Ostermontag
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Kor 15, 12-20 | Apg 2, 14.22-33 | 1 Kor 15, 1-8.11 | Lk 24, 13-35 oder Mt 28, 8-15 |
zu 1 Kor 15, 12-20: Gottes Allmacht ernst nehmen
Paulus macht ernst in seinem ersten Brief an die Korinther: „Wenn es keine Auferstehung von den Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden." Wenn wir als Nachfolger Christi nicht an die Auferstehung glauben, dann ist unser Glaube sinnlos. Paulus nennt diejenigen, die diesen Teil der frohen Botschaft nicht verkünden, „falsche Zeugen", die „im Widerspruch zu Gott" stehen. Paulus kritisiert damit alle Tendenzen, sich die frohe Botschaft so zu gestalten, wie sie mir persönlich entspricht. Er mahnt all diejenigen an, die sich aus der Lehre des Glaubens nur das herauspicken, was sie sich vorstellen können, was ihnen ins Konzept passt. Manche Menschen nennen sich Christen, weil sie aus welchen Gründen auch immer für sich darin etwas gefunden haben oder aus Tradition dem Christentum angehören. Aber dass Gott ihr eigenes Leben verändern und gestalten könnte, das kann dennoch recht fern liegen. Man kann Christ sein und Gott trotzdem nichts zutrauen. Ihm nicht zutrauen, dass er seinen Sohn von den Toten auferwecken kann. Ihm nicht glauben, dass er auch uns ein neues Leben nach dem Tod schenken wird. Nicht glauben, dass er tatsächlich etwas in dieser Welt und ihrer Ungerechtigkeit verändern kann. Menschen, die nicht an die Auferstehung glauben, unterschätzen Gott. Sie lassen ihn einen guten Mann sein, aber halten ihn aus ihrem eigenen Leben heraus. Und sie trauen ihm schon gar nicht zu, dass er diese Welt mitgestaltet. Ein Gott, der Tote zum Leben erweckt, der kann auch diese Welt zu einem Neuanfang führen. Aber er möchte unser Mitwirken. Meister Eckhart sprach von der „Wirkeinheit Gottes mit den Menschen". Gott wirkt durch unsere Taten, durch unseren Einsatz für Gerechtigkeit, durch unsere Entscheidung zur Liebe. Durch unser Gebet verändert er uns selbst, damit wir mit ihm die Welt verändern. Darin liegt seine Allmacht. Paulus mahnt uns, dass wir in unserem Glauben nichts Wesentliches ausklammern, die Auferstehung der Toten nicht, aber auch nicht die Befreiung/Stärkung der Lebenden, die Neugestaltung dieser Welt. Neben Gottesdienst und Verkündigung darf auch der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit nicht zu kurz kommen, sonst werden wir zu „falschen Zeugen" seiner Botschaft, sonst leben wir „im Widerspruch zu Gott", wie Paulus es beschreibt.
zu Lk 24, 13-35: „Musste es nicht so kommen?"
„Musste es nicht so kommen?" Diese Frage stellt sich wohl so Mancher, wenn er sich die heutige Situation vieler Flüchtlinge anschaut, wenn er sich mit aktuellen Problemen der Weltwirtschaft oder der Friedenspolitik beschäftigt. Musste es nicht so kommen? War das alles nicht absehbar, wenn man vorherige Waffenlieferungen, Kriegsunterstützungen und politische Koalitionen auf den falschen Seiten oder falsche Investitionen bedenkt? Unsere globalisierte Welt ist so stark vernetzt und auf komplexe Weise in Abhängigkeiten verstrickt, dass das Handeln einzelner Staaten oder Wirtschaftsunternehmen weitreichende Folgen auf die politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität vieler weiterer Länder und Menschen hat. Da fällt es einerseits leicht, festzustellen: „Musste es nicht so kommen?", andererseits vermag kaum noch jemand zu überblicken und zu beurteilen, auf welche Grundursachen und Schuldfragen heutige dramatische Entwicklungen in Wirtschaft und Politik zurückzuführen sind.
Man fühlt sich da zunächst von Jesu Worten bestätigt, der zu den Emmaus-Jünger spricht: „Musste nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?" Nach all den Sünden der Menschheit – war es da nicht eine klare Notwendigkeit, dass Gott seinen Sohn schickt, um Sühne zu leiden für die Menschen? War das aus den Vorhersagen und Verheißungen des Alten Bundes nicht absehbar und nachvollziehbar? Hätten die Menschen dieses Drama nicht verhindern können?
Und doch – viele Zusammenhänge erschließen sich eben nicht nur aus ihren Ursachen. Gott musste nicht aus reiner Notwendigkeit seinen Sohn opfern. Er offenbarte den Menschen durch das Leben seines Sohnes, wie er selbst zu den Menschen ist: ein Gott, der sich aus freier Liebe für seine Geschöpfe hingibt. Gott musste nicht einer Verkettung unglücklicher Ursachen folgen, um die Menschen von der Sünde zu retten. Gott schenkte uns seinen Sohn aus freier Entscheidung, damit wir sein Wesen erkennen. Und damit wir ihm in unserem Handeln ähnlich werden. Damit tat er etwas, was er den Menschen nicht schuldete. Gott tat einen großzügigen Akt der Liebe und veränderte damit das Schicksal der Welt. Wir sind aufgefordert, durch ungeschuldete, freiwillige Akte der Nächstenliebe ihm ähnlich zu werden. Auch ohne die Grundursachen oder die Schuldigen von Konflikten zu kennen: Wir können immer unseren persönlichen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit bringen, der vielleicht nicht zwingend notwendig ist, aber den Zusammenhang von Schuld und ihren Folgen entscheidend verändern kann.
Begegnungen, die erkennen lassen
Die Jünger haben das Geschehen um Jesus von Nazareth nicht von seinen biblischen Grundlagen her verstanden oder gelöst. Sie haben auch nicht nach Verantwortlichen gesucht, die die Verursacher der Misere der Kreuzigung sein könnten. Sie machten einfach weiter wie bisher – ohne von den Ereignissen aufgerüttelt worden zu sein, ohne von den Berichten der Frauen am Grab verändert worden zu sein.
Um den eigenen Blick auf die Zusammenhänge in der Welt zu ändern, braucht es Begegnungen, die einem die Augen öffnen. Begegnungen mit Menschen, die einem vielleicht erklären, wo die Grundlagen und Ursachen für heutige Umstände liegen – vielleicht auf politischer oder wirtschaftlicher Lage. Wenn ich aber etwas an meinem persönlichen Verhalten oder meinem Umgang mit heiklen Themen ändern soll, braucht es ein Erkennen besonderer Art. Jesus wird von den Emmaus-Jüngern daran erkannt, wie er mit ihnen das Brot bricht. Er gibt sich durch sein Verhalten zu erkennen. Indem er das Brot mit ihnen teilt, erkennen sie ihn als Auferstandenen.
Dies kann uns ein Vorbild sein. In unserem Verhalten, auch durch unser Teilen, durch unsere Gastfreundschaft, kann man uns als Christen erkennen.
Ebenso zeigt uns diese Begegnungsszene, wie sich der Blick auf ein Geschehen ändern kann, wenn man dem oder den Betroffenen persönlich begegnet. Auch durch die persönliche Begegnung mit Flüchtlingen, mit Menschen anderer Religion oder Herkunft kann ich Vieles erkennen, was ich nicht über reines Nachdenken über Ursachen und Grundlagen von Krisen verstehen kann. Begegnung ermöglicht Erkennen, ermöglicht Verstehen und bietet Chancen eines Perspektivwechsels. Persönliche Begegnungen mit Menschen können meinen Blick auf die Welt korrigieren, mir die Augen öffnen für wahre Zusammenhänge und meine eigentliche Aufgabe. Die Begegnung der Emmaus-Jünger mit dem Auferstandenen hat sie zu Verkündigern der frohen Botschaft gemacht. Auch uns können persönliche Begegnungen mit vermeintlich Fremden innerlich bewegen und verändern, so dass wir auch nach außen hin zu deren Fürsprechern werden.
Sabine Völkl, Mainz