2. Sonntag nach Epiphanias / 2. Sonntag im Jahreskreis (15.01.23)

2. Sonntag nach Ephiphanias / 2. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
2 Mose 33, 18-23 Jes 49, 3.5-6 1 Kor 1, 1-3 Joh 1, 29-34

Die Herrlichkeit Gottes sehen

Die Epiphaniaszeit ist geprägt von der Freude über die Erscheinung des Herrn. In den Texten des heutigen Sonntags kommt dies im Evangelium der römisch-katholischen Leseordnung zum Ausdruck: das Zeugnis des Täufers über Jesus. Die beiden weiteren Texte der römisch-katholischen Leseordnung führen vor Augen, wie Menschen von Gott in den Dienst genommen werden (der Gottesknecht in Jes 49 und Paulus bzw. die Gemeinde in 1. Kor 1). Unmittelbare Bezüge zu Nachhaltigkeits-Themen sind damit in keinem dieser drei Texte gegeben. Mittelbar kann zumindest bei den beiden letztgenannten Texten ein Bezug hergestellt werden, indem die Predigerin, der Prediger darüber nachdenken, was dieses Leben als Geheiligte bzw. Knechte Gottes heute bedeutet.

Auch der Predigttext der protestantischen Leseordnung, Ex 33,18-23, lässt auf den ersten Blick nicht unbedingt einen Nachhaltigkeitsbezug erkennen: Mose will die Herrlichkeit Gottes sehen. Diesem Wunsch nach einer direkten Gottesbegegnung erteilt Gott jedoch eine Absage: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen. Denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben." (V. 20) Gleichwohl erfährt Mose aber die Nähe Gottes, indem dieser ihn in eine Felsspalte stellt und an ihm vorübergeht, während er das Gesicht des Mose verdeckt. In der Einleitung der Perikope wird dieser Akt so beschrieben: „Ich will meine Güte an dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen." (V. 19).

Die Perikope betont damit einerseits die Unverfügbarkeit Gottes, macht aber andererseits deutlich, dass Nähe und Güte Gottes immer wieder erfahrbar werden. Die multiplen Krisen der Gegenwart führen bei vielen Menschen zu einer Zukunftsangst, die bei gläubigen Menschen entweder eine dem Mose ähnliche Sehnsucht nach direkter Gottesbegegnung und Gottesgewissheit hervorruft oder sie an der Nähe und den Verheißungen Gottes zweifeln lässt.

Die Predigt kann daher der Frage nachgehen, wo wir inmitten aller Unsicherheiten und Zukunftsängste die Nähe und Güte Gottes erfahren können. Dabei lohnt sich ein Rückgriff auf das Liedgut der Erweckung und des Pietismus, das sich im Evangelischen Gesangbuch in der Rubrik „Natur und Jahreszeiten" findet. In den Schöpfungsliedern von Joachim Neander, Christian Fürchtegott Gellert oder Philipp Spitta werden die Pflanzen und Tiere, Sonne, Mond und Winde nämlich zum Spiegel der Herrlichkeit Gottes. „Freuet euch der schönen Erde", dichtet Spitta (EG 510) und sieht alle Kreaturen, Sonne, Mond und Sterne als Schmuck auf Gottes glänzendem Gewand, die uns damit eine Ahnung von der Herrlichkeit Gottes vermitteln. Für Gellert werden selbst die Würmer der Erde Anlass zum Lobpreis des Schöpfergottes, der alles so wohl geordnet hat und mit Leben erfüllt (EG 506). Ganz ähnlich bei Neander, der in der Vielfalt der Geschöpfe die Herrlichkeit Gottes erkennt (EG 504).

Bemerkenswert ist, dass diese Schöpfungslieder mitunter in deutlichem Gegensatz stehen zu der Lebenswirklichkeit stehen, die ihre Dichter erleben: Gellert etwas singt von der wohlgeordneten Welt Gottes in einer vom Krieg geprägten Zeit, in der ganze Landstriche verwüstet liegen, er selbst mehrfach vor Kriegshandlungen fliehen muss und Menschen in seinem direkten Umfeld in sinnlosem Gemetzel sterben. Der sensible Dichter steht angesichts dieser Realität wohl öfter selbst am Rande der Depression und wird zum überzeugten Pazifisten. In seinen Liedern singt er gegen diese bedrückende Realität an – und entdeckt gerade in der Vielfalt der Geschöpfe die Güte des Schöpfergottes.

In der Vielfalt der Geschöpfe die Herrlichkeit und Güte Gottes zu erkennen und mit diesen Geschöpfen das Loblied des Schöpfers zu singen, das kann in Zeiten der Unsicherheit und Ungewissheit zum Kraftquell für Veränderung werden. Vergewisserung, dass Gott uns (noch) nahe ist, auch in unsicheren Zeiten. Und zugleich Einübung in einen achtsamen Umgang mit der Vielfalt der Geschöpfe, die Gott so wunderbar geschaffen hat und in denen seine Herrlichkeit sich spiegelt

Dr. Wolfgang Schürger, München