19.o6.25 – Fronleichnam

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
./. Gen 14, 18-20 1 Kor 11, 23-26 Lk 9, 11b-17

Gen 14,18-20

Abram befindet sich auf dem Rückweg von einem Feldzug, bei dem er seinem Neffen Lot zur Hilfe kam, der im Krieg verschleppt worden war. Als er mit seinen Leuten (Jeru)Salem erreicht, kommt ihm der dortige Stadtkönig Melchisedek entgegen. Exegetisch dürften die gastfreundlichen Gaben von Brot und Wein hier weniger entscheidend sein, sondern eher der Segen, der Abram durch Melchisedek zuteilwird und der ihn als Anhänger und Vertrauten des einen Gottes Jahwe bestätigt.

In einer erweiterten Schriftdeutung rücken dann Brot und Wein in den Fokus und werden als Verweis auf das Abendmahl Jesu gesehen. Das erste Hochgebet der katholischen Liturgie etwa (der sog. „Römische Kanon“) greift die Stelle auf und bezieht sie allegorisch auf die eucharistischen Gaben: Nimm sie (Brot und Wein) an … wie die heilige Gabe, das reine Opfer deines Hohenpriesters Melchisedek. Nun werden bereits in neutestamentlichen Schriften Worte und Erzählungen des Alten Testaments allegorisch als Hinweise auf den Messias Christus gedeutet. Die Kirchenväter setzen diese Schriftauslegung fort. Mit dem Aufkommen einer historisch-kritischen Erschließung der biblischen Texte stößt diese Art der Schriftdeutung freilich an Grenzen, erscheint m.E. sogar fragwürdig. Sofern man diese Perikope in der Predigt behandeln will, wird das also kaum streng historisch-kritisch, sondern v.a. im Sinne einer solch erweiterten Schriftdeutung möglich sein.

Will man den Abram-Text besprechen, dann böte sich beim Predigtaspekt der Nachhaltigkeit eventuell an, die Geschichte Gottes mit den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, die sich vom Anbeginn der Schöpfung bis heute zieht und noch immer andauert. Gottes Heilsangebot ist ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit, weil seit frühester Zeit ungebrochen und von Gott auch nie aufgekündigt. Für Christinnen und Christen kulminiert es schließlich in Jesus Christus, der als Form der Verbundenheit mit ihm ein Mahl hinterlässt, symbolisiert in den Zeichen von Brot und Wein. In diesen Erinnerungsmählern, wann und wo sie auch gefeiert werden, will er selbst geistlich zugegen sein. Deutet man die Szene aus dem ersten Mosebuch nun im oben genannten, erweiterten Sinn, dann ließen sich m.E. nicht nur die Zeichen von Brot und Wein, sondern auch andere Mahlgemeinschaften in alttestamentlichen Texten als Beispiele für dieses nachhaltige Heilsangebot lesen. Gott ist anwesend, wo sich Menschen gastfreundlich begegnen und in seinem Geist versammeln.

1 Kor 11,23-26

Wenn die Paulusbriefe die ältesten Schriften des Neuen Testaments sind, dann ist diese Schilderung wohl das früheste Zeugnis der christlichen Abendmahlspraxis. Bis heute finden sich ihre Worte in der Feier des Abendmahls wieder. In seinem Brief ermahnt Paulus jedoch die Gemeinde in Korinth. Dort hatten sich längst unhaltbare Zustände eingeschlichen. Da das „Herrenmahl“ damals mit einem säkularen Mahl für alle verbunden war, hatten sich Einzelne wohl schon sattgegessen und sogar betrunken, bevor das christliche Abendmahl überhaupt begann. Andere hingegen gingen beim gemeinsamen Essen danach leer aus. Paulus erinnert nun alle daran, worum es beim christlichen Abendmahl gehen und in welchem Geist es gefeiert werden sollte.

Lässt man das damalige säkulare Gemeinschaftsmahl für alle Anwesenden beiseite, dann ist der eigentliche Kern der christlichen Abendmahlsfeier seit der Zeit der frühen Kirche nahezu unverändert geblieben. Wenn das kein Beispiel für Nachhaltigkeit ist! Darüber hinaus schafft es bei einem minimalen materiellen Aufwand eine maximale geistliche Wirkung. Eine Tischgemeinschaft, wie Jesus sie seinen Jünger:innen hinterlassen hat, gehört zu den intensivsten Formen menschlicher Gemeinschaft. Beim christlichen Abendmahl gilt das sowohl untereinander als auch mit dem auferstandenen Herrn.
Das Fronleichnamsfest wird in der katholischen Kirche auch „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“ genannt. Eine Predigt könnte hier z.B. an die Mahnung des Paulus anknüpfen, denn nachhaltig im geistlichen Sinn kann das christliche Abendmahl nur bleiben, wenn es nicht beliebig wird. Wenn es vielmehr gelingt, den tieferen spirituellen Sinn der uralten, auf Jesus selbst zurückgehenden Form durch die Zeit hindurch lebendig zu erhalten. Als von ihm gewünschte Weise der Gemeinschaft mit dem auferstanden und erhöhten Herrn. Vor allem sollte das christliche Mahl nicht als verkümmerte, rudimentäre Form eines gemeinschaftlichen Mahls gesehen und (miss)verstanden werden. Zeichenhaft wäre es deshalb wünschenswert, wenn das eucharistische Mahl – wie zur Zeit des Paulus – hin und wieder in ein frohes Gemeinschaftsmahl für alle übergehen könnte.

Lk 9, 11b-17

Jesus möchte mit seinen Jüngern allein sein. Doch die Menschen laufen ihm nach, wollen hören, was er zu sagen hat. Also spricht er zu ihnen. So kommt es zu jener Szene, die als wunderbare Brotvermehrung bekannt geworden ist.
Die Geschichte könnte für heutige Leser:innen vielleicht die Frage aufwerfen, was das letztlich ist: Ein Wunder. Den Vorgang einer wundersamen physischen Vermehrung der wenigen Brote und Fische erwähnt der Text nämlich mit keiner Silbe. Sie hätte aber kaum unbemerkt vor sich gehen können bei tausenden Menschen, die nicht nur „alle satt“ geworden sind, sondern sogar zwölf Körbe voller Brot übriglassen. Das legt den Schluss nahe, dass es Lukas hier womöglich nicht um eine fantastische Vermehrung im materiellen Sinne geht. Eher schon drängt sich die Parallele zum eucharistischen Mahl auf. Denn auch da geht es schließlich nicht um ein physisches Sattessen an Brot und Wein und trotzdem um ein Satt-Werden, um Fülle und Überfluss im geistlichen wie spirituellen Sinne.

Wenn Nachhaltigkeit den schonenden Umgang mit Ressourcen meint, dann kann ein Essen, bei dem zwölf Körbe Brot übrigbleiben, wohl kaum als nachhaltig bezeichnet werden. Es wäre wohl eher das krasse Gegenteil, ein Beispiel für Verschwendung. Wer dafür verantwortlich ist, hätte sich beim Einkauf zuvor jedenfalls gründlich verkalkuliert. Doch gerade diese verschwenderische Fülle könnte hier in den Fokus rücken. Wer zu Jesus kommt, sein Wort hört und sich davon im Herzen berühren lässt, der wird beschenkt. Nachhaltig beschenkt. Das eucharistische Abendmahl, das seit fast zwei Jahrtausenden das Erkennungszeichen der Jesus-Anhänger:innen ist, wird damit zu einem geradezu paradoxen Symbol. Nachhaltig einerseits, weil es mit einfachsten, alltäglichen Dingen wie Brot und Wein eine intensive Gemeinschaft mit dem Auferstanden herstellt. Zugleich aber auch ein Zeichen für die verschwenderische Fülle an Heil, an seelischem Satt-Werden, das denen verheißen ist, die glauben und die dieses Mahl mit offenen Herzen und Sinnen mitfeiern.

Die Frage, die sich stellt und gegebenenfalls thematisiert werden könnte, ist, ob Menschen heute wirklich noch spirituell gesättigt aus unseren kirchlichen Abendmahlsfeiern nach Hause gehen. Und wenn nicht, was fehlt und geschehen müsste, damit sie wieder zu einem Fest der nachhaltigen (spirituellen) Fülle werden können.

Martin Wolf, Mainz