jesu. Die junge Kirche muss sich auf eine längere Zeitspanne ohne konkrete Parusieerwartung und ohne direkte Ansprache durch die Apostel einrichten. Es ist quasi die erste große Umbruchsituation, vor der die junge Kirche steht. So mag den Pastoralbriefen in einer Zeit massiven Umbruchs in den heutigen Kirchen eine ganz eigene Relevanz zukommen. Unser Text will den fiktiven Absender Paulus durch die Schilderung seiner besonderen Berufung legitimieren.
Predigtaspekte zur Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit ließe sich m.E. unter zwei Aspekten in eine Predigt integrieren. Zum einen geht es um die Frage der Legitimation von Autorität. In einer Zeit, in der Autorität immer stärker hinterfragt und kaum mehr allgemein akzeptiert wird, stellt sich die Frage: Was macht eine (nachhaltige) Autorität aus? Der Text versucht aus der Geschichte des Paulus, hierauf eine Antwort zu geben. Zum anderen ließe sich, mit Blick auf den weiteren Inhalt des 1 Tim, auf die Kirche abheben. Wie lassen sich Glaube und Kirche in einer sich rasant verändernden Welt dauerhaft fortschreiben? Der 1 Tim macht konkrete Vorgaben, doch wie weit tragen sie auch heute noch?
2 Sam 12, 7-10.13
Anmerkungen zum Text
Zum Verständnis ist die vorhergehende Batseba-Geschichte (2 Sam 11) mit zu bedenken: König David hat sich schwer versündigt. Zuerst betrügt er seinen Soldaten Urija mit dessen Frau Batseba. Als sie von ihm schwanger wird, versucht er, Urija das Kind unterzuschieben, was jedoch misslingt. Also veranlasst er, dass Urija in der Schlacht ums Leben kommt, um Batseba ganz für sich zu haben. Unser Text ist die durch den Propheten Natan übermittelte Reaktion Gottes auf dieses unmoralische Verhalten.
Predigtaspekte zur Nachhaltigkeit
David hat seine Macht als Herrscher schändlich missbraucht. Hier ergeben sich zweifellos Anknüpfungspunkte an aktuelle Fälle von Machtmissbrauch. Die Übernahme von Macht, egal ob als Politiker oder Vorgesetzter, ist niemals ein Freibrief für willkürliches Schalten und Walten. Macht setzt Verantwortungsbewusstsein und ethische Prinzipien voraus. Hieraus ergeben sich Ansatzpunkte für die Predigt. Ein nachhaltiger Gebrauch von Macht setzt weitsichtig auf die Entwicklung von Staaten, Unternehmen oder Menschen, statt auf kurzsichtige Partikularinteressen. Dies lässt sich an unterschiedlichen, auch aktuellen Beispielen illustrieren.
Gal 2, 16.19-21
Anmerkungen zum Text
Paulus sieht die Früchte seiner Mission in Galatien in Gefahr. Dort sind fremde Prediger aufgetreten, die seiner Meinung nach die Botschaft verfälschen, weil sie auch Heidenchristen wieder zur Einhaltung des (jüdischen) Gesetzes nötigen wollen. Der Text ist der Schilderung des sogenannten „antiochenischen Zwischenfalls“ entnommen, bei dem Paulus mit Petrus heftig aneinander gerät. Er verwahrt sich dagegen, Heidenchristen wie Christen zweiter Klasse zu behandeln, weil sie unbeschnitten und nicht zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtet sind. Rechtfertigung vor Gott verschafft für ihn allein der Glaube, konkretisiert in der Lebensnachfolge Jesu. Sonst nichts.
Predigtaspekte zur Nachhaltigkeit
Was führt zum Heil? Für Paulus heißt die Antwort: Allein der Glaube an Jesus Christus und kein noch so penibles Einhalten von Gesetzen und Vorschriften, wenn es nicht vom Glauben gestützt ist. Diese, ausführlich schon im Röm dargelegte Auffassung, führt quasi direkt in die Nachhaltigkeitsfrage. Überspitzt gesagt: Für das Heil des Menschen ist bloßes Insistieren auf Geboten und Vorschriften letztlich wenig nachhaltig, weil vor Gott nicht heilsrelevant. Leider ist christliche Predigt in der Vergangenheit mitunter dabei stehen geblieben. Glaube, Hoffnung und Liebe (1 Kor 13,13) sind aber keine abzuarbeitenden Vorschriften. Es sind Lebenshaltungen. Nachhaltig im Geiste des Paulus wären also Hilfestellungen und Anregungen, wie sie auch im konkreten Alltag der Hörer/innen entdeckt und gelebt werden können.
Lk 7, 36-50
Anmerkungen zum Text
Auch hier steht einer peniblen Gesetzesauslegung, symbolisiert durch den Pharisäer, das konkrete Tun der Liebe gegenüber, pikanterweise durch eine öffentliche Sünderin, womit wohl eine Prostituierte gemeint ist. Auffallend ist, dass Jesus die Haltung des Pharisäers Simon nicht verurteilt. Das Gleichnis fordert ihn vielmehr freundlich dazu auf, eine andere Perspektive einzunehmen, die hier vor allem das Problem von Schuld und Vergebung betrifft.
Predigtaspekte zur Nachhaltigkeit
Die Voraussetzung der Sündenvergebung steht im Zentrum unserer Perikope. Gerecht vor Gott ist letztlich, wer glaubt und diesen Glauben auch in seiner Lebenspraxis aufscheinen lässt, etwa durch Taten der Liebe. Das tut die „Sünderin“ in den Augen Jesu. Dem Pharisäer werden weder Glaube noch Liebe abgesprochen. Die pharisäische Fixierung auf ein möglichst genaues Einhalten der Gebote kann jedoch den Blick aufs Wesentliche verstellen. So geht es letztlich nicht nur um einen Perspektivenwechsel, sondern um eine nachhaltige Veränderung der Lebenshaltung. Weg von kleinlicher Aufrechnung, hin zu einer liebevollen „Weite des Herzens“, ohne dabei alle Regeln über Bord zu werfen. Eine solche Haltung ist nachhaltig, weil sie es ist, auf die es vor Gott ankommt, denn „Gott kennt euer Herz“ (Lk 16,15).
Martin Wolf