20. Sonntag nach Trinitatis / 31. Sonntag im Jahreskreis (3.11.19)

20. Sonntag nach Trinitatis / 31. Sonntag im Jahreskreis


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Mose 8, 18-22; 9,12-17 Weish 11, 22 - 12, 2 2 Thess 1, 11 - 2, 2 Lk 19, 1-10

Gott - Liebhaber des Lebens
Nachfolge und Gerechtigkeit

1. Mose 8,18-22; 9,12-17 und Weish 11,22-12,2: Gott, der Liebhaber des Lebens

Das Leben auf der Erde ist bedroht

Leben auf dieser Erde ist vielfĂ€ltigen Bedrohungen ausgesetzt. Über Jahrhunderte hinweg war das Wohlergehen der Menschen davon abhĂ€ngig, ob sie von Hagel, DĂŒrre oder Starkregen verschont blieben. Kein Wunder, dass die meisten Religionen Gott oder göttliche KrĂ€fte mit diesen NaturphĂ€nomenen in Verbindung bringen (so auch noch die Schöpfungslieder im Evangelischen Gesangbuch, s. z.B. EG 504,3). Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat der technologische Fortschritt viele dieser Gefahren fĂŒr uns Menschen beherrschbar gemacht. Allerdings sind wir in einer Zeit angekommen, in der nun der Mensch selbst zur Bedrohung fĂŒr das Leben der Erde wird. Wissenschaftler sprechen daher von der gegenwĂ€rtigen Erdzeit als dem „AnthropozĂ€n“.

Der Fortschritt des industriellen Zeitalters wurde vor allem durch Kohle und Erdöl ermöglicht. Kohlenstoff, der ĂŒber Jahrtausende von Jahren gebunden war, haben wir dabei innerhalb weniger Jahrzehnte freigesetzt und dadurch wesentlich zur ErderwĂ€rmung und dem damit verbundenen Klimawandel beigetragen. Auch unser Hunger nach Siedlungs- und NutzflĂ€chen ist ungebrochen - in Bayern werden Tag fĂŒr Tag rund 10 Hektar LandflĂ€che versiegelt. Lebensraum, der Tieren und Pflanzen verloren geht.

Inzwischen merken wir, dass der Klimawandel unseren Fortschritt bedroht, auch der bedrohliche RĂŒckgang der Arten ist inzwischen im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen - spĂ€testens, wenn im Fernsehen Bilder gezeigt werden, wie in China Arbeiter von Hand ObstbĂ€ume bestĂ€uben.

Auf der Weltklimakonferenz in Paris Ende 2015 haben die Staaten der Weltgemeinschaft sich verpflichtet, die ErderwĂ€rmung auf weniger als 2 Grad gegenĂŒber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Ein ambitioniertes Ziel - doch seitdem sind schon wieder vier Jahre verstrichen, in denen viel zu wenig konkrete Maßnahmen ergriffen wurden. Viele Menschen fragen sich inzwischen, ob wir den Klimawandel noch aufhalten bzw. begrenzen können...

„Es soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“

Diese große Verheißung steht am Ende der SintfluterzĂ€hlung. Aber trĂ€gt diese Verheißung noch im Zeitalter des AnthropozĂ€ns, angesichts der Risiken des Klimawandels? Die meisten Gletscher der Alpen werden in wenigen Jahren verschwunden sein...

Die SintfluterzĂ€hlung 1. Mose 6-9 ist eine komplexe Konstruktion, die Perikopenordnung stellt zwei der abschließenden ErzĂ€hlungen zusammen: Das Opfer des Noah und Gottes Verheißung sowie den Bund, den Gott mit Noah und seinen Nachkommen schließt. In dieser Zusammenschau erscheint der Bund wie die nochmalige BestĂ€tigung der Verheißung.

Was heute durch menschliches Handeln möglich erscheint, die Vernichtung einer Vielzahl von Kreaturen, wird in der SintfluterzĂ€hlung als Strafhandeln Gottes erzĂ€hlt. Gott selbst bringt die vernichtende Katastrophe ĂŒber die Erde. Am Ende der ErzĂ€hlung folgt dann aber die nahezu reformatorische Einsicht Gottes: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist bös von Jugend auf“ - auch noch so strenge Strafen werden daran nichts Ă€ndern.

Bund wie Segensverheißung sind daher Ausdruck des bedingungslosen Ja Gottes zu dem Leben auf dieser Erde: Egal, wie gut oder schlecht wir Menschen handeln, das Lebn auf dieser Erde soll nicht vergehen. Gott, der Liebhaber des Lebens!

In meiner Arbeit als Beauftragter fĂŒr Umwelt- und Klimaverantwortung meiner Kirche merke ich immer wieder, dass ich aus dieser Verheißung lebe: TatsĂ€chlich wissen wir immer weniger, ob es gelingen wird, den Klimawandel zu begrenzen. Gerade, wenn man sich Tag fĂŒr Tag mit den ökologischen Herausforderungen und Problemen beschĂ€ftigt, dann merkt man, an wie vielen Stellen die „planetaren Grenzen“ ĂŒberschritten sind und wir auf Kosten unseres Planeten leben.

Noahbund und Noahverheißung geben mir die tröstliche Gewissheit, dass Gott selbst es ist, der das Leben auf dieser Erde erhĂ€lt. Wir sollen und können das uns Menschen Mögliche dazu tun - nicht mehr und nicht weniger.

Der Liebhaber des Lebens

Diese wunderschöne Formulierung, die ich ĂŒber meine gesamten Überlegungen gestellt habe, begegnet uns explizit in Weish 11,26. Auch die Weisheit weiß um die Verletzlichkeit allen Lebens und zieht eine Verbindung zwischen den vielfĂ€ltigen Bedrohungen des Lebens und Gott: „Denn deiner allmĂ€chtigen Hand (...) fehlte es nicht an Macht, ĂŒber sie eine Menge von BĂ€ren kommen zu lassen...“ (Weish. 11,17) Doch Gottes Allmacht zeigt sich nicht in solchem vernichtenden Handeln, sondern - darin ganz parallel zu Gen 9 - in seinem Erbarmen: „Aber du erbarmst dich ĂŒber alle (...) und du siehst ĂŒber die SĂŒnden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren sollen.“ (Weish 11,23).

Zu der soteriologischen BegrĂŒndung des Erbarmens in v. 23 tritt in dem Abschnitt dann aber noch eine ganz starke schöpfungstheologische BegrĂŒndung: „Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast.“ (11,24), ja mehr noch, der Text greift die Traditionen vom schöpferischen Wirken Gottes durch seine Geistkraft auf und betont „dein unvergĂ€nglicher Geist ist in allem“ (12,1).

Wer sich in den BĂŒchern des Ersten Testamentes auf die Suche nach Spuren des Wirkens von Gottes Geistkraft begibt, merkt sehr schnell, wie lebendig und allgegenwĂ€rtig diese beschrieben wird. Immer wieder begegnen wir der Vorstellung, dass alles Leben dadurch Bestand hat, dass Gottes Geistkraft in den Geschöpfen wirkt (z.B. Ps 104,29f).

Gott ist ein Liebhaber des Lebens, alles Leben ist durchwirkt von seiner Geistkraft, alles Leben steht in Bezug zu Gott. Papst Franziskus zeiht aus dieser Einsicht in seiner Enzyklika Laudato SĂ­ den Schluss, dass alles Leben dazu bestimmt ist, Gott zu loben.

„Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren fĂŒr immer. Die weitaus grĂ¶ĂŸte Mehrheit stirbt aus GrĂŒnden aus, die mit irgendeinem

menschlichen Tun zusammenhĂ€ngen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.“ (LS, Nr. 33)

Lk 19,1-10 Nachfolge und Gerechtigkeit

Es gibt wohl wenig biblische Geschichten, die so oft gemeindepÀdagogisch genutzt werden wie die Geschichte von Jesus und ZachÀus - vom Kindergottesdienst bis zum Bibliodrama.

Noch bis in die Neuzeit waren Zollstationen im Alltag ĂŒberall gegenwĂ€rtig: an BrĂŒcken, Stadttoren, Gemarkungsgrenzen. Im Römischen Reich hatten die Zolleinnehmer dieser Stationen meistens gepachtet, in der Ausgestaltung des konkreten Wegzolls waren sie dann ziemlich frei - und oft genug auch willkĂŒrlich. Kein Wunder also, dass ZachĂ€us nicht gerade als Liebling der umstehenden Menschen beschrieben wird.

Sicher ist: Er hat es mit seiner Zollstation zu beachtlichem Wohlstand gebracht und nicht immer hat er sich bei seinen Zollforderungen an „geltendes Recht“ gehalten.

Irgend etwas fasziniert ihn an Jesus - so sehr, dass er, der kleine Mann, auf einen Baum steigt, um ja einen Blick auf Jesus zu erhaschen. Dieser spricht ihn an und kehrt schließlich in das Haus des ZachĂ€us ein. Die Begegnung verĂ€ndert ZachĂ€us so sehr, dass er sich bewusst wird, wie unsozial er gehandelt hat: Die HĂ€lfte seines Reichtums will er an Arme verschenken - und denen, die er explizit ungerecht behandelt hat, das Vierfache zurĂŒck erstatten.

Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit verbindet sich in dieser ErzĂ€hlung also eng mit dem Ruf in die Nachfolge: Nachhaltiges Leben und Handeln ist nur möglich, wenn nicht die einen die anderen ĂŒbervorteilen, wenn nicht die Reichen immer mehr anhĂ€ufen und die anderen leer ausgehen.

Jesu Ruf in die Nachfolge weckt bei ZachĂ€us dieses Gewissen fĂŒr soziale Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.

Dr. Wolfgang SchĂŒrger, MĂŒnchen