3. Sonntag nach Trinitatis / 11. Sonntag im Jahreskreis (16.6.13)

3. Sonntag nach Trinitatis / 11. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Lk 19, 1-10 2 Sam 12, 7-10.13 Gal 2, 16.19-21 Lk 7, 36-8,3 oder 7, 36-50

Stellung im Kirchenjahr: Im Umfeld des Sonntags zu Beginn der Zeit nach Trinitatis/im Jahreskreis jähren sich die Inbetriebnahme von „Solar One", des ersten mit Sonnenenergie versorgten Hauses der Welt in Newark (USA) am 11. Juni 1973 und der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953. Am 15. Juni 1988 erlässt die EU Qualitätsnormen für Gurken, um Standards zu setzen, der Händlern und Verbrauchern europaweit vergleichbare Produkte garantiert. Damit soll erreicht werden, dass etwa ein Gemüsehändler nicht erst die Gurken in jedem Einzelfall zu begutachten hat, sondern sich auf eine bestimmte Qualität verlassen kann.

 

Exegetische Anmerkungen

Lk 19,1-10: Die Perikope, Sondergut des Lk, betont Zachäus' Interesse am Wundertäter Jesus, der beim Sünder bleiben „muss". Gottes Heilswillen erfahrbar zu machen, allen Vorurteilen zum Trotz, duldet keinen Aufschub, sondern hat sich im „heute" zu vollziehen. So unterstreicht Jesus seine Sendung, im Kontext der vielen unterschiedlichen Erwartungen unbeirrt gerade das Verlorene zu suchen und zu retten.

2 Sam 12,7-10.13: Der Jebusiter Natan, der ansonsten David gegenüber nur Sympathie bekundet, kritisiert hier den König scharf. Er ist sich der Provokation bewusst, die Ehebruch und Mord des Israeliten David gegenüber der jebusitischen Bevölkerung Jerusalems bedeutet. Natan geht es um den König und seine Moral, aber auch um ein friedliches Zusammenleben der beiden Bevölkerungsteile.
Die Verwendung eines Gleichnisses im Rahmen einer prophetischen Strafankündigung ist einzigartig im AT.

Gal 2,16.19-21: Die Funktion des Gesetzes besteht für Paulus darin, aufzuzeigen, was Gottes Wille und was Sünde ist, und dafür Lohn zu verheißen oder Strafe anzudrohen. Eine etwaige Vergebung liegt außerhalb seiner Kompetenz, sie geschieht allein durch Gnade. Da dieser Weg der Vergebung für Juden- und Heidenchristen gilt, können sie einander die Tischgemeinschaft nicht verweigern. Die Trennwand, die niedergerissen ist, kann und darf nicht mehr neu errichtet werden.

Lk 7,36-8,3: Wie in der Erzählung von Zachäus ist Jesus liebevoll und provokant zugleich. Weniger geht es Lk um „hören" und „glauben" als darum Begegnungen zu schildern, aus denen Gemeinschaft wächst, der Mensch zur Liebe befreit wird. Im Aufeinandertreffen verschiedenster Bevölkerungsgruppen mit ihren Ängsten und Klischees ergeben sich neue Brücken und Abgrenzungen, wird umgeworfen und verwandelt, was zuvor als abgesichert und unumstößlich galt.

 

Predigtskizze

Lukas und Paulus stellen heraus, dass Gesetze und Vorschriften ihren Platz haben, aber letzten Endes nur Trennlinien beschreiben und Übertretungen verdeutlichen. Ein frei setzendes oder gar gestalterisches Potential bergen sie nicht, denn ein solches ereignet sich erst, wo und wenn ich Christus in mir und durch mich wirken lasse.

Sein vorrangiges Anliegen besteht darin, dem Verlorenen, aus der Bahn Geworfenen und an den Rand Geratenen die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Wo also sein Geist Raum gewinnt, sind Heilung und Rettung möglich. Nur so kann Integration gelingen, des/der Einzelnen mit Gott, der Gesellschaft und mit sich selbst.

Gerade Natan macht deutlich, wie Gottes Option für das Verlorene in seine Option für die Versöhnung mündet. Sein prophetischer Einsatz beginnt mit dem Blick auf den Misshandelten, und bewegt dadurch den Misshandelnden zur Reue. Letztlich aber geht es ihm Zusammenhalt und Gemeinschaft in der Gesellschaft.

Welche Dringlichkeit beide Optionen haben, zeigen Jesu Umgang mit Zachäus und der Konflikt um die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen, der Paulus umtreibt. Gottes universaler Heilswille verbietet, das „Heute" ungenutzt verstreichen zu lassen, und mahnt, gerade gegenüber anders lautenden Erwartungen, unbeirrt dem Willen Gottes zu folgen.

 

Bezüge zur Nachhaltigkeit, Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Suchen und retten, was verloren ist (2 Sam, Lk 7 und 19)

In gewissem Grad sind wir wirklich das Wesen, das die anderen in uns hineinsehen, Freunde wie Feinde. Und umgekehrt! Auch wir sind die Verfasser der andern; wir sind auf eine unheimliche und unentrinnbare Weise verantwortlich für das Gesicht, das sie uns zeigen, verantwortlich nicht für ihre Anlage, aber für die Ausschöpfung dieser Anlage. Wir sind es, die dem Freunde, dessen Erstarrtsein uns bemüht, im Wege stehen, und zwar dadurch, dass unsere Meinung, er sei erstarrt, ein weiteres Glied der Kette ist, die ihn fesselt und langsam erwürgt.

Aus: Max Frisch, Du sollst dir kein Bildnis machen!, 1981

2. Niedergerissene Mauern nicht wieder aufbauen, sondern Gemeinschaft gestalten (Lk 19, Gal 2)

Der von der nordirischen Regionalregierung in Auftrag gegebene Bericht „Bridging the Digital Divide" von 2002 schildert eine mehrfache „digitale Trennung", die Nordirland durchzieht, Regionen, Gruppen und Schichten voneinander distanziert. Bestimmte Gruppierungen sind davon besonders betroffen und benachteiligt, was wiederum zu Spannungen führt, zum Teil überwunden geglaubte neu entfacht. Der Bericht entwirft daraufhin einen Aktionsplan für mehr digitale Inklusion, denn „eine digitale inklusive Gesellschaft käme allen zugute – sowohl Individuen als auch Organisationen des privaten und öffentlichen Sektors.

Mehr unter www.dfpni.gov.uk/bridging_digital_divide_consultation_doc_aug_2002-2.pdf

3. Das „Heute" nicht ungenutzt verstreichen lassen (Lk 7 und 19)

Unter Fernsehsendungen des SFB über Willy Brandt findet man ein Feature mit dem Titel „Unter dem Pflaster einer Großstadt", gesendet am 11. August 1958. In dem Beitrag, der von der gesamten ARD ausgestrahlt wurde, kam der damalige Regierende Bürgermeister mit einer am 31. Mai 1958 gehaltenen Rede zu Wort. Anlass war die Eröffnung eines neuen U-Bahn-Teilstückes in Berlin, bei der Brandt die Hoffnung ausdrückte, ‚dass eines Tages zusammengefügt sein wird, was zusammengehört.'" Und am 12. August 1964, aus Anlass des dritten Jahrestages des Mauerbaus, erklärte Brandt: „Deutschland muss vereinigt werden, damit zusammengefügt wird, was zusammengehört."

Aus Timothy Garton Ash: Wächst zusammen, was zusammengehört? 2001

Solar One passte in die Zeit, denn wegen politisch bedingter Ölengpässe war die sichere Versorgung mit Energie zum Thema geworden. Präsident Jimmy Carter stimmte seine Landsleute auf harte Zeiten ein und forderte: "Wir müssen jetzt unkonventionelle Energiequellen für das nächste Jahrhundert erschließen."
1993 erhielt Carter von der University of Delaware die hoch dotierte Karl-Wolfgang-Boer-Medaille für Verdienste um die Entwicklung der Solarenergie. Boer, ursprünglich Deutscher, war der Hauptideengeber und -konstrukteur von Solar One. Als 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, hatte er eine Professur an der Ost-Berliner Humboldt-Universität, wo er sich unter anderem mit Dünnschicht-Solarzellen befasst hatte. Zum schicksalsschweren Datum des 13. August aber befand er sich gerade auf einer Vortragsreise in den USA. Boer entschied sich, dort zu bleiben.

 

J. Feldes

Mehr unter: www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/796422

Lit.: Baumert, Norbert: Der Weg des Trauens = Paulus neu gelesen 3 (2009)
Bovon, Francois: Das Evangelium nach Lukas = EKK III/1+3 (1989, 2001)
Jones, Gwilym: The Nathan Narratives = JSOT Suppl. Series 80 (1990)