Exaudi / 7. Sonntag der Osterzeit / 6. Sonntag nach Ostern
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Eph 3, 14-21 | Apg 7, 55-60 | Offb 22, 12-14.16-17.20 | Joh 17, 20-26 |
Allgemein
Am Ende der Osterzeit verändert sich die Perspektive des Glaubens: Mit der Himmelfahrt Christi tritt die unmittelbare Begegnung mit dem Auferstandenen zurück hinter seine durch den Heiligen Geist vermittelte Präsenz. Pfingsten steht vor der Tür, die Gemeinschaft der Glaubenden bildet als „Leib Christi“ in untrennbarer geistlich-weltlicher Einheit eine neue Brücke zwischen Schöpfung und Schöpfer.
Indem die Menschen neue Erkenntnismöglichkeiten über Gott gewinnen, wächst entsprechend auch ihre Verantwortung, Gottes Willen für seine Schöpfung umzusetzen. Sie werden hineingenommen in Gottes Liebe und zugleich auf diese verpflichtet. Die Kirche ist Botschafterin, aber auch schon Vorgeschmack der Neuen Schöpfung.
Eph 3, 14-21
Der Einzelne und die Menschheit stehen in einem ambivalenten Verhältnis zu Gott. Einerseits hängen sie ganz von ihm ab und sind ihm ganz unterworfen, andererseits erschließt er ihnen seine Geheimnisse wie niemandem sonst. Diese Erkenntnis führt uns zur Fülle des Gottes, also zur Fülle des Lebens. Lebensfeindliche Einstellungen und Handlungen sind mit der Fülle des Lebens und also dem Leben aus der Fülle nicht vereinbar. Diese Bestimmung gilt der gesamten Menschheit, sie ist nicht teilbar. Die Fülle des Lebens kann nicht privatisiert und anderen vorenthalten werden. Die Gemeinde muss darauf hinwirken, dass breite Teilhabe möglich ist – auf allen Erdteilen und unter Einschluss künftiger Generationen.
Apg 7, 55-60
Gott zu kennen, um seinen Willen zu wissen, kann gefährlich sein. Die Menschen verschließen nicht nur ihre Augen und Ohren für die Botschaft, sie wenden sich auch gegen die Boten. Trotzdem zu mahnen, das Risiko zu tragen und zugleich den Menschen ihre Lebensfeindlichkeit nicht negativ anzurechnen, ist Nachfolge. Wir sind alle zur Nachfolge geschickt, aber sicher nicht immerzu und zu allem bereit. Es ist wichtig, bei allem Eintreten für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung auch gnädig mit sich selbst zu sein, wo dieser Einsatz nicht so „begeistert“ erfolgt, wie er es müsste.
Offb 22, 12-14.16-17.20
Die Heilsverheißungen nutzen viele Bilder aus der Schöpfung: Vom Baum des Lebens ist die Rede, von der Wurzel, vom Morgenstern und dem Wasser des Lebens. Heil verwirklicht sich nicht außerhalb der Schöpfung, sondern indem es sie transformiert. Es ist ein Heil nicht nur für die Seelen, sondern für den ganzen Menschen und die ganze Welt. Wir sind zu diesem Heil eingeladen („Komm!)“. Das Heil ist jedem angeboten, aber es ist nicht umsonst. Wer Anteil haben will, muss seine „Kleider waschen“, ein Symbol der Umkehr und Reinigung. Die Welt wird nicht durch businessasusual verwandelt, die Transformation erfordert Veränderungsprozesse auch bei uns. Wir müssen uns von dem trennen, was uns vom Baum des Lebens trennt. Der Weg dahin führt nicht zurück durch die alten, verschlossenen Tore des Paradieses. Das Wissen um Gut und Böse kann uns nicht mehr genommen werden. Der Weg zurück zum Baum des Lebens führt durch das neue, von Gott erst jetzt und für uns geöffnete Tor. Zu ihm führt unser Weg des Glaubens, der erst uns verwandelt, damit wir die Welt verwandeln können. Das Tor ist Christus, und durch ihn gelangen wir zum Vater, wenn wir die alten Wege verlassen und uns dem Neuen öffnen.
Joh 17, 20-26
Menschen neigen dazu, sich abzugrenzen. Der Unbekannte, der Fremde, aber selbst der Nächste ist uns oft so fern. Identität erwächst aus Unterscheidung, aber Unterscheidung kann auch zur Verkrümmtheit des Menschen in sich selbst führen. Das eigene Ich wird zum Maßstab aller Dinge und aus Individualität wird lebensfeindlicher Individualismus, der nicht mehr um die Eingebettetheit des Menschen in die Menschheit und die Schöpfung weiß. Aber Christus ruft uns immer auch zusammen, denn die Gemeinschaft ist der Nährboden für Gottes Liebe. Gottesgemeinschaft ist ohne menschliche Gemeinschaft nicht zu haben. Wo die Kirche nicht „eins“ ist in der Welt, so sie in Nord und Süd und Ost und West nicht gemeinsame Interessen, sondern Eigeninteressen auf Kosten der Geschwister vertritt, steht sie dem Glauben im Weg. Wo sie Einheit zeigt und Solidarität, für einen gleichberechtigten, fairen Umgang miteinander eintritt, da wird sie selbst zur Botschaft und bringt Menschen zum Glauben, damit immer mehr dazu gehören. So, und nur so verwandelt sie die Menschheit von innen heraus.
Dr. Patrick Roger Schnabel, Berlin