18.o4.25 – Karfreitag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung
Joh 19, 16-30 Jes 52, 13 - 53, 12 Hebr 4, 14-16; 5, 7-9

Stellung im Kirchenjahr

Mit dem Tod Jesu am Kreuz kommt das Heilswerk Gottes zum ein für alle Mal versöhnenden und heilenden Durchbruch – Ereignis und Geschehen, das den Karfreitag thematisch ausmacht und deshalb Liturgie und Katechese bestimmt.

Dabei führt die Liturgie mit ihrem Reichtum an Texten gerade im anglikanischen und römisch-katholischen Raum dazu, dass die Predigt aus- bzw. relativ kurz ausfällt. Doch unabhängig davon, ob und wie ausführlich gepredigt wird, bieten sich im katechetischen Bereich des Gottesdienstes, etwa in kurzen Betrachtungen, Gebeten und Fürbitten gute Gelegenheiten, Aspekte von Nachhaltigkeit aufzugreifen, die sich vom Geschehen des Leidens und Sterbens Jesu inspirieren lassen.

 

Verantwortung und Verwiesenheit von Individuum und Gemeinschaft

In der Exegese von Jes 52,13-53,12, dem vierten Lied des sog. Gottesknechts, finden sich Auslegungen, welche die beschriebene Person als einen konkreten Einzelnen, als den Messias und/oder auch das Volk als ganzes verstehen. Jedenfalls trägt er/sie die Konsequenzen für Misslungenes, für Schuld, für die zerrüttete Beziehung zu Gott, für Unversöhntes, Spaltendes und Zerstörendes in der Gemeinschaft. Die Diversität der Auslegungen, aber auch die angemahnte Verantwortung, die da einer/eine für alle trägt, lässt eine dialektische Sichtweise zu, die die Verwobenheit der Verantwortlichkeiten von Individuum und Gemeinschaft vor Augen führt, und zugleich die positiven Optionen, die sich für alle ergeben, wenn und weil einer/eine die Konsequenzen kritischer Situationen erträgt, durchleidet und meistert, damit allen geholfen wird.

„Es ist konstitutiv für die Gemeinschaft als solche, dass mindestens ein Teil ihrer Glieder sie nicht nur als ein fremdes Objekt betrachtet, auf das sie gelegentlich im Verlauf ihres individuellen Lebens stoßen, sondern als ein Ganzes, dessen Teile sie sind und dessen Leben ihr Leben ist. Besonderen Gemeinschaften (…) ist es eigentümlich, dass sie den Anspruch erheben, das Individuum ganz und gar, mit seinem ganzen persönlichen Bestande, zu umfassen und in sich aufgehen zu lassen.“

Aus: Edith Stein: Eine Untersuchung über den Staat = Edith Stein Gesamtausgabe 7 (2006) 27f.

 

Am Ende das Licht

Die Lesung Hebr 4,14-16; 5,7-9, die sich aus zwei eigentlich getrennten Textabschnitten zusammensetzt, reflektiert die Pro-Existenz Jesu auf kultischem Hintergrund und gewinnt Zuversicht aus der bodenständig menschlichen Empathie des Erlösers, die sich selbst in extremster Krisis bewährt. Sie behauptet sich, weil sich Jesus einer Ordnung unterwirft, die dem Wohl des Menschen dient, und er unterwirft seinen Einsatz dieser Ordnung, damit alles heil und allen Heil wird.

 

Am Ende
Möchte ich staunen
Weil alles gut ist

Was eben noch unfertig
Im Werden war

Weil wieder Mut ist
Wo eben noch nur Verzagtheit war

Weil alles jetzt hell ist
Was eben noch
Dunkel in mir war

Frank Greubel, in: Dennoch. Brauchbare Texte und Gebete für heute. Würzburg: Echter, 2024.

 

Das genuin Christliche

Hinsichtlich der Passionserzählung Joh 18f, die im rk Gottesdienst vorgetragen wird, bzw. im ev Predigttext Joh 19,16-30 könnte beispielsweise  an für Joh charakteristische und bezeichnende Chronologie angeschlossen werden, mit den vielfachen Hinweisen auf die Stunde Jesu, die kommt bzw. gekommen ist, und den zahlreichen Anmerkungen zur jeweiligen Tageszeit. Denn Zeit spielt hinsichtlich der klimatischen und ökologischen Veränderungen und Herausforderungen eine ebenso neuralgische Rolle. Die Zeit zum Handeln drängt und es ist umso wichtiger, dass der Einzelne seine eigene Lebenszeit nutzt, um zum Erhalt von Schöpfung und menschenwürdigen Lebensbedingungen beizutragen, damit nicht die Lebenszeit anderer unnötig beeinträchtigt oder über die Maßen verkürzt wird.

Es geht also um die zunehmend dringlichere Entscheidung des Einzelnen, was wiederum zu Joh zurückführt, nach dem das Gericht über den Menschen nicht von außen ergeht, sondern in der eigenen Entscheidung des Menschen erfolgt (3,18; 5,24; 9,39). Wir sind nicht entbunden von der Entscheidung, wie und wofür und für wen wir unser Leben gestalten und einsetzen, sondern vielmehr berufen, Jesu Pro-Existenz für Gottes Schöpfung nachzuahmen.

Jesu ureigenste Entscheidung, sich hinzugeben für die Erlösung der Welt, unsere Versöhnung mit Gott und die Etablierung einer neuen Gemeinschaft ist dabei Ermächtigung, Ansporn und Ermutigung. In seinem Geschick, seiner Verherrlichung bzw. der Herrlichkeit, die ihm Gott verleiht, ist jedem und jeder die Verheißung gegeben, dass am Ende herrliches Leben für alle sein wird, vorausgesetzt, dass wir uns vom erhöhten Jesus an sich ziehen lassen (12,32) und uns unter dem Kreuz – gemäß dem Vorbild der von Jesus gesetzten familialen Verbindung von Maria und Johannes (19,26f) – zu einer neuen, bleibenden und krisenfesten Gemeinschaft entschließen.

 

„Die Umkehrung von Hierarchien ist provokant und fordert ein völliges Umdenken. Eingeleitet wird diese Provokation durch Jesu Forderung: „Bei euch aber soll es nicht so sein.“ Auch für die Debatte um das, was eine christliche Sozialethik ausmacht, ist das ein entscheidender, sogar radikaler Satz. Denn das genuin Christliche ist ein neues Verständnis von Herrschen.

Auf der anderen Seite ist eine fundamentale Umkehr gefordert, was den in der Kirche zu häufig und zu problematisch verwendeten Begriff von Macht als Dienen anbelangt, der zu oft benutzt wurde, um Machtstrukturen und Machtmissbrauch zu kaschieren. (…)

Dienen ist keine Forderung allein an Untergebene (…). nicht Unterwürfigkeit, sondern Verantwortung wahrnehmen für andere ist gemeint. Dienen bedeutet, andere zu befähigen und ihnen Handlungsspielräume zu eröffnen, statt sie zu kontrollieren. Daraus ergeben sich Partizipation und Mitbestimmung statt Entscheidungen von oben herab. So geforderter und gelebter Dienst ist vermutlich nicht exklusiv, aber intensiv und genuin christlich.“

Aus: Ursula Nothelle-Wildfeuer: Das genuin Christliche. Wie Jesus eine neue Perspektive in die Ethik bringt, in: Christ in der Gegenwart vom 20.10.24.

Dr. Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim