ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 6, 36-42 | Dtn 30, 10-14 | Kol 1, 15-20 | Lk 10, 25-37 |
Der Verfasser geht im Rahmen seiner Ausführungen auf alle oben genannte Texte ein, jedoch ohne sie voneinander abzugrenzen. Dadurch entsteht ein Gesamtbild, das auf die Gottesdienste des Tages passt.
Ausweglosigkeitserfahrungen
Im Laufe eines Lebens, sei es in der Kindheit, im Beruf oder im alltäglichen Leben, kann jeder Mensch in Situationen geraten, die ausweglos erscheinen können. Beispielsweise kann ein Arbeitsauftrag von einem Vorgesetzten aufgrund von vorhandenen Ressourcen oder vorgegebener Zeit unmöglich zu erfüllen erscheinen. Manchmal kann die Aufgabe selbst weit über die Fähigkeiten oder das Wissen der betroffenen Person hinausgehen. Da stößt der Mensch auf seine Machtlosigkeit und Grenze.
Eine friedliche und nachhaltige Gesellschaft ist möglich
Manche Gesetze Gottes können genauso als schwierig zu erfüllen erscheinen. Eine radikale Umkehr „mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele“, wie es in der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium heißt, ist beispielsweise für den Menschen aufgrund seiner Unvollkommenheit eine schwierige Aufgabe. Der Mensch ist ein werdendes Wesen, ein Wesen, das sich in einem Prozess befindet und das ständig nach Perfektion streben muss. Das mag anstrengend und manchmal unrealisierbar sein. Aber die erste Lesung macht deutlich, dass Gott nichts fordert, das die menschliche Fähigkeit überfordert: „Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir.“ heißt es in der Lesung (Dt 30,11). Und den Kernpunkt dieses Gebotes fasst Jesus im heutigen Evangelium zusammen. Auf die Frage des Gesetzeslehrers antwortet er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“ (Lk 10,27) Dieses Gebot der Nächstenliebe mag schwierig zu erfüllen sein, aber es stellt ein ideales Ziel dar, das das Leben bereichert und das Miteinander verbessert. Indem der Mensch kontinuierlich daran arbeitet, mitfühlender und liebevoller zu sein, trägt er zu einer besseren, friedlichen und nachhaltigen Welt bei. Denn Nächstenliebe fördert das Wohlbefinden und die Unterstützung anderer Menschen, vor allem die Unterstützung von benachteiligten Menschen und Gesellschaften. Sie fördert und ermöglicht auch soziale Gerechtigkeit, was ein zentraler Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit ist.
Nächstenliebe setzt aber Selbstkritik voraus, um effizient zu sein und eine friedliche Gesellschaft zu schaffen. Die Menschen neigen natürlich dazu, Fehler bei den anderen zu suchen und sie für ihr Unglück zu beschuldigen. Aber das macht das Zusammenleben schwierig und führt zu aggressiven Verhalten. „Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herausziehen.“ heißt es in Lk 6,42 (evangelischer Predigttext). In diesem Sinne muss Nächstenliebe mit Selbstliebe anfangen, indem man sucht, sich selbst annehmbar für die anderen zu machen.
Ein anderer Aspekt der Nächstenliebe kann auch der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen sein, um sicherzustellen, dass alle Menschen, vor allem die Benachteiligten und die zukünftige Generation, Zugang zu den notwendigen Mitteln haben oder haben werden. Nächstenliebe ermutigt dazu, über individuelle Interessen hinauszuschauen und zum Gemeinwohl beizutragen. Sie kann Menschen motivieren, nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die sowohl der Umwelt als auch der Gesellschaft zugutekommen.
Unsere Aufgabe heute
Im Kontext der Nächstenliebe für uns Christinnen und Christen heute könnte die Aussage der ersten Lesung („Denn dieses Gebot, auf das ich dich heute verpflichte, geht nicht über deine Kraft und ist nicht fern von dir.“ Dt 30,11) bedeuten, dass das Gebot, seinen Nächsten zu lieben und somit eine nachhaltige Gesellschaft zu schaffen, weder unerreichbar noch zu schwer umzusetzen ist. Denn die Gebote Gottes, einschließlich der Nächstenliebe, sind nicht fern von uns. Sie sind zugänglich und in unseren Alltag integrierbar. Jeder Mensch hat die Fähigkeit und die Möglichkeit, Nächstenliebe zu praktizieren. Sie ist bereits in unseren Herzen und Gedanken verankert. Sie erfordert keine übermenschliche Anstrengung, sondern eine bewusste Entscheidung und Bereitschaft, liebevoll und mitfühlend zu handeln. Die Aussage der ersten Lesung impliziert auch, dass Gott den Gläubigen die notwendige Kraft und Fähigkeit gibt, seine Gebote zu befolgen. Als Christinnen und Christen dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns unterstützt und uns die nötige Stärke dazu verleiht. Daran zu glauben ist unsere wichtigste Aufgabe heute.
Martin Djegbate, Bistum Mainz