14. Sonntag nach Trinitatis / 25. Sonntag im Jahreskreis (21.09.14)

14. Sonntag nach Trinitatis / 25. Sonntag im Jahreskreis

 

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Thess 5, 14-24 Jes 55, 6-9 Phil 1, 20ad-24.27a Mt 20, 1-16a

 

Stellung im Kirchenjahr

In den Leseordnungen beider christlicher Konfessionen ist dieser Sonntag einer der vielen außerhalb der geprĂ€gten Festzeiten liegender Sonntage des Kirchenjahres (liturgische Farbe: grĂŒn). In der katholischen Liturgie sind diese Sonntage durch Bahnlesungen bei der zweiten Lesung und beim Evangelium gekennzeichnet. Der 25. Sonntag im Jahreskreis beginnt eine Bahnlesung mit dem Philipperbrief, aus dem auch an den nĂ€chsten drei Sonntagen vorgelesen wird. Das Evangelium setzt die fĂŒr das Lesejahr A anstehende LektĂŒre von Perikopen des MatthĂ€usevangeliums fort.


1 Thess 5, 14-24

Exegetische Überlegungen

Der evangelische Predigttext steht am Schluss des ersten Thessalonicherbriefes. Entstehungsgeschichtlich ist dies der erste Brief des Völkerapostels Paulus und damit die Ă€lteste Schrift des Neuen Testaments. FĂŒr das Briefformular des Paulus typisch sind die Ermahnungen am Ende der Briefe. Auch hier finden sich zahlreiche direkte Aufforderungen. Unter den angesprochenen „lieben BrĂŒdern“ sind auch die weiblichen Gemeindeglieder mitgemeint. Paulus zielt hauptsĂ€chlich auf eine innergemeindliche Harmonie, die die „Schwachen“ unterstĂŒtzt und getragen ist von einem Grundton der Freude und Zuversicht. In ethischer Hinsicht formuliert Paulus den Grundsatz, das Böse zu meiden und das Gute zu suchen. Dabei ist der Mensch nicht allein, sondern darf sich der helfenden Gnade Gottes sicher sein, sofern er in „unablĂ€ssigem Gebet“ den bleibenden Kontakt mit Gott in Jesus Christus sucht.

Predigtimpulse

Die Predigt kann im Grunde jede einzelne Ermahnung des Paulus nĂ€her ausfalten, sollte sich aber auf zwei bis drei Schwerpunkte beschrĂ€nken. Grundgedanken können die ethische Leitlinie „Gutes suchen, Böses meiden“ oder die Hoffnung auf UnterstĂŒtzung durch die heiligende Gnade Gottes oder die Rede vom Geist in V 19-21 sein. Letztere Verse bedĂŒrfen der nĂ€heren ErlĂ€uterung. Die Ermahnung, den Geist nicht zu dĂ€mpfen, könnte ein erster Hinweis darauf sein, dass Paulus in seiner Gemeinde bereits erste „Erstarrungstendenzen“ entdeckt: Vom Heiligen Geist angeregte Erneuerungsprozesse drohen durch das Festhalten an Traditionen eingeschrĂ€nkt zu werden; prophetische Ermahnungen, die zu Umkehr und VerĂ€nderungen rufen, könnten in der bequemen Routine des Gemeindelebens als lĂ€stig beiseitegeschoben werden. Daher mahnt Paulus, alles zu prĂŒfen: Sind die VorschlĂ€ge zur VerĂ€nderung der gemeindlichen Praxis, des Lebensstils und des Handelns der Einzelnen vom Heiligen Geist oder gehen sie auf selbstsĂŒchtige Interessen von Menschen zurĂŒck? Was zum Guten fĂŒhrt, das soll behalten werden – wenn man so will, vertritt Paulus hier eine teleologische NormenbegrĂŒndung: Eine Norm, eine Handlungsrichtlinie erweist sich dann als richtig, wenn sie Gutes bewirkt.

Bezug zur Nachhaltigkeit

PrĂŒft alles, und das Gute behaltet – diese ethische Maxime des Paulus könnte auch eine Richtlinie fĂŒr die TechnikfolgenabschĂ€tzung des menschlichen Fortschritts in Forschung, Technologie und Wirtschaft sein. HĂ€ufig wird dieser Grundsatz missachtet: Neue wirtschaftliche Praktiken, neue Technologien und Substanzen werden eingefĂŒhrt, ohne grĂŒndlich ihre langfristigen Folgen geprĂŒft zu haben. Aus der Vergangenheit musste die Menschheit oftmals bitter und unter dem Verlust vieler Menschenleben lernen, dass nicht jede Technologie (z.B. die Atomkraft) und nicht jede vom Menschen entwickelte Substanz (z.B. bestimmte so genannte „Pflanzenschutzmittel“) der Welt insgesamt gut getan haben. Aus den technischen und wirtschaftlichen Desastern der jĂŒngsten Vergangenheit sollte die Menschheit lernen, nicht auf den kurzfristigen Gewinn allein zu schauen, sondern immer auch langfristig die Folgen fĂŒr das gesamte Ökosystem der Erde mitzubedenken.


Jes 55, 6-9

Exegetische Überlegungen

Die wenigen ermahnenden SĂ€tze stammen aus dem Schluss desjenigen Teiles des Buches Jesaja, der Deuterojesaja genannt wird und auf die Situation des Babylonischen Exils (und eventuell auch der Zeit danach) im 6. Jh. v. Chr. zurĂŒckgeht. „Deuterojesaja“ ist derjenige Prophet, der das Volk Israel, das den nationalen und religiösen Untergang (Zerstörung des Landes, der Stadt Jerusalem und des Tempel) erlebt hat, trösten soll. Unter diesem Grundgedanken (s. Jes 40,1) ist auch der vorliegende Text zu sehen: Der Prophet verheißt seiner Zuhörerschaft, dass der Mensch, der zu Gott umkehrt, Erbarmen und Annahme finden wird. Zur Steigerung der Botschaft kommt Gott selbst zu Wort und grenzt sich in zunĂ€chst vielleicht merkwĂŒrdig anmutender Weise von den Menschen ab (V 8). Dahinter steht die Grundproblematik, dass Menschen nur in menschlichen Begriffen von Gott denken können – nach diesen MaßstĂ€ben jedoch ist der, der Böses getan hat, ein fĂŒr alle Mal verdammt, und wer den Untergang erlebt hat, hat die gerechte Strafe fĂŒr sein Fehlverhalten bekommen. Gott ist anders, nĂ€mlich groß im Verzeihen: Wo nach menschlichen Begriffen die Beziehung aufgrund des Bösen, das man sich angetan hat, zu Ende ist, kann Gott in seiner GĂŒte einen Neuanfang schenken.

Predigtimpulse

Die Predigt kann zum einen auf die Aufforderung zur Umkehr eingehen und Beispiele herausarbeiten, wo in heutiger Zeit „Umkehr“ nötig ist. Das kann das persönliche Verhalten im Umgang mit anderen und mit sich selbst betreffen (z.B. „mehr loben“, „weniger gehĂ€ssig sein“, „mehr RĂŒcksicht auf den eigenen Körper nehmen“ usw.). Das kann aber auch gesellschaftliche Prozesse angehen: Umdenken im technologischen Bereich und bei der Ausgabe der Staatsfinanzen (z.B. Sind bestimmte Ausgaben fĂŒr RĂŒstung und Waffensysteme wirklich nötig? MĂŒssen die staatlichen Finanzen nicht in andere Bereiche, z.B. Bildung, gelenkt werden?). Zum anderen kann eine Predigt die GrĂ¶ĂŸe Gottes im Verzeihen ausfalten: Wo bei Menschen „der Ofen aus ist“, gibt es bei Gott immer noch einen Weg zum Neuanfang, zur Überwindung des Bösen. Gott denkt nicht so engstirnig wie Menschen im Umgang mit ihresgleichen. Von dieser GroßzĂŒgigkeit Gottes kann man lernen.

Bezug zur Nachhaltigkeit

Oftmals sind die Wege des Menschen und seine Gedanken und PlĂ€ne nicht gut fĂŒr die Schöpfung als Ganzer. Vieles, was Menschen planen und ausfĂŒhren, dient nur ihrem kurzfristigen Profit, schadet aber langfristig der Umwelt und damit wieder der gesamten Menschheit. Gott – so der Lesungstext – blickt „von oben“ („so hoch der Himmel ĂŒber der Erde ist“) auf das Tun der Menschen. Diese Perspektive sollten wir uns auch öfter zu Eigen machen: GrĂ¶ĂŸere ZusammenhĂ€nge innerhalb des gesamten Ökosystems „Erde“ wahrnehmen, langfristiger auf mögliche Fehlentwicklungen der Technologie und des Wirtschaftens achten. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist immer noch ein globales Umdenken („Umkehr“) nötig und die Hinwendung zu anderen Werten als dem schnellen ökonomischen Gewinn. „Den Herrn suchen“ kann auch heißen: Die Welt nicht lĂ€nger als billigen Selbstbedienungsladen betrachten, sondern als kunstvoll gestalteten Kosmos und als komplexes Ökosystem.


Mt 20, 1-16a

Exegetische Überlegungen

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg steht in einem Zusammenhang im MatthĂ€usevangelium, der mehrfach darauf aufmerksam macht, dass Gott nach anderen MaßstĂ€ben misst und zumisst, als Menschen dies tun. Damit entfaltet MatthĂ€us diesen auch in der Lesung aus Jes 55 angelegten Grundgedanken (s.o.). Aus dieser Perspektive ist das Gleichnis zu lesen: Es geht nicht darum, im irdischen Bereich allen den gleichen Lohn (fĂŒr ungleiche Arbeit!) zu bezahlen. Der Kernpunkt des Gleichnisses ist vielmehr die ĂŒbergroße Gnade und Barmherzigkeit Gottes, die jedes menschlich vorstellbare Maß ĂŒbersteigt. Dabei ist bereits vorausgesetzt, dass die Bildebene von Gutsbesitzer und Arbeitern hinsichtlich der Sachebene auf Gott und die Menschen zu beziehen ist.

Predigtimpulse

Die Predigt sollte auf jeden Fall klĂ€ren, dass Gott, fĂŒr den der Gutsbesitzer des Gleichnisses steht, kein Vorbild fĂŒr irdische Arbeitgeber ist und dass es nicht um RatschlĂ€ge fĂŒr Tarifverhandlungen geht. Ist damit dem Text eine gewisse AnstĂ¶ĂŸigkeit aus heutiger Sicht genommen, so ist positiv aufzuzeigen, welche Botschaft Jesus vermitteln will: Es ist nie zu spĂ€t, sich Gott zuzuwenden und sich von der Vergebungsbereitschaft Gottes ansprechen zu lassen. Gott rechnet nicht in menschlichen Leistungskategorien; vor Gott zĂ€hlen andere Dinge als vor den Menschen, vor allem zĂ€hlt fĂŒr Gott die Bereitschaft, sich ihm und seiner Weisung vorbehaltlos anzuvertrauen und seine Hoffnung auf ihn zu setzen. – FĂŒr Christen, die bereits einen tiefen Glauben an Gott haben und sich nach Gottes Weisung richten, könnte die Versuchung aufkommen, anderen Menschen, die sich mit dem Glauben schwer tun oder in ihrem Leben scheitern und die hohen moralischen AnsprĂŒche des Christentums nicht erfĂŒllen können, mit Verachtung oder Abscheu zu begegnen. Diesen – oft nur sehr versteckt vorhandenen – Hochmut verurteilt Jesus mit diesem Gleichnis. Ein Christ darf und kann sich auf seinen Glauben und seine ethisch-moralische AnstĂ€ndigkeit nichts einbilden, keinen Anspruch vor Gott ableiten und vor allem darf er andere nicht geringschĂ€tzen.

Bezug zur Nachhaltigkeit

In einer gewissen Hinsicht können sich menschliche Arbeitgeber das Tun des Gutsbesitzers dennoch zum Vorbild nehmen: Der Gutsbesitzer gibt gerade denen noch eine Chance, die sonst keiner den ganzen Tag lang beschĂ€ftigt hat. Auch heute gibt es Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt kaum Chancen haben, die „zu spĂ€t“ kommen (z.B. indem sie ihre Ausbildung verspĂ€tet – oder gar nicht –abschließen) und auch sonst den sich stĂ€ndig steigernden Anforderungen der Arbeitswelt nicht hinreichend entsprechen. FĂŒr eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung ist es wesentlich, dass Arbeitgeber nach Möglichkeiten suchen, auch solchen Menschen zu Lohn und Brot zu verhelfen.

 

Prof. Dr. T. Hieke