Pfingstmontag (16.05.16)

Pfingstmontag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Kor 12, 4-11 Apg 19, 1b-6a oder
Joel 3, 1-5
Röm 8, 14-17 Joh 3, 16-21

1 Kor 12, 4-11

Exegetische Hinweise

Eine Anfrage aus der Gemeinde in Korinth an Paulus war wohl: „Was sind die Gaben des Geistes? Und welche davon sind die wichtigsten? Müssen nicht alle Getauften bestimmte Gaben haben, etwa das Zungenreden?“ (s. 1 Kor 12, 1). Darauf antwortet Paulus in den Kapiteln 12 bis 14. In 12, 3 nennt Paulus als wichtigstes inhaltliches Kriterium für geistgewirktes Reden: „Niemand kann Jesus den Herrn nennen außer durch den heiligen Geist.“ In 12, 4-11 entfaltet Paulus dann den Satz (Vers 4): „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist.“

Theologische Impulse

Auffallend ist in den Versen 4 bis 6 die Drei-Gliederung: verschiedene Gaben – ein Geist; verschiedene Ämter – ein Herr; verschiedene Kräfte – ein Gott. Paulus betont in Vers 7: Die besondere Gnadengabe, die jedes Gemeindemitglied vom Geist zugeteilt bekommt (Vers 11), soll allen nützen. In den Versen 8 bis 10 zählt Paulus verschiedene Gnadengaben auf, die der eine Geist Gottes der Gemeinde schenkt.

Nachhaltigkeitsaspekte

Jedem Menschen wird vom Heiligen Geist seine je eigene Gabe geschenkt. Diesen Schatz an vielfältigen Begabungen sollen wir nicht verschleudern im Wettkampf: „Wer ist der Begabteste? Wer wird deshalb am meisten belohnt mit Geld, Förderung, Anerkennung, Macht?“ Sondern wir brauchen alle Begabungen, besonders die Begabungen der Menschen, die kein Geld haben, keine Förderung, keine Anerkennung, keine Macht. Auf diese Begabungen müssen wir achten. Ein Bischof [der ehemalige Bischof von Erfurt, Dr. Joachim Wanke] sagte dazu: „Wenn ich eine Stunde mit einem General, Politiker oder Wirtschaftsboss rede, muss ich zwei Stunden mit einfachen Leuten reden.“

Joel 3, 1-5

Exegetische Hinweise

Der Name „Joel“ bedeutet „JHWH ist Gott“. Die Joelschrift ist wohl zwischen 400 und 350 v. Chr. entstanden. Zentrales Thema ist „der Tag JHWHs“. Der zweite Teil von Joel (ab 2, 18) stellt die Hoffnungsperspektive vor Augen, die sich aus der Umkehr Gottes und der Menschen (nicht nur der Juden!) ergibt.

Theologische Impulse

Wenn die „Bewohner des Landes“ ihre Herzen zerreißen, nicht ihre Kleider, und umkehren zum Herrn, ihrem Gott (2, 13), erwacht im Herrn die Leidenschaft für sein Land und er hat Erbarmen mit seinem Volk (2, 18). „Danach wird es geschehen, dass ich [JHWH] meinen Geist ausgieße über alles Fleisch“ (3,1), und Söhne und Töchter, alte und junge Männer, Knechte und Mägde werden Propheten. Nicht nur die „Bewohner des Landes“ werden gerettet, sondern jeder, der den Namen JHWHs anruft. Letzteres ist überhaupt erst möglich, weil alle „Bewohner des Landes“ Propheten werden, von Gott berufene Rufer, und auch den anderen „Völkern“ Gottes Erbarmen verkünden (s. Jona, den allerdings sehr widerwilligen Propheten!).

Nachhaltigkeitsaspekte

Mit den Bildern von Krieg und Naturkatastrophen beschreibt Joel den drohenden „Tag JHWHs“. Heute können wir, dank Wissenschaft und Technik, deutlicher sehen als damals, wie groß der Anteil des Menschen an Kriegen ist – und wie sehr die Menschen in die Umwelt eingreifen und so Katastrophen in der Natur erzeugen. Aber viele resignieren, schließen ihre Augen und Ohren, verhärten ihr Herz - weil ihnen die Probleme zu groß erscheinen.

Joel ermutigt: Wenn ihr wirklich umkehren wollt, kehrt auch Gott um und hat Erbarmen. Dann erweckt er nicht nur bei einigen wenigen, sondern bei wirklich allen einen neuen Geist. Alle werden träumen, Visionen haben, begeistert sein und andere begeistern – selbst die Alten und die Ausgebeuteten. Gott wird uns das steinerne Herz wegnehmen und ein Herz aus Fleisch geben (Ez 36, 26). Und weil „Herz“ im Hebräischen auch den Sitz des Geistes meint, bedeutet das: Unser versteinertes Denken wird wieder lebendig.

Röm 8, 14-17

Nachhaltigkeitsaspekte

zu Vers 15b: „Ihr habt den Geist empfangen, ..., in dem wir rufen: Abba, Vater!“

1. Als ein Seelsorger seine neue Stelle im Gefängnis antrat, gab ihm sein Vorgänger den guten Rat: „Und vermeiden Sie, Gott als Vater zu bezeichnen – allzu viele Gefangene bekommen da Angst- und Hassgefühle!“

2. Am Ende des 2. Weltkrieges war mein katholischer Vater als Soldat auf der schwäbischen Alb einquartiert bei einer pietistischen, kinderreichen Familie. Beim Tischgebet wurde zuerst der drei Jahre alte Jüngste aufgefordert, sein Tischgebet zu sagen, und er rief: „Abba, lieber Vater!“ Dann beteten alle gemeinsam.

Die schönsten Worte, wie etwa die von Paulus, bewirken nichts, wenn die einfachsten Grundbedürfnisse nicht durch Zuwendung von anderen Menschen gestillt werden. Wenn ich aber diese Zuwendung erfahren habe, kann ich mit Joseph von Eichendorff singen:

„Den lieben Gott lass ich nur walten;
Der Lerchen, Bächlein, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs Best bestellt!“

Joh 3, 16-21

Nachhaltigkeitsaspekte

zu Vers 21: „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.“

Licht, Helligkeit, Klarheit, Aufklärung, the Enlightment – das moderne Zauberwort aber ist Transparenz: Ein Entscheidungsprozess soll transparent ablaufen – nicht in geheimen Zirkeln im Hinterzimmer, sondern mit Beteiligung aller Betroffenen und nach durchsichtigen Regeln. Die Hintergründe müssen aufgeklärt werden. Das fordern alle. Doch wenn es konkret wird, wenn etwa entschieden werden soll, ob ein Betrieb geschlossen, ein Altenheim abgerissen wird, dann wird doch im kleinen Kreis entschieden – weil bei einem offenen Verfahren die anderen Wettbewerber auf dem Markt (der Betriebe, der Altenheime) zu viele Vorteile hätten und der Betrieb, das Altenheim zu viele Kosten tragen müsste. Transparenz kostet also etwas. Aber Intransparenz kostet auch etwas: Die Glaubwürdigkeit.

Michael Strake