21.o4.25 – Ostermontag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Jes 25, 6-9 Apg 2, 14.22-33 1 Kor 15, 1-8.11 Lk 24, 13-35 oder
Mt 28, 8-15

Evangelisch: Jesaja 25, 6-9

Exegetische Bemerkungen:

Die Perikope gehört innerhalb des ersten Teils des Jesaja (Kap 1-39) zur sog. Jesaja-Apokalypse (Kap. 24-27). Sie beschreibt die Vorstellung, dass das Volk Israel zunächst durch das Gericht durchmuss und auch von dem sich anschließenden Völker- und Weltgericht betroffen ist, bevor es das endgültige Heil erfährt. Der Abschnitt für die Predigt beinhält eine Zukunftsvision, die nach dem erfolgten Gericht Gottes die ganze Erde betrifft. Nach der Zerstörung gibt es Hoffnung, Trost und ein Aufgerichtet-werden.

Gott wird alle gottfeindlichen Mächte entmachten, anschließend selber die Herrschaft auf dem Zion antreten und dabei alle Trauer beenden, den Tod vernichten und die Toten selbst zu neuem Leben erwecken. Vermutlich ist die Auferweckung der Toten entstehungsgeschichtlich der jüngste Teil der Perikope (evtl. exilischen Ursprungs). Wichtig ist den Schreibern des Jesajabuchs, dass sämtliche Mächte im Himmel und auf der Erde sowie der Tod entmachtet sind, damit Gottes heilvolle Königsherrschaft keine Grenzen findet und kein Ende nimmt. Der Zion ist der Mittelpunkt der Welt. Dort wohnt der König, der heilige Israels; dorthin sollen die Völker kommen, um von dort aus Gottes Weisung zu erhalten. Wie kann Gott in dieser Welt offenbar sein? Aus der Völkerwallfahrt zum Zion ist für die Christen die zu den Völkern gehende Mission, aus dem angekündigten Messias der gekreuzigte und auferstandene Jesus Christus geworden, an dessen Leben der teilhat, der sein Vertrauen ganz auf Gott setzt.

Niko ter Linden überträgt dies Bild sehr feinsinnig: „Auf diesem Berg nimmt er den Schleier weg, der alle Nationen verschleiert, die Decke, die alle Menschenkinder bedeckt und sie einander zu Fremden macht“ (in: Nico ter Linden, Es wird erzählt, Band 4, S. 40). Nicht länger sehen sie in Rätseln, sondern von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12). Verfasser der neutestamentlichen Schriften beziehen sich auf alttestamentliche Bilder und Vorstellungen.

Was ist die Schmach des Volkes/die der Menschheit? Das Verb „schmachten“ hat im Deutschen den Bezug zu „hungern, dürsten, sehnen“. Damit ist ein wortspielerischer Bezug zu diesem Danklied mit dem fetten Mahl und den reinen, geklärten Weinen möglich. Die Schmach aufzuheben (konkret jemanden sättigen) = Demütigungen/Entehrungen haben ein Ende (konkret: Hunger wird durch Essen gestillt).

 

Nachhaltigkeitsaspekte:

Der Bibeltext weist Bezüge zum Nachhaltigkeitsziel Zwei der Vereinten Nationen (keinen Hunger) sowie zu Drei (Gesundheit und Wohlergehen) auf. Ein Rundum-Sorglos-Paket klingt in Jesaja an.

Artikel 1 Grundgesetz („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) klingt an, indem – nach Schilderung des Jesajatextes – die Demütigungen („Schmach“) weggenommen, Würde also wiederhergestellt wird.

 

Predigtbruchstücke

Liebe Gemeinde,

als Martin Luther King Junior seine berühmte Rede „I have a dream“ sprach, dachte er sehr wahrscheinlich nicht an Ostern. War damals ja auch Ende August (1963). Aber seine Rede „I have a dream“ und Ostern haben manches gemeinsam. Und davon erzählt der heutige Bibeltext. Es geht um etwas, das zukünftig sein wird. Bei Martin Luther King war es das selbstverständliche Miteinander von Menschen unterschiedlicher Hautfarben und Herkünften. King setzte sich für die Überwindung von Rassismus, für gewerkschaftliche Rechte und für die Beendigung des Vietnamkriegs ein. Ich habe einen Traum, dass eines Tages – und dann zählt er auf, was mal sein soll und wovon er träumt: „I have a dream“ - Mit dieser Formulierung knüpft Martin Luther King an die Vorstellung des US-amerikanischen Traums an. Rhetorisch geschickt, denn mit der Vorstellung des US-amerikanischen Traums waren alle seine Zuhörer sehr vertraut und konnten ihm gut folgen. Was aus Kings Rede schon wahrgeworden ist, ist das Ende des Vietnamkriegs und die wenigstens in den Rechtstexten festgeschriebene Gleichheit von Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben. ….

Doch zurück zum Bibeltext. Für die Zuhörer von Jesaja damals waren das traumhafte Zustände, die der Prophet vorstellt: ein fettes Mahl, dazu alte, gut geklärte Weine. Zugegeben: Ein fettes Mahl klingt für uns heute eher alptraumhaft, aber in einer Weltgegend, in der tierische Fette sehr selten gegessen wurden, einfach, weil es unbezahlbar war, war der Verzehr von Fleisch und Fett ein Festmahl. Ich sage „war“ – dabei ist das für die Mehrheit der Weltbevölkerung heute auch noch so. Fleisch, Fett und Wein gibt es nur für die Reichen in dieser Welt reichlich und täglich. Die Vision des Propheten beschreibt, dass es genug, ja mehr als genug zu essen für alle Völker geben wird. Alle Menschen auf der Welt werden bei Gott satt.

Doch nicht nur Essen und Trinken hält Gott für das Volk bereit. Er kümmert sich auch um das Seelenheil auf zweifache Weise: A) Tod wird durch Auferstehung überwunden, Leiden wird überwunden B) Demütigungen beendet. Die Decke aufdecken bedeutet: Was wir jetzt noch nicht wissen, werden wir dann wissen. Manche werden sich an einen Text erinnern, den wir ab und zu bei Beerdigungen lesen. Er steht im 1. Korintherbrief Kapitel 13 und lautet: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ Jetzt sehen wir nur das, was vor Augen ist. Unser Horizont ist mit dem Tod zuende. Aber Gottes Horizont reicht weiter. Das feiern wir mit Ostern. Jesus Christus ist auferstanden von den Toten und damit haben wir eine Ahnung davon, dass Gottes Horizont und Möglichkeiten über den Tod hinausgehen. Das gilt aber nicht nur für das, was nach dem Tod kommt, sondern auch schon für das Hier und Jetzt.

Martin Luther King war Pastor einer baptistischen Kirche. Er glaubte an den weiteren Horizont Gottes. In seiner „Traum-Rede“ stellte er vor, was für ihn schon für das Leben im Jetzt und Hier dazugehört.

Anders als die Rede von Martin Luther King ist das, was Jesaja schildert, aber kein Traum, sondern eine starke Vision der Hoffnung. Dabei konnte Jesaja noch nichts von Jesus Christus wissen. Die Zukunft liegt in Gottes Hand und alle Zerstörungen und Ungerechtigkeiten, unter denen wir jetzt leiden, können Gottes Zukunft für diese Welt nicht außer Kraft setzen. Dabei ist diese Vision der Hoffnung nicht nur ein schönes Bild, sondern zugleich ein kräftiger Motor und eine starke Motivation schon jetzt an den notwendigen Veränderungen zu arbeiten. So wie Martin Luther Kings Traum nicht graue Theorie geblieben ist, sondern Menschen zum konkreten Tun bewegt haben (Abschaffung der Rassengesetze etc.), so dürfen wir uns von den starken Hoffnungsbildern des Jesaja anstecken lassen.

Und was hat das mit Ostern zu tun? Das griechische Wort für "Ostern" bedeutet auch "Aufbruch - wir wollen uns anstecken lassen zu kleinen und großen Aufbrüchen, Aufbrüchen zum Leben. "You can never be too dead for resurrection" steht als Graffiti an einer Hauswand in Glasgow: "Du kannst nie zu tot sein für Auferstehung".[1] Das ist Ostern in Kurzform. Dafür können wir Gott heute ein Danklied singen.

 

Römisch-katholisch: Matthäus 28, 8-15

Exegetische Bemerkungen:

Die Frauen sind am Grab, die Wächter in Ohnmacht gefallen und der Engel bittet die Frauen, den Jüngern die Auferstehung mitzuteilen sowie diese aufzufordern, nach Galiläa zu gehen. Die Textstelle setzt ein, als die Frauen unmittelbar das tun, was der Engel ihnen aufgetragen hat: Sie gehen los, um die Jünger zu benachrichtigen. Dabei begegnen sie dem Auferstandenen selber. Christus wiederholt den Auftrag und verstärkt so dessen Wichtigkeit.

Interessant, dass die Wachmannschaft nicht sofort zu ihren Vorgesetzten geht (sie waren von Pilatus dorthin befohlen worden) sondern zu den Hohenpriestern (die zwar Pilatus um die Bewachung ersuchten, aber den Wachen gegenüber nicht weisungsbefugt waren). Schwer zu verstehen ist, wie die Soldaten gemerkt haben sollen, dass die Jünger den Leichnam stahlen, wenn die Soldaten doch fest schliefen. Also, woher konnten die Soldaten wissen, dass es die Jünger und nicht andere Personen gewesen waren? Ebenfalls schwer nachvollziehbar: Wenn die Soldaten ihren militärischen Vorgesetzten erklärten, dass sie auf Wache geschlafen und das zu Bewachende sich hätten stehlen lassen, also ihren Dienst nicht getan hätten, hätte das ihr eigenes Todesurteil bedeutet. Wieso sollten die Soldaten also auf einen Deal mit den Hohenpriestern eingehen? Auch schwer verständlich: Reicht den Soldaten angesichts dieser bedrohlichen Lage das Versprechen, dass sich die Geistlichkeit bei den politisch-militärischen Vorgesetzen schon für sie einsetzen werde? Bestechung war üblich, aber hätte das wirklich ausgereicht?

Es liegt die Vermutung nahe, dass der Evangelist Matthäus hier eine eigene Intention bzw. die seiner Zielgruppe einträgt: Die Auferstehung Christi von den Toten wurde von nicht-christlichen Menschen jener Zeit bestritten – und die Gemeinde des Matthäus litt darunter. In dieser Situation war es – gefühlt – eine „Entlastung“, anderen die Schuld am eigenen Leid zu geben. In diesem Fall den Juden bzw. deren geistlichem Leitungspersonal. Die vermeindliche „Schuld“ liegt darin, dass für die Gemeinde des Matthäus die Auferstehung eine historische Tatsache war, etwas, das unfehlbar festzustellen war (siehe Eduard Schweizer, Das Evangelium nach Matthäus, NTD 2, S. 345). Wenn die Auferstehung also bestritten wurde, konnte das aus Sicht der Gemeinde nur böser Wille und eine bewusste Ablehnung von Fakten bedeuten.

Wer nicht an Jesus Christus, den Auferstandenen, glaubte, musste also Tatsachen aktiv ignorieren und Lügen verbreiten, so die Sicht der Gemeinde. Wenn Glaube aber etwas ist, über das ich selber nicht verfüge und das ich mir selber weder geben noch machen kann, also ein Geschenk Gottes ist, das individuell verschieden ist, dann führt dies zu meiner Toleranz gegenüber anderen und deren Glaubenswegen. In der Gemeinde des Matthäus war offenbar dagegen der Glaube an die Auferstehung Christi so unerschütterlich/naiv/kritiklos, dass andere Zugänge zum Glauben oder Zweifel an der Auferstehung nicht möglich oder nicht denkbar waren.

 

Nachhaltigkeitsaspekte

Einen direkten Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen zu finden, ist schwierig. Es sind soziokulturelle Fragen, die sich anbieten: Wem glaube ich was? Wer vermittelt Informationen wie und warum so, wie sie vermittelt werden? Gibt es womöglich ein dahinterstehendes Eigeninteresse? Welche (mediale) Informationsweitergabe trägt unser Miteinander, fördert die Demokratie, den Austausch, die Bildung? Machtausübung über Informationsweitergabe bzw. -zurückhaltung.

Wie sehr vermitteln Religionsgemeinschaften die zu glaubenden Inhalte als absolute Wahrheit (nach dem Motto „wenn du das jetzt nicht genauso glaubst, dann wirst du bestraft“) – oder ist Gott nicht viel größer, als das, was Menschen über Gott je zu begreifen/denken/glauben in der Lage sind?

 

Predigtbruchstücke

Liebe Gemeinde,

ob es wohl wahr ist, was uns der Evangelist Matthäus hier berichtet? Ein Komplott, um die Auferstehung Christi zu leugnen? Es klingt auch zu besonders, als dass es sofort und einfach zu glauben wäre. Da sind Wächter in Ohnmacht gefallen, ein Engel erteilt einen Auftrag; der Auferstandene selber begegnet Menschen, die um ihn trauern, und bestätigt den Auftrag des Engels; Soldaten machen einen Deal mit den Hohenpriestern und umgehen so die eigenen Vorgesetzten; ein Gerücht wird in die Welt gesetzt; es fließt Geld, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt.

Das war und ist schwierig, damals wie heute: Interessensgeleitete Informationsweitergabe erleben wir reichlich (z.B. staatlich gelenkte Fernsehsender in anderen Staaten oder teilweise geblockter Internetzugang). Den Wunsch, dass die Regierenden bestimmen, was die Bevölkerung zu wissen und zu glauben hat, gab zu Zeiten von Matthäus schon genauso wie heute. Es geht dabei um Macht. …

Die wichtigste Nachricht aus dem Bibeltext ist diese: Die Auferstehung Christi ist KEIN Fake News. Ob sich die Geschehnisse am Grab in Jerusalem damals genauso abspielten, wie es der Evangelist berichtet, wissen wir nicht. Auch die Evangelien, die von der Auferstehung erzählen, entstanden erst Jahrzehnte später, d.h. es gibt keine neutralen oder überprüfbaren Augenzeugenberichte der Auferstehung Christi. Für heutige Geschehnisse versuchen unsere deutschen öffentlich-rechtlichen Medien eine bestmögliche und überprüfte Recherche und Berichterstattung, um eben keine Fake News zu verbreiten. Aber eine neutrale und genaue Darstellung der Auferstehung Christi ist nicht das Ziel der Evangelien. Sie wollen mit der Erzählung von der Auferstehung Christi nicht heutigen Maßstäben entsprechen, sondern von Jesus Christus reden. …

Ostern ist die Frage, ob ich als Glaubende es für mich für wahrhalten und darauf vertrauen kann und will, dass Jesus Christus von den Toten auferstand, weil es mir persönlich zugutekommt. Weil Gott das Leben will und nicht den Tod. Dass ich eine Hoffnung habe, die über den Tod als das letzte, was ich bewusst wahrnehmen kann, hinausgeht. Ob ich offen bin dafür, dass Gott mir den Glauben daran schenkt – und mir selber vielleicht sogar zu einem anderen Zeitpunkt und auf andere Weise als dir oder dir oder dir. Und so, wie ich zum Glauben an Jesus Christus als den Auferstandenen gekommen bin, davon kann ich ganz echt und wahr erzählen.

Pfrn. Frauke Laaser, Evangelische Kirche im Rheinland

 

[1] So ein schottisches Graffiti, nach: Ingolf U. Dalferth, Volles Grab, leerer Glaube? Zum Streit um die Auferweckung des Gekreuzigten, in: ZThK 95/1998, S. 379-409.