2. Sonntag nach Trinitatis / 10. Sonntag im Jahreskreis (9.6.13)

610 400

2. Sonntag nach Trinitatis / 10. Sonntag im Jahreskreis

 

ev. Predigttext kath. 1.Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jes 55, 1-3b(3c-5) 1 Kön 17, 17-24 Gal 1, 11-19 Lk 7, 11-17

 

Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD Reihe sowie den Text der 1. Lesung. Thematisch geht es um die Frage: Was gibt dem Leben Sinn und Erfüllung über die Befriedigung von Grundbedürfnissen hinaus? Ferner wird das in Erscheinung tretende zwiespältige Gottesbild angesprochen, mit dem die für Gerechtigkeit Engagierten unlösbaren Spannungen ausgesetzt sind. Die über Israel als Strafe verhängte Dürre zwingt zum Nachdenken über die heute von Menschen verursachten Faktoren, die Dürre mit schlimmen Folgen erzeugen.

Exegetische Anmerkungen und Anregungen zur Auslegung

Jes 55, 1-3b - Es geht um ein Leben in Fülle.

A: Einfühlsam versetzt sich der Prophet in die Lage der deprimierten Deportierten. Er will sie, die glauben abgeschrieben zu sein, aufrichten und ihnen für eine tragfähige Zukunft Hoffnung machen. Das beginnt damit, dass dem hungernden und mittellosen Volk die Gewährung elementarer Lebensmittel zugesprochen wird. Marktschreierisch und dringlich werden sie eingeladen, sich mit Lebensnotwendigem wie Brot und Wasser gratis zu versorgen. Mehr noch, das Angebot stellt auch mit Milch und Wein ein Leben in Fülle vor Augen. Die Verheißung umfasst nicht nur die Rettung aus Babylon und die Heimkehr, sondern Leben in der Fülle von Gottes Segen. Es erschöpft sich nicht in der Zusage, das leibliche Wohl reichlich zu sichern. Erfülltes Leben, so der leidenschaftliche Appell des Propheten, ist nur zu haben, wenn sie sich für Gottes Wort öffnen und es sich zu Herzen nehmen (V. 3a). Andernfalls (V.2) verfallen sie dem Trugbild, sie könnten sich mit Geld Lebensmittel verschaffen, die nicht nähren und die Seele veröden lassen (vgl. Mt 16,26). Glück ist letztendlich nicht käuflich. Verlässlich ist allein Gottes unverbrüchliche Zusage, an seinem Bund mit dem Volk festzuhalten. Die Perspektiven von Heil und Segen für das Volk haben sich im Unterschied zu den Vorstellungen der zurückliegenden Zeit entscheidend verändert. Nicht mehr Wachstum und Siege über die Feinde sind erstrebenswerte Ziele für das Volk, sondern dass ferne Völker sich Israel wegen seines Heil bringenden Gottes anschließen wollen (V. 4).

B: "Ein leerer Bauch hat keine Ohren."
610 400In den paar Versen wird eine Kernfrage der biblischen Botschaft auf den Punkt gebracht. Sie wird exemplifiziert an der Lage des Volkes, das sich in einem desolaten Zustand befindet, aber ohne eine zukunftsfähige Perspektive kein Licht am Ende des Tunnels sehen kann. Die Frage ist: Was gibt dem Leben einen sinnvollen Ausblick und Chancen von Erfüllung? Der Prophet setzt dort an, was Menschen in ihrer geschöpflichen Bedürftigkeit zuerst benötigen: Grundlegende Lebensmittel und obendrein vielleicht Aussicht auf ein Zubrot über das Lebensnotwendigste hinaus. Ein Sprichwort, das es mit fast gleichlautenden Worten in verschiedenen Ländern gibt, lautet: „Ein leerer Bauch hat keine Ohren". Erst wenn die reale Hoffnung besteht, dass die Grundbedürfnisse gesichert sind, wird sich Herz und Sinne dem Geber der Gaben mit Lob und Dank ganz zuwenden können. Billige Vertröstungen und leere Versprechen, ob von irdischen Gütern, ob von Krankenheilung und/oder einem seligen Jenseits, sind oft genug in Geschichte und Gegenwart der Christenheit als Mittel zum Zweck benutzt worden. Zugleich wird jene Sinnes- und Lebensart entzaubert, die darauf setzt, dass der Mensch allein vom Brot lebt (vgl. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein,...5.Mose 8,3; Mt 4,4), inklusive von allem, was sich an materiellen Gütern zu selbstsüchtigem Gebrauch auftürmt. Der Befreiungstheologe Milton Schwantes sagte zu der Bedeutung der Bibel, wie sie in Gemeinden und Volksgruppen in Brasilien gesehen wird: „Die Bibel stärkt uns wie ein Stück Brot. Sie stärkt für den Kampf um ein Stück Land... Nicht die Taufe, nicht die anderen Sakramente, nicht all die normale Kirchlichkeit bewirken, was die Bibel vermag: Sie schärft das Gewissen auf unseren Beitrag gegen die Unterdrückung hin."

909 400Die Botschaft von Jes 55,1-3b ist auf einer Linie zu sehen mit dem Wort des johanneischen Jesus, der von seiner Mission sagt: „ Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben." Mit „Fülle" ist nicht nur alles das gemeint, was für eine menschenwürdige Lebenshaltung erforderlich ist. Das erschöpft sich nicht mit Wasser und Brot, Wein und Milch, oder wie es immer noch geschieht mit der Angabe des Bruttosozialprodukts pro Kopf. Da werden neuerdings weitergehende Indikatoren für menschengerechte Bedingungen zugrunde gelegt (z.B. Ernährung, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Trinkwasser und Bildung, Vorhandensein von sanitären Einrichtungen und Elektrizität).
Im dritten Teil des Jesajabuches wird in Jes 58, 6ff (vgl. Mt 25, 31ff) sehr konkret ausgesprochen, von welcher Art heilbringendes Handeln zu sein hat.

Hinter der Protestbewegung „occupy" steht doch auch die fundamentale Kritik an einem Wirtschafts- und Finanzsystem, das sich einer schamlosen Bereicherung und Gewinnmaximierung verschrieben hat, ohne Rücksicht auf diejenigen, die dabei auf der Strecke bleiben. Ein Beispiel hierfür ist die Spekulation mit Nahrungsmitteln, an denen sich auch deutsche Finanzinstitute noch immer beteiligen.

(zum Bild: „Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe achtsamer, fürsorglicher Bürger die Welt verändern kann; tatsächlich ist es schon immer das Einzige gewesen. -  Margaret Mead")

1. Könige 17, 17-24 - Gott Jahwe gegen Baal – zu Lasten von vielen

A: Das Auftreten des Elija geschieht in einer Zeit der akuten Bedrohung des Jahwekultes. Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Gott Baal und um die erneuernde Umkehr des Volkes zu Jahwe im Nordreich. Elija soll als Gottesbote Baal und seinen Anhängern den Kampf ansagen. Königin Isebel fördert den in Phönizien bestimmenden Baalsdienst am Hofe. In der städtischen Oberschicht wird Baal, der als Spender des Lebens das Land mit Regen und Fruchtbarkeit zu segnen verheißt, verehrt. Elija muss König Ahab ausrichten, dass der Regen ausbleiben wird, was der Ankündigung einer Katastrophe gleichkommt. Denn die Dürre wird nicht nur das Königshaus und die Elite, sondern das ganze Volk, insbesondere die Ärmsten treffen. Hunger und Elend werden die Folge sein. Die Preissteigerungen der dann knapp vorhandenen Lebensmittel sind für die nicht Privilegierten unbezahlbar. Trotz der landesweiten Plage durch die Dürre, versorgt Gott seinen Propheten (17,1ff). Elija wird ins Ausland nach Phönizien geschickt (V.9ff), dem Stammland des Himmelsgottes Baal. Auf dem Spiel steht, welcher Gott sich als der Stärkere erweisen wird. Die Botschaft des Elija lautet: Gott allein verschafft dem Land Regen und Leben, und zwar nicht nur in Israel, sondern auch bei den Menschen anderer Völker.
Die Erzählungen von der Bereitstellung von Mehl und Öl (die wichtigsten Grundnahrungsmittel, deren Erzeugung durch die Dürre verhindert wird) bei der Witwe sowie die Rettung ihres Sohnes, sind Beispiele für das lebenserhaltende Handeln Gottes. Jahwe besorgt Nahrung und Leben trotz Dürre und Elend und zeigt sich als Gott, der stärker ist als Baal und der Todesgott Mot.

B: Einem zwiespältigen Gottesbild eindeutig begegnen
Das in den Erzählungen vorgestellte Gottesbild ist zwiespältig und spannungsvoll. Einerseits bewirkt die wegen Isebels und Ahabs Verhalten verhängte Strafe Hunger und Not vieler Menschen. Andererseits zeigt sich Gott voller Fürsorge und als Lebensspender für einzelne. Mit dieser Spannung ist das Engagement für eine gerechtere, friedliche und schöpfungsverträgliche Welt immer wieder konfrontiert. Hilfsmaßnahmen, strukturelle Veränderungen für eine grundlegende Verbesserung der Lage benachteiligter Gruppen, erreichen oft nur einen Teil, während andere Teile unberücksichtigt bleiben (z.B. wegen Missmanagement, Korruption, Ressourcenknappheit, Verteilungsproblemen, Bevorzugung oder Vernachlässigung von Minderheiten.) Das ist für Christen/Christinnen, und nicht nur für sie, die sich nicht selten unter schwierigen und manchmal bedrohlichen Bedingungen für die Unterprivilegierten einsetzen und sich dabei in ihrem Glauben an den Gott des Lebens halten, schwer hinzunehmen.

9 400Mit dem Stichwort „Dürre" soll auf zwei Problemfelder hingewiesen werden:
1. Die vor allem in den südlichen Regionen unserer Erde spürbar werdende und zunehmende Wasserknappheit wird (nicht nur) durch die Klimaveränderung verursacht. Sie zeigt sich durch geringere oder unregelmäßig erfolgende Niederschläge mit der Folge von Dürre, Hunger, Armut, Landflucht. Es ist eine Binsenwahrheit, dass die Produktions- und Lebensweise eines Teils der Welt, zu dem wir gehören, mit der unmäßigen Produktion von Treibhausgasen der Hauptverursacher dieser Entwicklung ist.

2. Die begrenzt verfügbaren Süßwasserressourcen, die außer durch den Klimawandel unter anderem durch die wachsende Weltbevölkerung immer knapper werden, sind zusätzlich beansprucht durch den Verbrauch von sog. virtuellem Wasser. D.h. Produkte mit hohem Wassereinsatz werden zum Teil in Ländern mit einem erheblichen Wassermangel erzeugt. Das gilt z.B. für Kaffee, Tee, Kakao. Für die Herstellung von Kaffee für eine Tasse werden 280 l Wasser benötigt. Deutschland, das keinen Wassermangel kennt, gehört zu den 10 größten Importeuren von virtuellem Wasser.

Gerhard Fritz, Landau