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Lk 15,1-3.11b-32 | Ez 17, 22-24 | 2 Kor 5, 6-10 | Mk 4, 26-34 |
Lk 15,1-3.11b-32 Das Gleichnis vom verlorenen Sohn
Welche der Figuren spricht mich eigentlich am meisten an, wenn ich das vertraute Gleichnis vom verlorenen Sohn lese? Der jüngere Sohn, der sich sein Erbe auszahlen lässt und verprasst? Der Vater, der das Erbe aufteilt und sich später über die Rückkehr des jüngeren Sohnes freut und gern auch barmherzig genannt wird? Der älteste Sohn? Und wo ist eigentlich die Mutter oder mögliche Schwestern? Versuchen Sie, sich die ganze Szenerie möglichst plastisch und detailreich vorzustellen.
Der verlorene Sohn bzw. der jüngere von zwei Söhnen eines Vaters macht sein ganzes Erbe zu Geld - Handeln wir angesichts der Ausbeutung der Schöpfung aktuell nicht ähnlich? Statt dem Hüte- und Sorgeauftrag aus Gen nachzukommen, gehen wir in Wirtschaft und gesellschaftlichen Debatten dem Verführer auf den Leim: Externalisierung von Kosten, Belohnung von Geiz-ist-geil-Mechanismen, Gewinnmaximierung und Finanzspekulation mit Land, Pachtzins und Preisdumping. Leichter Genuss um jeden Preis, ohne zu sehr nachzufragen, woher die Güter kommen. Wo sind wir bereit, die wahren Kosten – soziale wie ökologische Folgekosten, die aktuell vor allem die Allgemeinheit trägt – einzupreisen? Aktuell zahlt die Allgemeinheit die ökologischen und sozialen Folgekosten, wenn Böden aufgrund von Verdichtung langfristig unfruchtbar, Urwälder zugunsten von Monokulturen abgeholzt oder Menschenrechte auf Gesundheit und Bildung missachtet werden. „Dieses Wirtschaften tötet…“ hat Papst Franziskus provokant in Evangelii Gaudium formuliert. Er meint damit, wenn die Grenzen der Erde und die Rechte der Menschen und der Natur – von komplexen Lieferketten oft verschleiert – nicht beachtet werden. Wer das Prinzip von Geben und Nehmen, Säen und Ernten, Hüten statt Ausbeuten, von Ökologie, Gemeinwohl und Spiritualität nicht einhält, dient dem Tod, nicht dem Leben. Der und die verrät sozusagen den gütigen Vater, der in seiner Fülle auch für seine Knechte gut sorgt, verrät den arbeitenden älteren Bruder, der weiter das Land bestellt, die Tiere versorgt und den Hof zusammen mit seinem Vater und den Knechten bewirtschaftet und liefert sich ungerechten, lebensunfreundlichen Strukturen wie der jüngere Sohn aus. Das zahlt sich langfristig nicht aus.
Nachhaltig gelesen mahnt uns das Gleichnis rechtzeitig umzukehren wie der jüngere Sohn: Schließlich haben auch wir ein reiches Erbe von unseren Vorfahren erhalten. Noch ist ein Zeitfenster offen. Wir können und müssen lernen mit den Schätzen der Natur wie Artenvielfalt, Urwäldern und fruchtbarem Land sorgsam umzugehen.
Wir dürfen dafür von allen Figuren etwas mitzunehmen: Das Aufbrechen und Umkehren und ehrliche Bereuen des jüngeren Sohnes. Das Arbeiten, Hüten und treue Sorgen des älteren Sohnes. Das Recht gebende, freilassende und bedingungslose Vertrauen des Vaters. Die Freude und Feier des Lebens, die alle verbinden möchte.
Es geht darum, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, denn der ältere Sohn und der jüngere verkennen das Leben: Es geht darum, nicht nur selbst sein Recht einzufordern, sondern auch seinen Pflichten nachzukommen. Nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu feiern.
Und spannend was ausgelassen wird: das Gleichnis vom verlorenen Schaf und das von der verlorenen Drachme. Was heißt das für uns? Dürfen wir die vielen gleichgültig ziehen lassen, die der Kirche den Rücken kehren? Dürfen wir uns in einen wohlig warmen Schafstall und auf eine immer kleiner werdende Herde zurückziehen? Müssen wir uns nicht auf die Suche machen? Müssen wir nicht den Schafstall vom Mist befreien? Von der Angst vor Veränderung, vom Mythos, es wäre schon immer alles so gewesen und früher alles besser. Was würde passieren, würden wir mutig und laut aus dem allzu vertrauten, bisweilen engen Stall herausgehen und angesichts der Klimaerhitzung an die Christenpflicht mahnen, dass Schöpfungsverantwortung und soziale Gerechtigkeit von gelebter Spiritualität nicht zu trennen sind? Was würde passieren, wenn wir der Freude und Hoffnung des Evangeliums trauen würden – wie der Vater im Gleichnis oder die Menschen, die ihr Schaf in der Wüste oder ihre verlorene Drachme im Haushalt wieder finden?
Ez 17, 22-24
Die Verse zeichnen ein Hoffnungsbild und mahnen zugleich vor Größenwahn: Der Zweig einer Zeder wird gepflanzt und wächst zu einem prächtigen Baum, der vielen Schatten spendet. Dies dient der Ehre Gottes, der die Macht über Leben und Tod hat und damit Verdorrtes erblühen und Grünendes Verdorren lassen kann. Leben zielt nicht auf Größe als Selbstzweck, sondern auf Hingabe, indem man seine Gaben entfaltet und anderen zugänglich macht. Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Wir dürfen uns prächtig entfalten und uns dabei bewusst bleiben, dass Gott Gott ist und nicht der Mensch der Mittelpunkt des Weltalls.
2 Kor 5, 6-10
Welch wunderbarer Wunsch: „Wir sind also immer zuversichtlich…“ Gleich zweimal spricht uns der Korintherbrief Zuversicht zu. In diesen ungewissen Zeiten klingt das wie die Ermutigung und Mahnung, nicht der Angst und Hasspropaganda das Feld zu überlassen, sondern mutig zu handeln auch angesichts von Fremdem oder Befremden. Es geht darum Christus zu gefallen. Christus starb für die ganze Schöpfung. Christus sendet seinen Geist: Einen schöpferischen Geist - der schon zu Beginn als Lebensatem über dem Wasser schwebte. Dieser Geist möchte uns gerade mit Blick auf das nahende Hochfest Pfingsten beleben. Er möchte uns von Verzagten zu Hoffnungsbotinnen und Hoffnungsboten in Zeiten der Transformation und Unsicherheit wandeln. Denn es kommt nicht so sehr auf den Erfolg an, sondern auf die Taten: ob wir dem Guten oder dem Bösen dienen. Mögliche Impulsfragen: Wem dienen wir? Und trauen wir dem Geist und seiner Kraft, auch wenn Nachrichten ein anderes Bild zeichnen?
Mk 4, 26-34 Der Sämann und das Senfkorn
Die Saat geht auf und bringt Frucht, ohne dass der Sämann es wirken kann oder ganz versteht: Er sät und lässt alles weitere geschehen. Er wartet, schläft, beobachtet und schließlich erntet er. Auch das Senfkorn wird gesät, keimt und wächst zu einem großen Baum, der Schatten spendet. Wir können darin zweierlei finden: Wir müssen und können etwas tun, das heißt handeln und arbeiten. Zugleich haben wir vieles nicht in der Hand und verstehen auch heute noch vieles nicht: z.B. wie genau unsere Ökosysteme zusammenhängen, wie die Kippunkte Einfluss auf das Weltklima nehmen oder auch woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir sind reich beschenkt und dürfen etwas öfter Staunen und uns Freuen an der Vielfalt und Fülle, die uns umgibt. Wir dürfen uns der Hybris entziehen, die in der Technik und einem ewigen Fortschrittsglauben Heil sucht.
Ohne Arbeit geht es nicht, aber auch nicht ohne Staunen, Dankbarkeit, Vertrauen und Einfügen in den Rhythmus des Lebens von Wachsen und Vergehen und Fülle. Feiern und sich freuen gehört ebenso dazu wie arbeiten, sorgen und hüten. Glaubendes Vertrauen gibt die nötige Zuversicht dafür.
Barbara J. Th. Schmidt, Bistum München und Freising/ Bistum Passau