12. Sonntag nach Trinitatis / 22. Sonntag im Jahreskreis (30.08.20)

12. Sonntag nach Trinitatis / 22. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Kor 3,9-17 Jer 20, 7-9 Röm 12, 1-2 Mt 16, 21-27

Die Kirchenagende der Evangelischen Kirche der Pfalz stellt den 12. Sonntag nach Trinitatis unter das Thema „Heilung und Heil“. Voraussetzung für Heilung ist die Diagnose dessen, was ungut und lebensfeindlich ist, Heil kann eintreten, wo Haltung und Verhalten dem Leben dienen. Alle vier Texte dieses Sonntags sprechen in ungute Situationen ihrer Zeit hinein, diagnostizieren lebensfeindliche Aspekte und weisen darauf hin, welche Haltung und welches Verhalten individuell heilsam sind, zu einer gelingenden religiösen und sozialen Gemeinschaft beitragen und letztlich die ganze Welt als Ort nachhaltigen Handelns im Sinne von „Bewahrung der Schöpfung“ wahrnehmen. Kurz gesagt: Mit diesen Texten lässt sich kaum anders predigen als im Blick auf Nachhaltigkeit.

1. Korinther 3, 9 - 17

„Wegen Umbau geöffnet.“ Diesen Hinweis finde ich auf dem Titelblatt einer Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der die Ergebnisse der so genannten „Freiburger Projektion“ veröffentlicht sind. In der Studie wird langfristig die Entwicklung unserer Kirche im Hinblick auf Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer untersucht. Und alle Ergebnisse weisen in dieselbe Richtung: Kirche kann nicht bleiben, wie sie ist, Kirche muss sich verändern. Ecclesia semper reformanda. Bei aller Einigkeit darüber, sehen die Vorstellungen darüber, was sich wie ändern soll, sehr verschieden aus, sind so heterogen wie die Menschen, die nun eben Kirche sind. In dieser Situation höre ich mit großem Interesse die Worte des Apostels Paulus zum Thema „Bauen“. Offensichtlich ist man auch in der Gemeinde zu Korinth auf der Suche nach den richtigen Wegen, Gottes Gemeinde in der Welt zu sein. Drei Hinweise nehme ich in die Diskussionen unserer Tage mit:

1. Wir sind Mitarbeitende Gottes. Gott kann und will nicht an uns vorbei in dieser Welt gegenwärtig sein, er braucht uns. Aber wir können auch nicht an ihm vorbei Kirche sein, dann sind wir nicht seine Kirche. All unsere „Baustellenbesprechungen“ führen nur zu guten Ergebnissen, wenn sie den Baumeister im Blick haben, ein gutes „Team Gott“ legt Wert auf Gemeinschaft, aber eben im Namen dessen, der sein Team durch die Zeiten leiten will.

2. Im Bild des Paulus geht es weniger um Kirche als großes Bauwerk, sondern um die vielen kleinen Häuser, die Kirche sind, um jeden einzelnen Menschen. Jeder von uns gründet sein Leben auf ein Fundament und gestaltet es dann nach seinen Vorstellungen aus. Wenn das Fundament stimmt, ist schon viel gewonnen, aber eben nicht alles. Die anderen Bauteile, eben auch die öffentlich sichtbaren Bauteile, müssen dem Fundament entsprechen, sonst taugt das ganze Haus wenig. Christliche Existenz ist keine halbe Sache, sie hat Konsequenzen für das private Leben, aber auch für öffentliche Wahrnehmung.

3. Jeder einzelne ist Tempel Gottes, Haus Gottes. Und Gott liegt etwas an seinen Bauwerken. In aller Verantwortung, die jedem einzelnen zugetraut wird, gibt es eine Art „Elementarschadenversicherung“. Oder anders gesagt: Im „Team Gott“ können wir uns auf Rückendeckung verlassen durch den, in dessen Namen wir unterwegs sind.


Jer. 20, 7 – 9

Etwas ist faul im Staate Israel. Der Prophet steht auf dem Marktplatz der Welt und prangert lauthals Missstände an. Er bezieht Position gegen die Gottvergessenheit seiner Zeitgenossen, die nach falschen Sicherheiten in politischen Bündnissen und bei anderen Göttern suchen und dadurch ihre Zukunft aufs Spiel setzen. Diese Rolle hat er sich nicht ausgesucht, sie wird ihm von Gott aufgezwungen. Und so hadert er in zwei Richtungen: mit Gott, der sein Gewissen nicht in Ruhe lässt, und mit der Welt, die hohnlächelnd in den Abgrund rennt.

Falsche Sicherheiten und kurzsichtige Entscheidungen, die Zukunft aufs Spiel setzen, sind nun auch Merkmale unserer Zeit. Werthaltungen, die ausschließlich an Gewinn oder am eigenen Ego orientiert sind, verhindern nachhaltiges und gerechtes Wirtschaften, mutige Entscheidungen in Sachen Klimaschutz und gelingendes Zusammenleben in der Weltgemeinschaft. Christliche Werthaltung kann hier nicht anders, als im inneren Dialog mit Gott öffentlich Position beziehen. Aber wie tut sie das so, dass diese Position auch gehört wird? Wie sieht eine Kommunikation aus, die etwas ändert?

Beim Propheten hat sich nichts geändert. Sie haben ihn ausgelacht als exotischen Außenseiter oder gar ihr Mütchen an ihm gekühlt und dann weitergemacht wie zuvor. Quälend für den Botschafter Gottes, noch quälender für die Botschaft. Und für mich ein klarer Hinweis, dass es nicht reicht zu wissen, was mir wichtig ist, sondern auch herauszufinden, wie ich das so kommuniziere, dass es für andere wichtig wird. Gottes Botschaft lebt nicht nur davon, dass sie ausgerichtet wird, sondern auch davon, wie sie ausgerichtet wird. Damit sich etwas ändert.


Röm. 12, 1 – 2

Wenn der Apostel Paulus hier vom „Leib“ spricht, geht es nicht um die ganze Gemeinde, sondern um jeden Einzelnen. Jeder Einzelne hat einen Leib, eine ganzheitliche Existenz als Einheit von Körper, Geist und Seele, die sich nicht in einzelne Bestandteile mit unterschiedlichen Wertigkeiten zerlegen lässt. Ein Körperkult, der Menschen auf ihr Gewicht, ihr Aussehen oder ihren Bizepsumfang reduziert, entspricht nicht diesem ganzheitlichen Verständnis. Ein Geisteskult, der Menschen auf ihre Leistung, ihren Schulabschluss, ihren Intelligenzquotienten reduziert, entspricht nicht diesem ganzheitlichen Verständnis. Ein Seelenkult, der in kurzfristigem Wohlgefühl das Heil verspricht, wo „Wellness“ zu einer neuen religiösen Vokabel wird, entspricht nicht diesem ganzheitlichen Verständnis.

Gott sieht den Menschen als ganzen, der Auftrag zur Bewahrung seiner Schöpfung gilt auch in Hinblick darauf, wie wir uns selbst sehen und wie wir mit uns selbst umgehen. Für alle Menschen, die ihr Heil auf der Waage, im Abschlusszeugnis oder in einer Räucherkerze suchen, bietet Paulus Gottes befreiende Botschaft von einem Selbst-Bewusstsein, in dem nachhaltige Lebendigkeit liegt, das ein ausbalanciertes heilsames Lebensgefühl ermöglicht. Und wo das gelingt, wird das ganze Leben zu einem einzigen Gottesdienst, einem Raum der Begegnung zwischen Gott und Mensch.


Mt 16, 21 – 27

Seit es Menschen gibt, wollen sie die ganze Welt gewinnen. Sie ziehen mit Armeen durch die Welt, erobern ein Reich nach dem anderen und verlieren ein Reich nach dem anderen. Sie ziehen mit Laptops und Smartphones durch die Welt und erobern einen Markt nach dem anderen und verlieren einen Markt nach dem anderen. Bis zum heutigen Tag ist die Ursache für viel Elend, für Mord und Totschlag, für Flucht und Vertreibung vieler das Begehren einiger, die ganze Welt zu gewinnen. Sei es durch Krieg und Gewalt oder durch Raubbau und Ausbeutung.

Schon immer gab es kluge Menschen mit Weitsicht, die begriffen haben, dass das nun eben gar nicht der Weg ist, die ganze Welt zu gewinnen. Gerade im 21. Jahrhundert ist es mit Händen zu greifen, dass das unstillbare Begehren nach Macht und Kapital letztlich dazu führt, die ganze Welt zu verlieren. Und die Seele spielt dabei eine ziemlich untergeordnete Rolle für diejenigen, die ihre Seele liebend gern verkaufen, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Und jenen werden auch die Worte Jesu wenig bedeuten, die eine Entscheidung fordern, weil sie sich diese Entscheidungsfrage gar nicht stellen.

Aber Jesu Worte können vielen etwas bedeuten, denen nicht nur ihre Seele etwas bedeutet, sondern auch die Welt, in der wir leben. Die können sich zusammentun und gemeinsam dafür einsetzen, dass die Welt nicht aus einigen Gewinnern und viel zu vielen Verlieren besteht, dass die Welt nun eben nicht verloren geht. Das ist überaus mühsam und frustrierend und unbequem. Und das hat Jesus auch kommen sehen bei seinem Ruf in die Nachfolge. Aber er setzt auf den Wert der Seele in Zeit und Ewigkeit – und auf Menschen, denen ihre Seele etwas wert ist.

OKRin Dorothee Wüst, Speyer