17. Sonntag nach Trinitatis / 27. Sonntag im Jahreskreis 2017 [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mk 9, 17-27 | Jes 5, 1-7 | Phil 4, 6-9 | Mt 21, 33-44 |
Mk 9, 17-27
Die Jünger Jesu hatten angeblich versucht, der Bitte des verzweifelten Vaters nachzukommen. Dem markinischen Bericht zufolge fehlt ihnen jedoch die Kraft (ἰσχύω – isxýō), dies zu vollziehen. Dieses Verb kann in der Regel als „können“ wiedergegeben werden, sein semantisches Umfeld schließt aber auch andere Nuancierungen ein. Es bedeutet ebenso, die Kraft oder die Macht haben, zu widerstehen oder sich jemandem gegenüber zu behaupten; oder im Umgang mit jemandem Einfluss oder Macht ausüben zu können.
Der Schlüssel zum Verständnis dieses Textes ist der Glaube, der ein Hinweis auf diese Kraft zu liefern scheint. In der Tat, was Jesus wütend macht, ist der Unglaube (V. 19: „O du ungläubige Generation!“). Der Glaube wird von Jesus als etwas verstanden, der alles möglich macht. In der Theologie wird viel um den Glaubensbegriff diskutiert: ob der Glaube beispielsweise mit einem bestimmten Inhalt gefüllt werden soll oder nicht. Eine präzise Antwort auf diese Frage wird in diesem Text nicht gegeben. Doch die Glaubensgrundhaltung des Vaters dieses Gleichnis wird als positiv und vorbildlich gewertet. Anhand der Worte dieses Vaters kann man sogar von einem Weg oder den Stufen des Glaubens sprechen. „Hilf meinem Unglauben“ ist das Bekenntnis eines Menschen, der sich bewusst ist, dass man nicht selbstgenügsam ist.
Und der Glaube bringt besonders dann Früchte hervor, wenn er advokatorisch ist, wenn man für andere bittet, betet. Wenn man, wie Jesus, Wunder nicht für sich selbst wirkt, oder, um sich selbst besser darzustellen, sondern, um zu dienen und zu lieben. Menschliches Handeln orientiert sich somit an Jesu Liebe sowie an der Liebe zu und am Vertrauen auf Jesus. Jedes mal, wenn man sich im Namen Jesu – und nicht im eigenen Namen – für die Geringsten einsetzt, die von Dämonen besessen sind, von Krankheiten, Gewalt und Ungerechtigkeiten gequält werden, da geschehen Wunder, Heilung … Heil.
Jes 5, 1-7
Das Bild des Weinbergs wurde nicht selten innerhalb des semantischen Felds der Liebesbeziehungen verwendet (vgl. auch Jes 27,2-6). Während die Braut als Weinrebe dargestellt wurde, brachten die verschiedenen Tätigkeiten des Winzers an der Weinrebe seine Zuneigung und Liebe zu ihr zum Ausdruck, bis hin zu sexuellen Andeutungen. Der Hintergrund dieser Stelle scheint jedoch einer der Anklage zu sein. Im alten Orient war es üblich, dass der Freund des Bräutigams die Anklage gegen die Braut seines Freundes vorbrachte.
Im Zentrum dieser Stelle steht das 7 mal vorkommende Verb „tun/machen“. Auf der einen Seite steht der Bräutigam, der alles innerhalb seiner Möglichkeiten dafür getan hatte, damit die Braut gute Früchte tragen könnte. Auf der anderen Seite steht der Weinberg, der keine süßen Früchte hervorbringt (in Hebr. = macht, vgl. V. 4), wie erhofft wurde (V. 2.4). Der Gehalt der Anklage kann mit Vers 4 auf den Punkt gebracht werden: „Was hätte ich noch für den Weinberg tun können, das ich nicht getan habe? Und nichts, was ich mir von ihm erhofft hatte, ist geschehen.“
Die Tatsache, dass Jesaja der „geliebte Freund“ des Weinbergbesitzers ist, verleiht ihm die Autorität der Anklage. Der Prophet scheint den Weinbergbesitzer gut zu kennen. Was gefährdet zu sein scheint, ist die Beziehung zwischen Weinbergbesitzer und Weinberg, Bräutigam und Braut. Damit ein Ehebund gelingt, bedarf es nicht nur der Erwählung, der schönen Worten, des Versprechens; es bedarf vor allem der guten Taten, der Taten des Rechts und der Gerechtigkeit. Dass es Rechtlose gibt, die schreien, ist zweifelsohne ein Indikator, dass die Beeren eher bitter sind, ja sauer. Dass der Herr uns auserwählt hat und dass der Herr für alles gesorgt hat, damit wir zu dem werden, wozu wir geschaffen wurden, ist lobenswert. Aber das Fehlen an Aufrichtigkeit und die angeklagte moralische Korruption des Hauses Israels, der Männer und Frauen von Juda ist in den Augen des Propheten Jesaja unerträglich.
Die schwierige Lage, die das Volk Israel zur Zeit Jesajas quält, wird als Konsequenz der Untreue und des schlechten Verhaltens gedeutet. Denn der Herr offenbarte, was er machen wollte: seinen Schutz an Israel zurückziehen. Jesaja hält an der Überzeugung fest, Israel soll Licht für die Völker sein. Sein Verhalten und seine Taten haben doch Bedeutung für den Bund mit Gott. Die Anklage des Propheten Jesaja richtet sich ganz gezielt gegen jene, die keinen Zusammenhang zwischen Erwählung, Glauben, Verhalten und Ethik. Die Erwählung und die Liebe zu Gott durchdringt das ganze Leben, jede Tat. Weil sich Israel von Gott erwählt und geliebt weiß, trägt es Verantwortung für die gesamte Welt. Es darf nicht das von Gott geschenkte Recht (die Tora) die von Gott anvertraute Verantwortung der Welt und dem Nächsten gegenüber vernachlässigen.
Phil 4, 6-9
a) Zur christlichen Gemeinde von Philippi (Ostmazedonien) hatte Paulus eine sehr enge und liebevolle Beziehung; b) Exegeten vermuten, dass er drei Briefe an sie geschrieben hat, die später redaktionell zu einem einzigen zusammengestellt wurden; c) in der heutigen Lesung finden sich Teile des Briefes, den er aus dem Gefängnis heraus geschrieben hat (V. 6f) und des sogenannten „Kampfbriefes“ (V 8f), in dem er jene Irrlehrer verurteilt, die versuchten die Gemeinde zu verunsichern und auseinander zu bringen d) Paulus entnimmt Werte aus der stoischen Popularphilosophie, die ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit garantieren, „Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (V 9).
Zwischen den einzelnen Predigtgedanken, könnte jeweils der Refrain des Liedes „Keinen Tag soll es geben“ gesungen werden, in dem der V 7 der Lesung aufgegriffen wird („Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft…“).
Es gibt persönliche, plötzlich hereinbrechende Lebensschicksale, erschütternde Schreckensnachrichten von Gewalt, Krieg und Terror, zum himmelschreiende Ungerechtigkeiten von Willkür und Machtmissbrauch und vieles mehr, was uns nicht selten ohnmächtig und sprachlos dastehen lässt. Das wird zu Paulusʼ Zeiten nicht anders gewesen sein. Er ermutigt seine Lieblingsgemeinde von Philippi gerade dann, wenn alles ausweglos erscheint, wenn die Sorgen zu groß und die Angst zu übermächtig wird, ins Gebet zu gehen und flehend unsere Bitten mit Dank vor Gott zu bringen.
„Sorgt euch nicht!“, schreibt Paulus, womit er wohl kaum meinte, „legt eure Hände in den Schoß, alles wird gut“. Ihm ist klar, dass es Dinge gibt, auf die wir keinen Einfluss haben, die wir einfach nur in Gottes Hände legen können. Das entlastet und befreit. Gleichzeitig schreibt er an einer anderen Stelle „Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen und dient dem Herr“ (Röm 12,11). Das heißt, wenn alles Menschenmögliche getan worden ist, wenn gekämpft und geackert wurde, dann gilt es auch auf Gott zu vertrauen, sonst laufen wir Gefahr, uns selbst zu hoch zu schätzen. Wir sind sein Ebenbild, nicht mehr und nicht weniger.
Mt 21, 33-44
Im Anschluss an die vorausgehenden Texte (die Verfluchung eines Feigenbaums [Mt 21,18-22] und das Gleichnis von den ungleichen Söhnen [Mt 21,28-32]) will Jesus deutlich machen, dass die entscheidende Stunde der Früchte gekommen sei. Und die Stunde ist jetzt, heute. Während Gott seine Bundestreue durch seine Taten manifestiert, wollen die Winzer die Früchte in den eigenen Besitz nehmen (vgl. Hos 2,7-10; Ez 16,15-19). Sie erkennen das Geschenk des Bundes nicht und wollen seine Früchte für sich selbst beanspruchen.
Doch die erwarteten Früchte (vgl. den Zusammenhang zw. Jes 5,2 und Mt 21,43) sind nicht Eigenbesitz Israels, sondern Frucht des Bundes. Allein kann die Weinrebe keine Früchte hervorbringen (Griechisch = poioūnti = machen). Die Vorsorge des Weinbesitzers und die durch ihn bereitgestellte Infrastruktur waren entscheidend.
Der Tod des Sohnes wird im Gleichnis als vorsätzlicher Mord dargestellt. Insofern deckt es eine bestimmte Grundhaltung auf. Eine Haltung, die den Bund als Geschenk und Verantwortung verkennt und ihn lediglich als Eigenbesitz haben will. Eine Attitüde des sich Verschließens vor prophetischen Stimmen, welche eine solche Haltung anklagen und dafür kämpfen, dass Gott (zurück-)gegeben wird, was ihm „gebührt". Die Führer Israels verstanden nicht, dass ihr Amt im Dienst besteht, nicht für sich selbst, sondern für die Welt.
In Zeiten ungezügelten Kapitalismus werden die Früchte des Profits eher privatisiert und ausschließlich als eigenen Verdienst angesehen. Heutzutage werden immer noch Stimmen zum Schweigen gebracht, die sich gegen derlei Haltung erheben. Wenn Früchte nicht zum Teilen bestimmt sind und der großen Gemeinschaft nicht zuteil werden, müssen sie mit Gewalt innerhalb eines geschlossenen Kreises aufrechterhalten werden. Deren Geschmack wird sauer.
„Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt (V. 43)." Harte Worte, die jedoch der Wahrheit entsprechen. Denn das Reich Gottes wird im Gleichnis nicht als eine im Jenseits verankerte Wirklichkeit verstanden, sondern im Hier und Jetzt. Im Reich Gottes sind die Früchte der Gerechtigkeit ein gemeinsames Gut aller. Eine ausführliche Erklärung, wie man solche Früchte trägt (macht), wird im Johannesevangelium (vgl. Joh 15) geliefert. Nur in Gemeinschaft mit Jesus Christus kann man überhaupt Früchte tragen. Von ihm stammt der Saft, die Kraft, die nötig sind, um Früchte zu tragen. Sie sind Geschenk, jedoch „erwartet". Die Früchte der Gerechtigkeit sind Bedingung dafür, dass das Reich Gottes mitten unter uns bleibt und uns nicht „weggenommen werde".
Claudia und Leandro Fontana, Brasilien / Bistum Mainz