3. Adventsonntag [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 3, 1-14 | Jes 35, 1-6a.10 | Jak 5, 7-10 | Mt 11, 2-11 |
Gedanken zum Tag: 3. Advent – 11. Dezember 2016
Auf dem adventlichen Weg Richtung Weihnachten sind die Sonntage besondere Stationen. Waren sie früher stark von familiärem Leben und volkstümlichen Brauchtum geprägt, im Basteln, Musizieren und Beieinandersein, finden sie heute ihr Merkmal vielfach in verkaufsoffenen („Mantel-“)Sonntagen, „Weihnachtsmärkten“ oder einfach nur im fortschreitenden Traditionsverlust. Der dritte Advent ist in katholischer Tradition der Sonntag „gaudete“ – „freuet euch!“. Der klassische Eingangsgesang (inroitus) macht dies im Rückgriff auf Philipperbrief 4,4-6 deutlich. Früher lockerte sich das liturgisch-fastenzeitliche Lila der Messgewänder an diesem Tag zu sanft-freudigem Rosa. Die evangelische Kirche feiert „Gaudete“ am 4. Advent. Die Frage nach dem Erhalt und der Belebung adventlicher Traditionen ist für mich im weiteren Sinne auch eine Frage von „Nachhaltigkeit“. Jedenfalls wenn man Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in ihren sozialen und gesellschaftlichen Dimensionen und Perspektiven bedenkt. Die stabilisierende Kraft von verwurzelten Ritualen und gefüllten Traditionen wird so auch zu einem Nachhaltigkeitsthema. Allerdings kann es heute nicht blind-romantisierend um Vergangenheitsverklärung gehen. Wo können wir mit unseren Gottesdiensten im Advent klärend und stärkend in den Prozess eingreifen, welche Traditionen zukunftsleitend, also nachhaltig sind, oder von welchen Traditionen wir uns besser verabschieden sollten. Schließlich sind wir ja Spezialisten für „Beerdigungen“.
Sowohl evangelisch als auch katholisch rückt der dritte Advent in seinen Bibeltexten die Gestalt von Johannes dem Täufer in den Blick: der Vorläufer, der prophetisch orientierte Wegbereiter Jesu. In den Erzählungen herrschen Bilder vor, die erstens zwischen Wüste und „abgetragenen Bergen“ Naturmetaphorik verwenden, die zweitens das Motiv der „Umkehr“ und drittens der „Reich-Gottes-Verheißungen“ bedienen. Wie sehr diese Bilder Nachhaltigkeitsaspekte berühren, möchte ich hier aufzeigen.
Das kalendarische Datum des dritten Advents am 11. Dezember 2016 bietet auch noch drei mögliche Nachhaltigkeitsaspekte, die ich nicht ausführen, aber wenigstens nennen will:
Am 11. Dezember 1997 wurde in Japan das sogenannte Kyoto-Protokoll der Vereinten Nationen unterzeichnet. Es legte zunächst für den Zeitraum bis 2012 verbindliche Ziele für die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen fest. Es galt als außergewöhnlicher Durchbruch für eine international verbindliche Klimapolitik. Inzwischen gibt es ein Folge-Protokoll bis 2020, aber natürlich auch immer wieder Probleme mit der Anwendung und Umsetzung des Protokolls.
Am 11. Dezember 1946 gründeten die Vereinten Nationen ihr Kinderhilfswerk UNICEF. Wie ein Geburtstag wird darum verschiedentlich dieses Datums gedacht. Am 3. Advent 2016 sind es also genau 70 Jahre!
Der 11. Dezember ist außerdem als internationaler Aktionstag der „Welttag der Berge“! Die UNO führt in ihrer Begründung für die Schaffung dieses Aktionstages ausdrücklich den Klimawandel als Bedrohung vieler Berge (nicht nur der Gletscher) und des mit ihnen verbundenen Lebensraumes an.
Wie und ob auf diesem Hintergrund Lukas 3,5 (evangelisch) in Anlehnung an Jesaja 40,3 einen völlig neuen Klang erhält, weiß ich nicht so genau: Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken? Müssen wir angesichts der vom Menschen ausgelösten Naturkatastrophen heute vorsichtiger werden in der Anwendung biblischer Bilder, dass der Glaube „Berge versetzen“ kann?
Lukas 3,1-14
Ganz in der Tradition der alttestamentlichen Propheten predigt Johannes der Täufer die Umkehr. Das gibt dem Advent eschatologischen Ernst und messianische Perspektive, die aber - über alles Theologisieren hinaus – im Leben und Handeln konkret werden will.
Zwei Nachhaltigkeitsaspekte sehe ich in diesem Bibeltext:
1. Auf die vielleicht notwendig gewordene sprachliche Sensibilisierung in Sachen biblischer Naturmetaphorik habe ich eben schon hingewiesen: Was krumm ist, soll gerade werden, jede Schlucht sich füllen, jeder Berg abgetragen werden. Natürlich verstehen wir, was hier im Bild deutlich werden soll: Herz und Seele sind gemeint, die „Steine“, die wir einander in den Weg legen, der „Berg“ von Problemen, die „Abgründe“ unserer Feindschaft etc.
Aber mal für einen Augenblick inne zu halten, ob wir uns vielleicht doch auch im praktischen Umgang mit der Natur zu sehr von dieser Gewohnheit an biblische Bilder und Sprache haben leiten lassen, wenn Flüsse begradigt und ihre Läufe denaturiert wurden, wenn Berge und Hügel im Abbau der Rohstoffe, die sie „bergen“, abgetragen werden…, das erscheint mir heute doch so sinnvoll wie nötig.
2. Die Umkehr aus der „Wüste“ ins Leben, zu der der Vorläufer Johannes uns adventliche Menschen aufruft, die liegt nicht darin, sich einfach taufen zu lassen, einer Mode zu folgen und sich dann kollektiv in Sicherheit zu wiegen, weil man gesellschaftlich zu einer bestimmten, relevanten und führenden Gruppe gehört, was heute für die Kirchen ja nicht mehr wirklich gilt…
Umkehr soll konkrete Früchte bringen: Solidarität, Diakonie, Teilen und Teilhabe, Verhältnismäßigkeit, Fairness, Berufsethos. Damit bringt der Bibeltext politische Brisanz in den dritten Advent und befreit ihn von Säuselromantik und allem Kitsch im „Warten aufs Christkind“! Dramatik wird angesagt: Der „Baum“, der hier nicht Frucht bringt, landet im Feuer! Wenn es hier mit dem „wahren, höheren Advent“ nicht um „Nachhaltigkeit“ geht, wo dann: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso. Und kein Zöllner darf mehr verlangen, als festgesetzt ist. Und kein Soldat darf irgendjemanden misshandeln…
Jesaja 35,1-6a.10
Hier in der ersten Lesung hört man deutlich den Sonntag „Gaudete“ durch. „Wonne und Freude stellen sich ein“ (Vers 10) wenn der Messias kommt. Wieder ist der große, endgültige Advent gemeint, der in unserer familiär-kindlichen Weise der Vorbereitung auf Weihnachten eigentlich gar nicht vorkommt. In ihrem gesellschaftlichen Reflex „bürgerlicher“ Weihnacht erst recht nicht. Keine Chance für Nachhaltigkeit?
Die Verheißungen des messianischen Gottesreiches werden in herrlich poetische Schöpfungs- und Naturbilder gepackt. Heil und Heilung, Erlösung (Vers 9) des Menschen können gar nicht anders ausgesagt und beschrieben werden, als in Bildern einer heilen Welt, Natur, Schöpfung: Blühende Steppe, Quellen in der Wüste, saftiges Gras. Und darin dann der heile Mensch: mit offenen Augen und Ohren; kein Räuber, wie kein Raubtier; Befreite und Erlöste in ewiger Freude. Das Ganze zwar als Geschenk des Himmels und Tat Gottes, aber nicht ohne unser Zutun: Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest! Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! (Vers 3) Das wäre dann unser adventlicher Beitrag im „Macht hoch die Tür… und euer Herz zum Tempel zubereit‘“.
Adventlich von dieser Ankunft Gottes erzählen und an diesem Advent konkret mitwirken, indem wir helfen eben auch unsere „innere und äußere Natur“ in diesen heilen Zustand zu versetzen. „Auf diesem Weg gehen nur die Erlösten!“ (Vers 9) Welch starke Sprache, welch schönes Bild! Dazu möchte ich gerne gehören!
Jakobusbrief 5, 7-10
In der zweiten Lesung das gleiche Motiv. Aber mehr als Ermunterung zur Geduld und zum Durchhalten, weniger freudig. Aber kein bisschen weniger „nachhaltig“. Und wieder in der Natur- und Schöpfungsmetaphorik: Wie der Bauer geduldig auf die Ernte wartet… Die Natur aber auch hier wieder als Bild für soziale, menschliche Verantwortung: Macht euer Herz stark und übt euch in Geschwisterlichkeit (Vers 9)…
Matthäus 11,2-11
Im Evangelium nun ganz deutlich und direkt das prophetische Johannes-Vorläufer-Motiv des dritten Advent. Mit einer der berühmtesten Kurzformeln und Komprimierungen des ganzen Christentums auf einen Satz: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Vers 5) Das geht Jesus (in Johannes) voraus, das fasst das gesamte Leben und Wirken Jesu zusammen, das ist das bleibende Erkennungszeichen und der Auftrag für die, die ihm nachfolgen, wie es in vielen österlich-pfingstlichen Sendungsformeln zum Ausdruck kommt.
Für mich persönlich am schönsten im sekundären Markusschluss: „Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen! Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.“ (Markus 16,15-18) Das ist Advent, Weihnachten und Ostern. Das muss darum auch der Advent der Christen sein, denen es irgendwie ernst ist mit ihrem Auftrag.
Schöpfungsmetaphorik taucht hier im Evangelium nur am Rande auf, wenn vom „Naturburschen“ Johannes die Rede ist (ab Vers 7). Er wird uns als „antibürgerliches“ Prophetenideal vorgestellt (Vers 8). Bis heute für mich ein Prototyp des „Schöpfungsaktiven für Nachhaltigkeit“.
Stefan Herok, Wiesbaden