2. Adventsonntag (06.12.20)

2. Adventsonntag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jak 5,7-8(9-11) Jes 40, 1-5.9-11 2 Petr 3, 8-14 Mk 1, 1-8

 

Das alte Kirchenjahr ist vorüber, ein neues hat begonnen mit der „kleinen Bußzeit“ des Advents: eine Zeit, in der wir zurücktreten, genauer hinhören und –sehen, eine Zeit, in der wir nachdenken über das Vergangene, in der wir uns neu orientieren, während wir warten auf das, was kommt. Der 2. Advent ist zugleich Nikolaustag – ein Tag, den Kinder in der Adventszeit besonders sehnlich erwarten.

Wir Erwachsenen erwarten in diesen Tagen in besonderer Weise das Kommen Jesu zur Vollendung der Welt in Herrlichkeit und bereiten uns darauf vor – wie die gesamte Christenheit seit 2000 Jahren. Allerdings: Wer von uns Mitgliedern der großen Kirchen in Deutschland glaubt und hofft darauf heute noch tatsächlich? Eher rechnen wir doch mit dem Ende der Welt wegen Klima-, Umwelt-, oder Atomkatastrophen, als mit der Wiederkunft Jesu Christi. Artensterben und Klimawandel bedrohen die Menschheit mehr denn je; der Hunger, Gewalt und Krieg in der Welt scheinen „nach Corona“ eher zuzunehmen. Denn viele, zu viele der lebensfeindlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen blieben beim Alten.

Sicher, ein paar Stellschrauben wurden gedreht zugunsten eines „Green Deal“ in Deutschland und Europa. Die globale Wirtschaftskrise bremste den Klimawandel geringfügig. Trotzdem liegt die globale CO2-Konzentration bei 415 ppm, steigt sie weiterhin um zwei bis drei ppm pro Jahr an. Eine „Gleichgewichts-Konzentration“, bei der eine globale Durchschnittstemperatur etwa zu halten wäre, läge bei 350 ppm; sie wurde bereits Mitte der 1980er Jahre überschritten. Können wir uns daher überhaupt noch leisten, Jesu Wiederkunft in aller Ruhe zu erwarten?

Andererseits: Dieses Ereignis wird über 300 Mal im Neuen Testament erwähnt, jeder 25. Vers spricht davon! Das „Ende der Welt“ mag tatsächlich Hunderte, Tausende, Millionen oder gar Milliarden Jahre entfernt liegen. Doch als Christ*innen leben wir eigentlich lebenslang schon jetzt darauf hin: mit lan-gem Atem, Tag für Tag, Stunde für Stunde – besonders bewusst eben in der Kirchenzeit des Advents.

Dieses adventliche Warten mit Geduld und langem Atem zieht sich thematisch durch alle vier Texte. Es gibt Kraft, macht Mut und weckt Hoffnung. Verstrickt in kurzfristig orientierte Gesellschafts- und Wirtschaftszusammenhänge hilft es uns immer wieder zu fragen: Wo können wir uns und unseren Lebensstil auf Christus hin neu orientieren? Wo wird das Kommen des Reichs Gottes auf Erden in unserem eigenen Leben, im Leben unserer Gemeinde, unserer Kirche schon spürbar? Wo spiegelt sich die Liebe Gottes zu seiner Schöpfung wider in unserem eigenen Reden und Tun?

Jak 5,7-8

„So seid nun geduldig…“, ermahnt im ev. Predigttext Jakobus die frühen Christengemeinden seiner Zeit, deren Hoffen auf die nahe Wiederkunft Christi enttäuscht worden war; Krankheit, Leid und Tod trifft sie weiterhin wie eh und je; sie erfahren Ausgrenzung, ja, Verachtung von Menschen, mit denen sie zuvor zusammengelebt hatten, sehen sich schikaniert von den Behörden des römischen Staates.

„Seid geduldig“, fordert Jakobus auch uns heute auf – und zwar gleich dreimal in diesem kurzen Abschnitt. Zwei griechische Begriffe stehen hier für das deutsche Wort Geduld:
1. hypomone, übersetzt „darunterbleiben, ausharren, aushalten“. Für Jahrhunderte hielt man die zur christlichen Tugend hochstilisierte Duldsamkeit für besonders fromm, jedwede Art von Leiden klag- und widerspruchslos zu ertragen. Doch der Begriff hypomone taucht oft auf, wenn Christ*innen von außen angegriffen wurden: Da hieß es, standhaft und beharrlich bleiben, ohne aufzugeben. Diese Art von Geduld ist wie eine Lebensenergie; sie fördert das Leben, Wachstum und Reife! Sie findet einen Weg in der Ausweglosigkeit, verliert nie die Hoffnung.
2. makrothymia, übersetzt: „große Leidenschaft; Fähigkeit, Zorn und Erregung aus- und aufzuhalten, leidenschaftliches Ausharren, Erwartung mit langem Atem und weitem Herz“.
Es geht Jakobus ums Durchhalten, wenn es schwierig wird – und das so aktiv wie möglich. Bei allem Leid hat das die Perspektive einer „überwindenden Standhaftigkeit“, bis sich eine gute Lösung ergibt.

Jakobus‘ Geduld meint keineswegs untätige Duldsamkeit, sondern hoffnungsvolles Tun während wir warten. Er nimmt dafür das Bild vom Bauern auf, der nach der Aussaat nun Regen, Sonne und Wachstum abwartet, bis die Zeit der Ernte gekommen ist. Auch der Bauer tut etwas dazu: Er streut den Samen, lockert und düngt vielleicht zuvor den Acker, entfernt dann immer wieder das Unkraut. Doch das Wichtigste kann der Bauer nicht steuern, es ist gottgegeben: Regen und Sonne im rechten Maß zur rechten Zeit, damit sich die Frucht ausbildet und reif wird, und nicht zuletzt die Kraft zu wachsen. Eine reiche Ernte ist Gabe und Geschenk Gottes; sie steht nicht in der Macht des Landwirts.

„Das Kommen des Herrn ist nahe!“, das gilt für uns jetzt, in diesem Moment. Wenn wir uns im Advent auf das Kommen Christi wirklich vorbereiten, kann das eine sehr arbeitsame Zeit werden, in der wir unsere Äcker pflügen und dabei auf Gott, auf Jesus schauen. Denn wir „müssen“ dabei nicht alles gleichzeitig und alleine schaffen, und unvollkommene, gar unerledigte Dinge gibt es immer. Dem können wir mit einem „gestärkten Herz“ begegnen, das aus innerer Freiheit und Geduld erwächst.

Jes 40, 1-5.9-11

Aus wieder ganz anderer Situation heraus kündigt diese AT-Perikope das Kommen des Messias an – und wurde christlich aufgenommen und umgedeutet als einer der „klassischen“ Texte der Adventszeit. Mit unserem Adventskranz tragen wir Licht ins Dunkel der Welt, um die Ankunft des Herrn und die damit verbundene Neuordnung am Ende der Zeiten vorzubereiten, in der Täler erhöht, Berge und Hügel erniedrigt werden; doch das Wort unseres Gottes bleibt ewig. Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, denn wie ein guter Hirte wird er uns fürsorglich führen, begleiten und tragen.

Und wie bereiten wir dem Herrn in diesen Tagen den Weg? Was tun wir, um ihn bei uns, in unsere Herzen einziehen zu lassen – so, dass er auch bleiben möchte? Vielleicht beginnen wir den Tag mit einem Morgenritual und beenden ihn mit positiven Gedanken an dazu, wofür wir dankbar sind. Ein guter Adventskalender, ein morgendliches, ein abendliches Innehalten vor einer Adventskerze: Damit kann man auch am zweiten Advent noch anfangen! „Lieber ein kleines Licht anzünden, als auf die Dunkelheit schimpfen.“ Man staunt immer wieder, wie hell eine Adventskerze sein kann!

2 Petr 3, 8-14

Auch hier geht es um die noch nicht erfüllte Wiederkunft Jesu Christi, das Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dieser Text ruft dabei explizit zu Buße, zu Besinnung und Umkehr auf. Ein neuer Aspekt und eine neue Perspektive eröffnet sich, wenn wir uns klar machen, dass es Gott es ist, der dabei Geduld mit uns hat: Die Geduld ist von ihrem Ursprung her eine göttliche Eigenschaft!

Das lässt manches in einem anderen Licht erscheinen. Wie oft frage ich mich, wie lange Gott es denn noch aushält mit uns, mit dieser Welt, die sich immer und immer wieder von ihm abwendet, sich immer wieder gegen das Leben wendet? Warum greift er nicht ein? Wie lange will er denn noch warten? Reicht seine „anoche“ (griech.), sein langer Atem denn ewig? Mir geht da manchmal die Puste aus!

Die Antwort des Petrusbriefs ist: Ja, Gott ist geduldig und langmütig „auf ewig“. Bis heute haben wir es mit diesem geduldigen Gott zu tun. Darum können auch wir miteinander beharrlich Geduld einüben. Energisches Auftreten, ein Machtwort oder mit der Faust auf den Tisch hauen hilft eher nicht weiter. Es herrscht zugleich eine „Gnadenzeit“, wie es an anderer Stelle heißt: Eine Zeit, in der Veränderung, in der Umkehr möglich ist: Gott wartet damit auf uns, seine Arme sind weit ausgebreitet, er hat alles gegeben. Nun ist es an uns, in den Kontakt mit diesem Gott der Liebe und der Geduld zu treten. Gott sei Dank für seine Geduld, die er mit uns hat, die wir uns antreiben lassen von der Hektik des Alltags und der Fülle der Aufgaben. Gott sieht uns dennoch geduldig und gnädig an in unserer Ungeduld.

Diese Geduld als Gotteseigenschaft spiegelt sich wider seiner Liebe zu seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen. Seine Geduld lässt ihn immer und immer wieder auf uns zugehen, und wenn wir ihr begegnen und uns dieser göttlichen Quelle von Geduld öffnen, prägt das auch unser Leben: Die göttliche Fähigkeit, warten zu können und geduldig zu sein, hat mit diesem geduldigen Gott zu tun.

Mk 1, 1-8

Mitten in der „kleinen Fastenzeit“ des Advents nimmt der Beginn des Markusevangeliums schließlich die Ankündigung der nahen Ankunft Jesu Christi und seines baldigen Wirkens auf der Welt durch Johannes den Täufer in den Blick.

Der Asket in der Wüste Johannes zeigt uns, wie ein prophetisches Warten aussehen kann: Predigt von Taufe, Buße und Vergebung der Sünden von einem Mann, der sein Leben ganz auf dieses Kommen ausrichtet, mit minimalem „ökologischen Fußabdruck“: Gekleidet mit einem lederumgürteten Kamelhaargewand, umgürtet mit einem Ledergürtel, zu essen nur Heuschrecken und Honig. Im Angesicht von weihnachtlichen Geschenkeschlachten stellt er quasi ein Gegenprogramm auf und führt uns vor Augen, wie wenig es zum Leben braucht. So können auch wir uns fragen: Wieviel ist genug?

Christina Mertens, München

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