ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
2. Kor 3,3-6(7-9) | Weish 7, 7-11 | Hebr 4, 12-13 | Mk 10, 17-30 |
Das übergeordnete Thema des 20. Sonntags nach Trinitatis ist der Sinn göttlicher Ordnungen.
Predigttext 2. Kor. 3, 3-6 (7-9)
Dies ist ein Text, bei dessen Auslegung man gewaltig aufpassen muss, nicht in antijudaistische Stereotype zu verfallen und in falscher Überheblichkeit, die christliche Gnadenlehre gegen eine vermeintlich jüdische Gesetzlichkeit auszuspielen. Die Frage ist doch viel mehr, ob nicht gerade wir Christen immer wieder in geistloser Gesetzlichkeit das, was "geschrieben steht" über den Geist des Evangeliums erheben und mit dem Buchstaben die Liebe töten, die doch eigentlich die Botschaft Gottes bezeugen sollte.
Was geschrieben da steht, scheint Sicherheit zu geben, weil es Orientierung gibt und Klarheit suggeriert, aber auch hier gilt, was Paulus im ersten Brief an die Korinther schreibt. Wer das Geschriebene lieblos anwendet, verkehrt die Intention Gottes in ihr Gegenteil. Was frei machen soll, nimmt gefangen, es macht befangen dem Mitmenschen gegenüber, lässt Menschen urteilen und bringt sie dazu, den anderen zu verurteilen. So wird man dann auch als Christ von den Mitmenschen erlebt und empfunden, als urteilend, als verurteilend, als pedantisch und ausgrenzend und wenig inspirierend.
Unter Nachhaltigkeitsaspekten könnte man den Text dahingehend verstehen, dass ein inspirierendes Vorleben immer nachhaltiger wirkt als ein gesetzliches Bestimmen. Eine von Vorbildern gewonnene Einsicht wird eine grundlegendere Veränderung bewirken als aufgezwungene Regeln oder Verbote.
Kath. 1. Lesung - Weisheit 7, 7-11
Weisheit ist mehr als pures Wissen, Einsicht ist mehr als bloßes Verstehen. Man kann verstehen, warum ein Staat Geschwindigkeitsüberschreitungen ahnden muss und warum an dieser oder jener Stelle ein Blitzer steht. Dieses Verständnis ist aber etwas anderes als die Einsicht, dass man sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten sollte. Wer nur versteht, warum an bestimmten Stellen geblitzt wird, kann dieses Wissen auch nutzen, um an Stellen ungestraft zu rasen, an denen eben keine Kontrollen durchgeführt werden. Das Wissen führt also nicht zur Einsicht, sondern zur Vermeidung von Erwischtwerden und Strafe. Einen solchen Menschen mag man gerissen nennen, clever oder auch klug, als weise würde man ihn sicher nicht bezeichnen. Weisheit ist mehr als Klugheit, es ist die Fähigkeit, Wissen nachhaltig zum Wohle aller einzusetzen, es ist die Weitsicht, den Missbrauch von Wissen im Vorhinein zu erkennen und zu vermeiden. Zur Weisheit gehört die Sorge um den Mitmenschen. Weisheit verträgt sich nicht mit Egoismus. Der Weise ist niemals selbstzentriert. Dabei ist er nicht unbedingt immer erfolgreicher als der Kluge, weil er im Zweifel auf den kurzfristigen Vorteil verzichtet und weil er die langfristigen Nachteile vorausahnt. Der Weise ist selten der Erfolgreiche, denn zum Erfolg gehört es fast zwangsläufig, auf Kosten der Anderen zu profitieren. Weise sucht man daher zumeist vergeblich unter den Reichen und Mächtigen dieser Welt. Vielleicht ist die Vermeidung von Reichtum und Macht geradezu ein Erkennungsmerkmal von Weisheit. Gesellschaftlich wäre es sicher nachhaltiger und würde zu mehr allgemeiner Zufriedenheit führen, wenn wir häufiger den weisen Entscheidungen den Vorzug vor den cleveren geben würden.
Kath. 2. Lesung - Hebräer 4, 12-13
Manche Worte treffen uns, sie gehen tiefer als das tagtägliche Geschwätz und die Millionen anderer Worte, die wir jeden Tag hören und die oft genug zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus gehen, ohne dass sie in uns etwas bewegen oder bewirken. Aber manche Sätze sind anders. Manchmal liegt es daran, was sie aussagen. Manchmal hängt es damit zusammen, wer sie ausspricht.
Das falsche Wort zur falschen Zeit, gesagt von der falschen Person kann eine Menschenseele für Jahrzehnte verletzten und quälen. Es kann Wunden schlagen und in einer ganz unguten und schädlichen Art und Weise nachhaltig sein. Ein Nachhall, der ein ganzes Leben lang nicht völlig verklingt und Menschen bis ins Mark erschüttert. Meist sind es verurteilende Worte voller Lieblosigkeit, Worte voller Zweischneidigkeit, scharf wie ein Schwert und spitz wie giftige Pfeile, deren Gift verhindert, dass die Wunden verheilen können.
Auch Gottes Wort kann uns tief und heftig Weise treffen. Der Hebräerbrief beschreibt seine Wirkung als ein offenlegendes Wort. Es enthüllt uns, wer wir sind, es rückt ins rechte Licht, was wir lieber im Verborgenen lassen würden. Es nennt beim Namen, wo wir lieber um den heißen Brei herum reden.
Gottes Worte werden hier nicht verharmlost als vertröstendes Geseier, das dem Menschen immer gnädig bestätigt, wie gut und geliebt er doch ist. Der Vergleich mit dem zweischneidigen Schwert macht deutlich, dass es auch schmerzhaft sein kann, von einem Wort Gottes getroffen zu werden. Es kann erschüttern und lange in uns nachhallen. Aber es ist ein lebendiges Wort, kein tötendes. Es will uns zum Leben führen und nicht verletzen Es ist wie das Skalpell des Arztes, der nicht schneidet, um dem Patienten zu schaden, sondern um ihn zu heilen.
Kath. Evangelium - MK 10, 17-30
Bedeutet dieses Gleichnis, dass das Paradies ein Himmel voller Armer ist und dass die Reichen gemeinsam in der Hölle schmoren? Aber wo ist die Grenze zwischen arm und reich? Ist es schon zu viel, Bürgergeld zu empfangen, weil man damit immer noch reicher ist als dreiviertel der Weltbevölkerung? Oder geht es Jesus letztlich gar nicht um den Reichtum des Reichen, sondern um die falsche Sicherheit, mit der der Jüngling sich davon abhängig macht? Oder geht es weder um das eine noch um das andere, sondern letztlich um die Erkenntnis, dass bei Gott möglich ist, was dem Menschen so oder so unmöglich ist? Hängt unser aller Herz an etwas, was uns zu Kamelen macht, die zu groß sind für das Nadelöhr, um im Vergleich des Gleichnisses zu bleiben?
Warum ist sich der Jüngling eigentlich so unsicher, das ewige Leben zu ererben, wenn er sich doch sicher ist, von Jugend an alle Gebote gehalten zu haben? Geht es hier letztlich um die Frage, wann ist der Mensch gut genug? Gut genug, um geliebt zu werden, gut genug, um den Himmel verdient zu haben. Warum verlangt Jesus, den gesamten Reichtum zu verkaufen? Warum reicht der im AT geforderte Zehnte ihm nicht aus? Inwiefern hindert ihn sein Reichtum denn, Jesus nachzufolgen? Behauptet Jesus eigentlich wirklich, dass der Jüngling das ewige Leben nicht ererben wird oder ist das nur die Fehlinterpretation des Jünglings? Steht er sich womöglich nur selbst im Weg, weil er kein Vertrauen in Gott hat?
Das Gleichnis eröffnet zahlreiche thematische Möglichkeiten. Es eröffnet mehr Fragen, als es verbindliche Antworten gibt. Wahrscheinlich entsetzte es deshalb schon die Jünger, als sie es hörten.
Dirk Reschke, St. Ingbert