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Joh 1, 1-5.9-14 (16-18) | am Morgen: Jes 62, 11-12 am Tag: Jes 52, 7-10 |
am Morgen: Tit 3, 4-7 am Tag: Hebr 1, 1-6 |
am Mo.: Lk 2, 15-20 am Tag: Joh 1, 1-18 |
Joh 1, 1-5.9-14 (16-18) bzw. Joh 1, 1-18
Gott und das Wort – der „logos“ – die Kraft, die schöpferisch wirkt. Schon am Anfang der Schöpfung ist alles, was entstanden ist, durch das Wort, durch den „logos“ entstanden: Gott sprach „ es werde“ – und es wurde. So erzählt es der erste Schöpfungsbericht. Auch im Prolog des Johannesevangeliums wird die Schöpfung und die ganze Welt zurückgeführt auf Gott und den „logos“ – beide sind eins und doch mehr als das. Im „logos“ ist Leben, und in diesem Leben das Licht der Menschen.
Wir kennen aus unserem Leben und in unserem Leben Dunkelheit und Nacht – und wir wissen um die Bedeutung des Lichts, um Orientierung, Klarheit, Sicherheit, Glück… Wenn das Licht da ist, wir es aber nicht sehen können, sind wir genauso verloren, als wenn es kein Licht gäbe. Wir haben den Eindruck, von der Dunkelheit verschlungen zu werden. Wie das Volk, das im Dunkel lebte, plötzlich ein helles Licht sieht, so geht der Dunkelheit der Welt manchmal ein Licht auf, so geschieht es auch in unserer persönlichen „dunklen Nacht“, dass wir ein Licht sehen, einen Funken, einen Stern, einen zarten Schimmer von Hoffnung und neuem Morgen.
Das Wort ist das Licht, heißt es bei Johannes, das Licht ist das Wort, könnten wir den Satz umdrehen. Nicht einfach zu denken, zu begreifen: das Wort wird Mensch, wird Fleisch und Blut. Das abstrakte Wort und Licht nimmt eine konkrete Gestalt an. Gott bleibt nicht „im Himmel“, nicht „über den Wolken“, nicht unantastbar und nicht fern. Gott macht es ganz anders: Gott wird Mensch, wird Fleisch und Blut, wird Kind. Ganz anders als alles, was menschliche Vorstellung mit einer Schöpfergottheit verbindet. Kein Thron, keine Macht, keine Herrlichkeit. Statt dessen Krippe, Armut, Menschlichkeit.
Aus der Fülle seines Reichtums ist alles entstanden – auch wir kommen aus dieser Fülle – und wir empfangen Gnade über Gnade. Und die vielleicht größte Gnade wird sichtbar in diesem Kind im Stall von Bethlehem, das Licht in die Nacht bringt und Menschen in Bewegung bringt – damals und heute. Dass Gott Mensch wird und sich in diesem Kind in unsere Welt begibt, unser Leben teilt, unseren Weg mitgeht – im Heranwachsen und Sich- Entwickeln, in Anerkennung und Kritik, in Freude und Leid, im Schmerz und auch im Tod – diese Konsequenz gehört wesentlich zu dem Geheimnis der Erlösung. Nicht nur das Kreuz und der Tod Jesu brechen den Bann von Schuld und Tod, sondern auch diese unbegreifliche Entscheidung Gottes, der Welt und uns Menschen so nahe sein zu wollen, wie es nur ein Mensch sein kann…
Gnade und Wahrheit sind damit in die Welt gekommen – und die Sehnsucht Gottes, seinen Menschen nah sein zu wollen, hat ein Gesicht bekommen in Jesus von Nazareth. Alles ist dadurch anders geworden – die Welt spiegelt umso mehr die Sehnsucht Gottes. In allem, was zur Schöpfung gehört, leuchtet uns das Wort, der „logos“, das Licht und die Liebe Gottes entgegen, die uns anregen, weiten, erfüllen will. Und was sonst sollte geschehen, wenn wir der Schöpfung in all den Formen, in denen sie uns entgegentritt, mit genau diesem göttlichen Licht und der Liebe begegnen, die in uns angelegt und lebendig sind, als dass Licht und Liebe wachsen – in uns und um uns – und zwischen uns – und die Welt ein neues Gesicht annimmt - ein weihnachtliches – ein „Mensch-Werdungs-Gesicht“???
Vielleicht gilt die Aufforderung von Franz Kamphaus auch und gerade in diesem Jahr und an diesem Weihnachten: »Mach‘s wie Gott- werde Mensch!«
Jes 62, 11-12
Bekannt gemacht bis ans Ende der Erde… Alle Welt soll es wissen: deine Rettung naht. Du bist in Sicherheit – du erhältst den Lohn für die Mühen deines Lebens. Was eine Ankündigung, was ein Versprechen. Wahrscheinlich wäre jeder Mensch auf der Welt glücklich über eine solche Zusage. Umso mehr Menschen, die in Not sind – ob sie in einem Kriegsgebiet oder in einer Region mit klimatisch extremen Bedingungen leben und um ihr Leben fürchten müssen – oder ob sie persönlich mit einem Verlust oder einer Herausforderung umgehen müssen. Wie groß ist gerade dann das Gefühl, verloren und verlassen zu sein von Gott und der Welt – und wie groß die Sehnsucht nach Rettung oder Erlösung oder einem heilen, friedlichen Platz, an dem es sich ausruhen und leben lässt.
Manchmal bleibt die Sehnsucht unerfüllt – manchmal verändert sich scheinbar gar nichts, und doch wird innerlich etwas spürbar von dem Heil, das in die Welt gekommen ist, wenn ein Mensch spüren darf, dass er oder sie nicht mehr „verlassene Stadt“ genannt wird, sondern „begehrte“, „gesuchte“ – dass Gott uns nachgeht, wo immer, wie immer wir leben. Dass Gott uns sucht und sich nach uns sehnt, das verändert die Perspektive auf uns selbst und auf das Leben, wie es sich uns zeigt. Das könnte auch eine Weihnachtserfahrung sein: nicht mehr verlassen, sondern „erlöst“.
Ein Gedicht von Silja Walter formuliert den Gedanken so:
Den alle Völker der Erde
in Sehnsucht suchen,
dich dürfen wir finden
heute Nacht,
als ein Kind.
Bei Trank und Speise
sagst du uns leise,
daß wir deine Gesuchten
und Wiedergefundenen sind.
Welch Suchen, welch Finden
in Brot und Wein.
Du mich und ich dich,
was einzig allein
dein grundlos‘ Erbarmen
erfunden hat.
Du nennst uns für immer nun:
„Nicht mehr verlassene Stadt“.
(Silja Walter, Das Wort ist Brot geworden, Kommunion-Psalter, Herder- Verlag, Freiburg-Basel-Wien 1992, 21.)
Jes 52, 7-10
Wie willkommen sind die Schritte des Boten, der Frieden ankündigt. Wie willkommen ist uns der Gedanke vom Frieden – oder die Sehnsucht danach. In einer Zeit, in der wir die Vision vom Frieden schon fast begraben haben, weil es nicht danach aussieht, als könnten wir irgendetwas zum großen Frieden in der Welt beitragen – in einer Zeit, in der die Nachrichten alles andere als gut und die Botschaften nicht froh sind und nicht froh machen – gerade da brauchen wir Worte wie diese, die uns neue Hoffnung geben, die uns Mut machen, die uns Kraft geben, durchzuhalten und uns immer wieder einzusetzen – für den Frieden, für das Leben. Frohe Botschaft – vielleicht ist sie nicht allein dem großen Ganzen in der Welt gewidmet – vielleicht meint sie uns ganz persönlich in unserem kleinen Leben, das oft genug auch undurchsichtig und herausfordernd ist. Frohe Botschaft, die Heil verheißt, was könnte das für mich bedeuten? Welche Botschaft wünsche ich mir? Was müsste meine frohe Botschaft, meine Verheißung des Heils beinhalten? Welche Bilder steigen auf, wenn ich das denke und mir vorstelle? Landschaften, Himmel, Berge, Meer? Denke ich an Menschen und das Miteinander? Oder denke ich daran, wie aus den Trümmern in Jerusalem, in Gaza, in der Ukraine und an so vielen anderen Stellen der Erde eine neue Welt aufgebaut wird, in der Menschen ein Zuhause und ein friedvolles Leben gestalten können?
Vielleicht können wir nicht jubeln, nicht jauchzen. Vielleicht fühlen wir uns alles andere als getröstet oder erlöst. Aber wir kennen die Sehnsucht danach, ganz und heil und lebendig zu sein. Wir kennen den Wunsch nach Leben und Frieden für alle Menschen. Wir wissen um die Ohnmacht, die uns manchmal fast aufgeben lässt – und darum, dass wir nicht viel tun können, aber Gottes Heil trotzdem wirkt und spürbar sein kann. Und damit verändert sich unsere Perspektive, und wir können etwas versuchen, etwas tun, neu auf andere zugehen – so dass sich die Welt verändert – nicht die ganze im Großen, aber die ganze Welt im Kleinen, genau da, wo wir leben. Genau da, wo ein Mensch uns begegnet. Weihnachten – ganz klein und ganz groß!
Tit 3, 4-7
Die Güte Gottes und seine Liebe zu uns Menschen ist sichtbar geworden. Sie ist erschienen, heißt es auch in anderen Übersetzungen. Gottes Güte und Liebe als eine Erscheinung – eine Erfahrung, der wir uns nicht entziehen können, die ganz deutlich vor uns steht und uns zu einer Reaktion herausfordert. Gottes Erbarmen geht nicht an uns vorbei, sondern konfrontiert uns – mit der Tatsache, dass wir nicht perfekt, sondern sündige Menschen sind – und mit der Gnade, die über uns ausgegossen wird und uns zu neuen Menschen macht. Das klingt so einfach: mit dem Bad der Wiedergeburt, also der Taufe, scheint alles gut zu sein. Dabei erleben wir, nachdem die Taufe den meisten von uns quasi von Geburt an mitgegeben wurde und wir uns nicht an dieses Bad der Wiedergeburt erinnern können, die Welt und unser Leben oft so ganz anders. Nicht Gnade, sondern Belastung erfahren wir. Nicht erneuernde Kraft, sondern Erschöpfung und Depression prägen unser Empfinden. Ewiges Leben ist im besten Fall eine Hoffnung, die wir ans Ende unseres diesseitigen Lebens setzen, wenn denn alle Mühe fruchtet, die wir eingesetzt haben.
Aber im Titusbrief wie an anderen Stellen heißt es nicht: dann, irgendwann einmal, nach eurem Tod werdet ihr neue Menschen sein und ewiges Leben erfahren. Es heißt schlicht und einfach: Er hat uns zu neuen Menschen gemacht. Wir sind jetzt Erben des ewigen Lebens – und vielleicht ist es angebracht, nicht erst an der Schwelle zwischen Leben und Tod das Erbe anzutreten, das Gott uns schon jetzt gegeben hat, sondern es als Gnade, als Geschenk, als „Schenkung“ anzunehmen – und schon jetzt – zu leben aus dieser Gnade, in der Verantwortung für die Welt und für unser Leben.
Hebr 1, 1-6
Viele Male und auf verschiedenste Weise hat Gott zu den Menschen gesprochen – durch die Prophetinnen und Propheten, aber auch durch die Begegnungen mit anderen, in der Schöpfung, in Worten und Taten. Viele Male und auf verschiedenste Weise spricht Gott auch heute zu den Menschen, zu uns. Es gibt so viele Wege und Weisen, wie wir Gott begegnen können, wie wir Gottes Wort hören oder spüren können. In all dem, was er geschaffen hat, ist Gott spürbar: in der Weite des Meeres, wenn wir am Strand stehen und unsere Füße sich in den Sand graben. In der Rinde eines Baumes, die wir anfassen, wie auch im Fell und im Blick eines Tieres, das zu unserem Leben gehört. Im Geruch der Erde an unseren Händen und im Geschmack der Früchte, die wir ernten, des Brotes, das wir aus dem Ofen holen. „Die Welt ist Gottes so voll“, hat Alfred Delp es formuliert. Alles, was er geschaffen hat, kann Abbild Gottes sein – und doch bleibt etwas offen, und doch ist Gottes Horizont größer als unserer. Gottes Sohn – Gott selbst, der menschgewordene – ist das vollkommene Abbild von Gottes Herrlichkeit – alles andere bleibt hinter dieser Herrlichkeit zurück, ist nur ein Teil, nur Stückwerk, nur Bruchteil eines größeren Ganzen, das in Gott ganz ist. Seine Stellung ist einzigartig – unter Engeln und Menschen und unter allem, was es überhaupt gibt, so sagt es unser Text. Sohn – oder Tochter – das ist ein besonderes Verhältnis. Auch wenn wir die Vorstellung von der Herrlichkeit und Majestät vielleicht nicht so einfach annehmen können, wenn der Titel für uns weniger bedeutsam ist – Jesus ist Gott, ganz und gar, darum geht es im Text. Er ist der unverfälschte Ausdruck von Gottes Wesen. Ihm zu begegnen, heißt Gott begegnen. Seinen Worten und Bildern zu trauen, seinen Weg mitzugehen, das bedeutet, mit Gott unterwegs zu sein und ihm in Wort und Tat nachzufolgen. Neben der Vorstellung, dass Jesus auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes sitzt – weit weg und weit erhöht über uns – lädt er uns ein, uns mit ihm als Sohn und Tochter zu begreifen und Gott als „Vater/Mutter unser“ anzureden. Er lädt uns ein, seinen Weg mitzugehen, von der Krippe bis zum Kreuz – ins Grab und in den Morgen der Auferstehung hinein. Er sagt uns zu, dass wir Kinder Gottes sind und dass wir bleiben sollen und dürfen – in ihm, in Gott, wie er in Gott bleibt, mit Gott eins ist.
Wäre das nicht auch eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte, in der wir als Menschengemeinschaft und als Einzelne in all dem, was uns in unserem heutigen Leben begegnet, bereichert, beglückt, erschreckt, anstößt und begeistert, Gott als der Kraft, die uns und alles Leben geschaffen hat, nah sein dürfen und uns immer mehr der Würde des Lebens – in anderen und uns selbst – bewusst werden dürfen…?
Lk 2, 15-20
Bekannte Worte, ganz gleich, aus welcher Übersetzung sie gelesen werden. Bekannte Worte, aber ein eher unbekannter Teil aus der Weihnachtsgeschichte. Nicht die Herbergsuche, nicht die Geburt, nicht die Erscheinung der Engel auf den Hirtenfeldern. Was wir heute lesen und hören, ist der Moment danach, in dem die Hirten aufbrechen, um zu sehen, was da passiert ist. So schnell sie konnten, ziehen sie los nach Bethlehem in den Stall – und sie finden Maria und Josef – und das Kind in der Krippe. Mehr sagt die Erzählung nicht. Einfach nur so finden sie Eltern und Kind, einfach nur so in einem Stall – obwohl die armselige Umgebung nicht zum strahlenden Licht und dem jubelnden Gesang der Engel zu passen scheint. Es ist keine Rede von dem sozialen Hintergrund der Hirten und ob sie vielleicht gar nicht die richtigen waren, die als erste zu dem neugeborenen Gotteskind kommen durften. Es wird nichts gesagt, warum Gott sein Leben als Mensch so seltsam-arm anfängt. Es ist zum Staunen – so heißt es, aber nicht die Hirten staunen, sondern alle, mit denen sie sprechen.
Maria staunt vielleicht auch, aber sie tut es leise: sie prägt sich alles ein, was da gesagt wird, und meditiert es, bewahrt es in ihrem Herzen. Vielleicht, weil es nicht einfach zu verstehen ist. Vielleicht, weil das Weihnachtsgeschehen etwas zum Staunen bleibt – da spricht der Evangelist mit den Bethlehemer Frauen und Männern auch die frühchristliche Gemeinde nach Ostern und uns alle an – über die Jahrhunderte hinweg ist und bleibt es staunenswert, wunderbar, dass Gott seine Welt nicht allein lässt, sondern kommt, um als Mensch in ihr zu leben und sie so mit in das Heil zu nehmen, das immer schon sein Ziel, sein Wunsch, seine Verheißung für sie war…
Eine Anregung/ Ein Gedicht von Kurt Wolff dazu:
Ohne Engel
erreichten sie Maria und Josef
und das Kind
Fröhliche Weihnachten
sagten sie nicht
Aber alles was sie erlebten
erzählten sie unterwegs
den staunenden Leuten und redeten
mit Engelszungen
(Kurt Wolff, Ein Maulbeerbaum für die Übersicht. Erzählungen und Kurzgeschichten. Texte über Gott und die Welt, Neukirchener Verlag, Neukirchen- Vluyn 1980)
Annette Schulze, Bistum Speyer