ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Jes 50, 4-9 | Jes 50, 4-7 | Phil 2, 6-11 | Lk 19, 28-40 |
Jes 50, 4-9 (4-7)
Es ist eine schöne Fügung, dass bei diesem Text die katholische und evangelische Lese- und Predigtordnung zusammenfallen. Der Text passt in eine Zeit der globalen Krisen: Der Klimawandel schreitet voran, Kriege und Gewalt nicht nur in der Ukraine oder im Nahen Osten, sondern auch im Sudan, Burkina Faso und anderen Ländern des Globalen Südens. Extremwetterlagen werden immer häufiger, die mit Dürren, Stürmen oder Überschwemmungen einhergehen. Wir sehen täglich in den Medien Bilder der Zerstörung, sei es durch Bomben oder Unwetter. Die allgemeine Unsicherheit zeigt sich auch in der Wirtschaft und an den Börsen. Stagnation, Rezession, Preiserhöhungen und Angst vor massiven Kursverlusten belasten nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Angestellten und deren Familien.
Viele Menschen sind müde. Sie sind es leid, immer wieder diese belastenden Nachrichten zu hören. Sie hoffen auf einen Retter, der eine bessere Zukunft bringt. Manche suchen dabei Zuflucht in extremen Parteien. Es scheint sogar so, dass diese eine bessere Antwort auf die Zukunftsängste Vieler geben könnten, als die Verkünder*innen der Frohen Botschaft.
Jesaja spricht davon, wie Schüler zu hören und zu sprechen. „Schüler“ sind eigentlich diejenigen, die noch etwas lernen sollten; die sich bewusst sind, dass ihr Wissen noch nicht ausreicht.
Jesaja begibt sich auf deren Ebene: Er schaut „dem Volk aufs Maul“. Er nimmt die Sorgen und Nöte der Menschen, für die er predigen will, ernst. Er versucht, ihre „Sprache“ zu lernen. Er versucht, zu verstehen, wie sie denken.
Das tut er nicht, um ihnen danach „nach dem Mund“ zu reden. Offensichtlich kommt seine Botschaft nicht immer gut an, ja, er wird sogar angegriffen, geschmäht und geschlagen.
Wir wissen leider heute nicht mehr, was Jesaja zu seinen Zuhörer*innen gesagt hat. Wir wissen nur, dass dieser Text wahrscheinlich im sogenannten Babylonischen Exil entstand. Also, in der Zeit, als das Königreich Israel nicht mehr existierte und die Oberschicht nach Babylon verschleppt worden war. Für diese Verschleppten predigt Jesaja (der sogenannte Deuterojesaja). Vielleicht ist es schon die zweite Generation der Exilierten, die zwischen Anpassung und Hoffnung auf Rückkehr leben. Also eine Zeit, in der es innerhalb der israelischen Gemeinschaft in Babylonien Spannungen gab.
Der Prophet spricht sich für keine der beiden Parteien aus. Er will Hoffnung vermitteln und die Müden aufmuntern. Aber er ruft sie nicht zum Aufstand auf. Er vertraut auf Gott, so unrealistisch es auch scheinen mag.
Wir wissen aus der Geschichte Israels, dass Cyrus, der neue König von Babylon, tatsächlich die Exilierten wieder in die Freiheit und nach Hause entließ. Völlig ohne Aufstand und ohne Blutvergießen. Die Geschichte der Menschheit ist voll von Überraschungen. Wir dürfen darauf hoffen, dass Gott denen beisteht, die sich für Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit einsetzen. Auch dafür ist der Prophet Jesaja ein gutes Beispiel. Wir kennen alle die Lieder vom Gottesknecht, die in der Liturgie der Kartage eine große Rolle spielen.
Phil 2, 4-11
Paulus zeigt hier, wie Jesus die Tradition der Propheten fortführt. Obwohl er der Sohn Gottes ist, nimmt er das menschliche Schicksal an; so wie auch Jesaja die Exilierten begleitet hat.
Heute ist Jesus in jedem Kind in Palästina zu finden, das durch Bomben, Hunger oder Krankheiten stirbt; in jeder Frau in der Ukraine, die Angst um ihren Mann oder Sohn an der Front hat; in jedem Geflüchteten im Sudan, der auf der Suche ist nach einem sicheren Ort zum Leben.
Lk 19, 28-40
Der Einzug Jesu nach Jerusalem: DAS Gegenprojekt zum herrscherlichen Triumphzug. Jesus reitet auf einem Jungtier (in anderen Evangelien einem Esel). – Als Reiterin muss ich mir bei Lukas allerdings die Frage stellen, wie er das gemacht hat, denn so einfach ist ein Jungtier, nicht zu reiten. Aber vielleicht hatte auch das Fohlen so viel Vertrauen zu Jesus, dass es ihn nicht abwerfen wollte. –
Auf alle Fälle reitet Jesus kein Streitross. Er hat noch nicht einmal einen Sattel. Der Weg ist auch nicht festlich geschmückt und es sind keine eroberten Schätze zu sehen. Der einzige Schmuck sind die eigenen Kleider, die auf dem Weg ausgebreitet werden.
Dieser Auftritt provoziert. Das beweist die Reaktion der Pharisäer. Die Jünger Jesu sollen schweigen. Doch das ist nicht möglich. Selbst die Steine würden reden.
Das Lukas-Evangelium ist zu einer Zeit geschrieben, als das Christentum nicht mehr zum Schweigen zu bringen ist. In seinem zweiten Werk, der Apostelgeschichte, beschreibt er, wie die Verkündigung in Jerusalem beginnt und sich die frohe Botschaft dann in ganz Israel, in Griechenland und schließlich bis nach Rom verbreitet. Alle Versuche, das – auch gewaltsam – zu verhindern, scheitern.
Trotzdem ist es kein Feldzug, wie die des Kaisers, der das Christentum verbreitet. Es ist die Botschaft Jesu, die Botschaft vom Reich Gottes: Es beginnt, wo Kranke geheilt werden, Hungrige zu essen bekommen, Gefangene befreit und Ausgeschlossene wieder in die Gesellschaft integriert werden.
Dr. Monika Bossung-Winkler, Bistum Speyer