17. Sonntag nach Trinitatis / 28. Sonntag im Jahreskreis (13.10.19)

17. Sonntag nach Trinitatis / 28. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jos 2, 1-21 2 Kön 5, 14-17 2 Tim 2, 8-13 Lk 17, 11-19

Ein Bezug zu den Fragen nach weltweiter Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung drĂ€ngt sich fĂŒr die meisten Texte dieses Sonntags nicht auf. Vor allem die ökologische Perspektive ist nicht vorhanden. Deshalb werden nur zwei der vier Texte nĂ€her betrachtet.


Josua 2, 1 – 21

Eine ErzĂ€hlung aus einem Kriegsgebiet. Auch wenn die HistorizitĂ€t der Darstellung der Eroberung des Landes Kanaan durch die zwölf Stamme Israels im Richterbuch in der Regel als nicht gegeben angesehen wird, so kann doch diese ErzĂ€hlung von der Prostituierten Rahab und den Kundschaftern als eine Geschichte ĂŒber Zivilcourage gelesen werden. Zwei MĂ€nner ĂŒbernachten bei Rahab. Sie entpuppen sich durch die königlichen Boten als feindliche Kundschafter. Rahab versteckt sie und lĂ€sst sie entkommen. Zur Belohnung werden sie und ihre Familie bei der spĂ€teren Eroberung Jerichos durch die Israeliten verschont, wĂ€hrend ansonsten an der Stadt der Bann vollzogen und alles Lebende getötet wird.

Über die Motivation der beiden Kundschafter, gerade bei einer Prostituierten ĂŒbernachten zu wollen, kann genauso nur spekuliert werden wie ĂŒber die Motivation von Rahab, die beiden MĂ€nner nicht auszuliefern. Jedoch deckt sich das Verhalten der drei mit dem, was auch sonst aus Kriegen erzĂ€hlt wird. MĂ€nner suchen nach Möglichkeiten, ihre SexualitĂ€t auszuleben, und Frauen lassen sich mit gegnerischen Soldaten ein. Ob bei Rahabs Verhalten Geld eine Rolle spielte oder ihre Position als Außenseiterin in der Gesellschaft Jerichos, wissen wir nicht. Auf jeden Fall ist ihr Verhalten riskant und mutig. Vor allem schĂŒtzt sie Menschenleben mitten im Krieg. Sie verhindert durch ihr Verhalten den Tod zweier Menschen – was angesichts des menschenverachtenden Bannes, der an Jericho vollstreckt wird, fast absurd wirkt. Aber vielleicht hat ein solches Verhalten immer ein Element von AbsurditĂ€t, wenn Menschen wie zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg, einzelne jĂŒdische MitbĂŒrger unter Einsatz ihres Leben verstecken und schĂŒtzen, zugleich aber Millionen anderer Juden ermordet werden. Es gelingt Rahab zwei Menschenleben zu retten, indem sie sich der Logik des Krieges von Gewalt und Gegengewalt widersetzt. Sie sieht nur die beiden konkret vor ihr stehenden MĂ€nner. Zu deren Gunsten kann sie handeln, und sie tut es. Aber sie denkt auch nicht weiter. Denn auch durch das Mitwirken dieser beiden Kundschafter kann schließlich Jericho erobert und alles Lebende vernichtet werden. Auch wenn es ihr gelingt, ihre Familie zu retten, bleibt Rahab letztliche eine tragische Gestalt, die den Untergang ihrer Stadt nicht verhindern konnte, ihn vielleicht sogar befördert hat.


Lk 17, 11 – 19

Von zehn geheilten AussĂ€tzigen bedankt sich nur der (unglĂ€ubige) Samaritaner. Dies ist eine der ErzĂ€hlungen der Evangelien, die den Horizont der Mission Jesu ĂŒber das Volk Israel hinaus öffnen. Der zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gekommen ist, ĂŒberschreitet diese Grenze immer wieder. Der Geheilte dankt es ihm.

In diesem Dank liegt eine mögliche Perspektive auf die Fragen nach weltweiter Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Denn es ist der Dank, aus dem heraus wir Christinnen und Christen unsere Motivation zum Handeln an der Welt ziehen. Es ist der Dank fĂŒr die liebende Annahme durch Gott, der uns trotz unserer Gottesferne liebt, und es ist der Dank fĂŒr die alltĂ€gliche Bewahrung. In der Bundesrepublik Deutschland inmitten Europas bekommen die meisten von uns mehr als unser tĂ€gliches Brot, unterliegen nicht staatlicher WillkĂŒr und sind nicht an Leib und Leben bedroht wie dies vielen Menschen in anderen Teilen der Welt heute geht und es unseren Vorfahren bei uns ging. Der Dank fĂŒr Gottes liebende Zuwendung und seine besondere FĂŒrsorge, die wir erfahren dĂŒrfen, kann eine starke Motivation fĂŒr ein Engagement fĂŒr die anderen und die Schöpfung sein. Dazu ist es notwendig, sich die Besonderheit der eigenen Situation immer wieder deutlich zu machen. Wir sind in einer Ă€hnlichen Situation wie der geheilte AussĂ€tzige, von großen Lasten des Lebens befreit. Dankbarkeit kann aber nicht verordnet werden, und sie ist – wie die ErzĂ€hlung auch deutlich macht – vielleicht auch immer die Sache einer Minderheit. Aber sie gehört meines Erachtens auch zu den Gaben des Geistes Gottes, um die gebeten werden kann.

Dr. Michael GĂ€rtner, Speyer