Gründonnerstag (24.03.16)

Gründonnerstag


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Kor 11, 23-26 Jes 61, 1-3a.6a.8b-9 Offb 1, 5-8 Lk 4, 16-21

1. Korintherbrief 11, 23 – 26

Abgesehen vom Vaterunser dürfte wohl kaum ein Jesuswort dürfte mehr Nachhall gefunden haben, als die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Sie gehören weltweit und konfessionsübergreifend zum festen Bestandteil der meisten Abendmahlsliturgien.

Dramaturgisch betrachtet ist das Abendmahl ein performatives Geschehen. Es erzeugt in seinem Vollzug Gemeinschaft, macht Kirche als Gemeinschaft der Heiligen erfahrbar und erlebbar. Doch unsere liturgischen Vollzüge des Abendmahls sind im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zu reinen Symbolhandlungen erstarrt, die die Tiefe des ursprünglichen Abendmahles nur noch erahnen lassen. Das Abendmahl ähnelte wohl eher dem, was wir heute als Mitbringparty kennen. Jeder brachte zum Gottesdienst etwas zu Essen oder zu Trinken mit – jeder nach seinen finanziellen Möglichkeiten.
Das Mahl selbst war ein echtes Sättigungsmahl, das durch das Brotwort und das Weinwort liturgisch eröffnet und geschlossen wurde. Was übrig blieb an Speisen wurde gesammelt und an diejenigen verteilt, die Unterstützung nötig hatten. Sinnfälliger kann man die Botschaft des Christentums nicht erlebbar machen. Gemeinschaft erleben, miteinander teilen, Dankbarkeit für Gottes Gaben, Solidarität und diakonische Verantwortung füreinander sind hier auf unübertreffliche Weise vereint.

Die Liturgisierung der Gottesdienste hat aus diese Feier der Lebensfülle vielerorts ins Zeremonielle erstarren lassen. Als „pharmakon athanasia“ wurde den Abendmahlselementen Brot und Wein fast magische Wirkung zugeschrieben. Die Angst, man könne sich das Mahl zum Gericht essen, bewirkte eine zunehmende Zurückhaltung und in der Exkommunikation wurde der Ausschluss vom Abendmahl sogar zur höchsten innerkirchlichen Strafe pervertiert.

Vielleicht wäre es an der Zeit, etwas von der ursprünglichen Unbefangenheit und einladenden Weite des Abendmahles wieder zu entdecken. Stellenweise geschieht dies ja bereits gerade am Gründonnerstag. Gemeinden laden zu so genannten Agapefeiern ein oder experimentieren mit alternativen Formen wie dem Feierabendmahl. Dies kann ei guter Weg sein, den Einsetzungsworten Jesu auch im dritten Jahrtausend wieder zu mehr Nachhall zu verhelfen.

Jes 61, 1-3a.6a.8b-9

Eine hoffnungsvolle Verheißung ist Inhalt der 1. Lesung für den katholischen Gottesdienst. Eine frohe Botschaft für die Elenden, Trost für zerbrochene Herzen und Trauernde, Freiheit für die Gefangenen und Gebundenen. Verheißungen, die die Sehnsüchte aller Menschen ansprechen.

Aber diese Wohltaten werden hier nicht um ihrer selbst Willen verheißen, sondern sie sind zweierlei: Wiedergutmachung für um Gottes Willen erlittenes Unrecht und ein Zeichen für den besonderen Segen Gottes, eine Art Erkennungsmerkmal.

Das eigene Ergehen oder das Schicksal eines ganzen Volkes als Reaktion Gottes auszulegen kann sehr gefährlich sein. Sehr schnell kann das dazu führen, eine Krankheit als Strafe Gottes zu verstehen oder einen Schicksalsschlag für selbst verschuldet zu halten. Vorwürfe und Verurteilungen sind dann meist vorprogrammiert. Dadurch werden die Opfer zusätzlich stigmatisiert und müssen zusätzlich zu ihrem Elend auch noch die Verantwortung für ihre missliche Lage übernehmen.

Für diejenigen, denen es gut geht, ist diese Haltung sehr bequem. Denn aus dem eigenen Wohlstand und Wohlergehen kann man dann ja rückschließen, dass man offensichtlich nichts verkehrt gemacht hat im Leben. Daraus erwächst der Anspruch an den Armen, er müsse sich für sein Elend auch noch rechtfertigen und begründen, warum ihm überhaupt Hilfe zusteht.

Das alttestamentarische Bild ist aber vielschichtiger. Zwar wird durchaus immer wieder ein direkter Zusammenhang zwischen dem eigenen Verhalten und dem eigenen ergehen behauptet – beispielsweise, wenn das babylonische Exil als Strafe Gottes für den Ungehorsam des Volkes verstanden wird, aber eben gerade nicht so, dass diejenigen, denen es schlecht geht sich dadurch für ihr Elend rechtfertigen müssten, sondern die Mahnungen der Propheten richteten sich immer vor allem an diejenigen, denen es gut geht, den eigenen Wohlstand bloß nicht selbstherrlich auf eigene Verdienste zurückzuführen. Im Gegenteil ist gerade Reichtum und Wohlstand eine andauernde Verpflichtung gegenüber denen, die leiden.
Reichtum ist nicht Armut die Bewährungsprobe, sondern Reichtum. Nicht der Arme muss seinen Anspruch auf Unterstützung begründen, sondern der Reiche muss vor Gott Rechenschaft ablegen, wie er mit seinem Reichtum umgeht. Angewandt auf globale Zusammenhänge würde dies viele Argumentationen regelrecht auf den Kopf stellen. Nicht mehr die armen Nehmerländer müssten ihren Unterstützungsanspruch begründen, sondern die reichsten Nationen wären in der Pflicht, darzulegen, mit welchem Recht sie sich selbst ein größeres Stück vom Kuchen zugestehen als den anderen. Diese Begründung dürfte wohl in den seltensten Fällen gelingen.

Lukas 4, 16 – 21

Das Evangelium ist deshalb besonders interessant, weil Jesus den eben besprochenen Lesungstext aus Jesaja 61 aufgreift und inhaltlich auf sich selbst bezieht. Er stellt die üblichen Begründungsmuster auf den Kopf. In ihm ergreift Gott Partei für die Entrechteten und Außenseiter. „Was ihr ihnen tut, tut ihr mir und was ihr ihnen vorenthaltet, enthaltet ihr mir vor!“ Gott ist nicht im Erfolg der Erfolgreichen zu finden, sondern gerade im Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft hat sich der Mensch zu bewähren. Auch hier wird Reichtum nicht als Kennzeichen eines besonderen Gesegnetseins verstanden, sondern je größere der Reichtum des Menschen, desto größer ist die Gefahr, gerade an der Mitmenschlichkeit zu scheitern.

John Rawls schlug in seinem Hauptwerk „A theory of Justice“ folgendes Gedankenexperiment vor.

Wie sähe eine Welt aus, wenn alle Menschen einvernehmlich alle Rollen und Lebensverläufe festlegen müssten, ohne dabei zu wissen, welches dieser Leben sie anschließend auch durchleben müssen. In diesem Szenario stellt sich die Frage, welches Leben man für sich selbst für zumutbar hält, um sich dann im Gegenzug zu fragen, welches Schicksal man seinen Mitmenschen zumutet.

Würde es in einer solchen Welt noch ungetröstete, arme und ausgebeutete Menschen geben?

Dirk Reschke