Buß- und Bettag (20.11.19)

Buß- und Bettag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Röm 2, 1-11 Offb 4, 1-11 Lk 19, 11-28

Der Buß- und Bettag

Seit seiner Streichung als arbeitsfreier Feiertag 1995 in allen Bundesländern außer in Sachsen, ist der Buß- und Bettag auf dem besten Weg, langsam in Vergessenheit zu geraten. Diese Entwicklung scheint noch dadurch verstärkt zu werden, dass das Thema „Buße“ tun im allgemeinen Sprachgebrauch mit „bestraft werden“ assoziiert wird, z.B. „ein Bußgeld zahlen müssen“.

Theologisch meint Buße vor allem die Bereitschaft, aus seinen Fehlern zu lernen, umzukehren, etwas künftig grundsätzlich anders zu machen. Triebfeder dieser Umkehr ist dabei die Einsicht in das eigene Fehlverhalten und ehrliche, aufrichtige Reue. Es geht nicht um eine „von oben“, von der Kirche oder vom Staat verordnete oder gar erzwungene Verhaltensänderung.

In Deutschland beschließt jedes Jahr die ökumenische Friedensdekade mit dem Buß- und Bettag. Wer das Ziel eines weltweiten friedvollen Miteinanders anstrebt, muss auch die Voraussetzungen eines solchen Friedens reflektieren, bzw. die Faktoren kennen und benennen, an denen solche Friedensprozesse immer wieder scheitern. Diese Faktoren zu thematisieren und sich dabei selbst als Mittäter zu identifizieren und Gott dafür um Vergebung zu bitten, ist einer der Kernpunkte des Buß- und Bettages.


Römer 2 / 1 – 11

„Ich entschuldige mich“ - diese Redewendung hat sich so sehr eingebürgert, dass die Unsinnigkeit dieser Aussage kaum noch jemandem auffällt. „Sich selbst entschuldigen“ würde als selbstreflexiver Vorgang ja bedeuten, dass es gar kein Gegenüber mehr bräuchte für diese Entschuldung. Der Mensch wird damit Richter und Angeklagter in einer Person, ähnlich wie in Dürrenmatts Theaterstück vom zerbrochenen Krug. Das Opfer der ursprünglichen Tat wird durch den Vorgang des „sich (selbst) Entschuldigens“ erneut in die Passivität gedrängt. Es musste erst die Tat erdulden, die eine Entschuldigung nötig machte und soll nun erneut passiv erdulden, dass der Täter noch immer die Zügel fest in seinen Händen hält und die Gewährung der Entschuldigung dadurch vorwegnimmt, dass er sie sich selbst zuspricht.

Entschuldigung ist nichts, was man selbst aktiv für sich erwirken kann, um Entschuldigung kann man nur bitten, denn die Vergebung muss vom anderen gewährt werden. Entschuldigung ist somit etwas unverfügbares, etwas, was sich dem aktiven Zugriff der Täter entzieht.

Hier zeigt sich sprachlich ein Umgang mit Opfern, der bis in internationale Konflikte hinein zu beobachten ist. Selbst in Versöhnungsprozessen geht es oft genug vor allem darum, das Heft des Handelns nicht preiszugeben. Echte Versöhnung kann so nicht gelingen, sondern höchstens ein erzwungener, verordneter Friede erreicht werden. Nachhaltig ist ein solcher Friede nicht, denn die Wunden der Demütigungen bleiben in einem solchen Frieden stets offen oder werden sogar noch vertieft.

Die Darstellung der katholischen Texte beschränkt sich auf den Evangelientext, da die Lesung keine Nachhaltigkeitselemente beinhaltet.


Lukas 19 / 11 – 28

Auf den ersten Blick scheint dieses Gleichnis der modernen Wachstumsideologie des Kapitalismus recht zu geben. Belohnt wird der Knecht, der seinen Anteil vermehrt und die Belohnung fällt umso höher aus, je höher die Rendite ist. Der Knecht, der seinen Anteil nur verwaltet, geht am Ende leer aus. Der kapitalistische Anschein wird jedoch etwas gemildert, wenn man das Gleichnis überträgt.

Der Edelmann, der hier in die Fremde ziehen wird, um sein Königtum zu erhalten ist Jesus selbst - übrigens handelt es sich im Gleichnis wohl um eine Anspielung auf Herodes Archelaos, der 4 v. Chr. nach Rom ging, um von Kaiser Augustus den Königstitel zu erhalten und dem zeitgleich eine Delegation aus Galiläa nach Rom folgte, um dies zu verhindern.

Nach seiner Rückkehr bewertet der König nun scheinbar vor allem den Gewinn. Das anvertraute Vermögen war allerdings auch nach damaligen Maßstäben eine verhältnismäßig kleine Summe, so dass den damaligen Hörer wohl klar war, dass nicht die Höhe des Gewinns die eigentliche Pointe des Gleichnisses darstellt, sondern dass der Schwerpunkt auf der Treue liegt. Die ersten beiden Knechte wurden belohnt, weil sie es für Wert erachtet haben, trotz der geringen Summer, die ihnen anvertraut wurde, sorgsam und verantwortungsvoll damit umzugehen. Es geht Jesus um die Leidenschaft und das Engagement der Knechte und nicht um geschickte Vermögensverwaltung.

Der Text enthält durchaus auch einen Nachhaltigkeitsaspekt, auch wenn dieser nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Wir haben die Wahl, auch mit dem Wenigen, was uns zur Verfügung steht, mutig zu handeln und das Beste daraus zu machen oder aber wie der letzte Knecht aus Angst vor dem Scheitern von unseren geringen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

Bei Nachhaltigkeitsthemen, egal ob es sich um ökologische Fragen oder um Aspekte der Gerechtigkeit oder um Friedensthemen handelt, stellt sich immer die Frage, ob unser individuelles Handeln nicht viel zu unbedeutend ist, um überhaupt einen Unterschied machen zu können. Das Verhalten des letzten Knechtes spiegelt diese angstvoll resignative Haltung wieder, durch die in vielen Problemfeldern alles beim Alten bleibt, weil sie die Welt in einer Art globalem Mikadospiel gefangen hält: Wer sich zuerst bewegt, verliert.

Dirk Reschke, Hornbach