24.30-32;
Lk 15,1-3.11b-
32;
1Tim 1,12-17; Jona 4; Lk 15,1-10; Micha 7,18-20 [www.stichwortp.de]
3. Sonntag nach Trinitatis / 12. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Lk 15, 1-3.11b-32 | Ijob 38, 1.8-11 | 2 Kor 5, 14-17 | Mk 4, 35-41 |
Der Autor betrachtet den Predigttext der EKD Reihe sowie den Text des Evangeliums. Themen im Umfeld des Stichworts „nachhaltig“: Jesu Botschaft erlaubt in keinerlei Weise, dass Menschen der Zugehörigkeit zu einer menschlichen Gemeinschaft verlustig gehen. Die Formen der Ausgrenzung sind vielfältig. Denen gilt es zu widerstehen. Die dazu freimachende Kraft ist uns im Vertrauen auf Gottes Macht verheißen.
Exegetische Anmerkungen und Anregungen zur Auslegung
1.: Lk 15, 1-3.11b-32 Die Geschichte vom sog. verlorenen Sohn
Die Geschichte ist wohl eine der bekanntesten im Neuen Testament. Die meisten derer, die der Kirche eng verbunden sind, haben sie mehrmals gehört. Zum Verständnis der Geschichte einige Hinweise: Der Anlass, warum Jesus die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen sowie unsere Geschichte erzählt, ist die Auseinandersetzung mit Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie werfen Jesus vor, sich mit „Sündern“ abzugeben und mit ihnen sogar Mahlgemeinschaft zu haben (15,2). Zwei Hauptteile hat die Geschichte. Das Geschick des jüngeren Sohns und die Szene mit dem älteren Sohn. Eine durch und durch patriarchalische, hierarchische Welt begegnet uns hier. Frauen kommen nicht vor, jedoch Knechte und Tagelöhner. Dass der jüngere Sohn sein Erbteil in Anspruch nehmen möchte, um eine eigene Existenz zu gründen, ist üblich. Sein heilloser Lebenswandel im Ausland und damit ohne die vertraute Schutzgemeinschaft mit festen Regel und Ritualen, lässt das ererbte Vermögen rasch dahinschwinden. Seine Verarmung wird verstärkt durch eine ausbrechende Hungersnot. Er landet im Elend als Schweinehirt und fristet ein erniedrigendes Dasein, das für einen Juden nicht hätte schlimmer sein können. Hungernd und ausgebeutet ist er am Ende und damit an einem Wendepunkt. Er vollzieht eine innere Umkehr aus der Einsicht in sein Versagen und mit dem Bild seiner Heimat, dem Vaterhaus vor Augen. In seiner ausweglosen Lage entschließt er sich zur Heimkehr. Er strebt für sich keine Sonderbehandlung an, sondern ist bereit, sich auf der untersten Stufe in der Dienstleistungshierarchie einzuordnen.
Eindrücklich ist die Gestalt des Vaters: Voll Sehnsucht sieht er, der vermutlich immer wieder Ausschau hielt und den Horizont mit seinen Augen absuchte, den Heimkehrenden schon in der Ferne. Der Anblick der ausgezehrten Elendsgestalt „jammerte“ ihn. Das Wort drückt das tiefe, ans Herz gehende Mitleid aus. Er eilt dem Sohn entgegen, umarmt und küsst ihn. Es sind Zeichen der ungebrochene Liebe des Vaters. Keine Vorwürfe, Anklagen, Verurteilungen. Er wird der vollen Würde seiner Sohnschaft teilhaftig und darf an der aus Anlass seiner Heimkehr ausgerichteten Mahl- und Festgemeinschaft teilnehmen. Der ältere Bruder distanziert sich nachdrücklich von seinem Bruder und dem Aufheben, das von dem Vater für den Zurückgekehrten veranlasst wurde. Er weist das Werben des Vaters um Mitgefühl und die Zustimmung zur Aufnahme des Bruders in die Hausgemeinschaft vehement zurück. Er verweigert sich dem Fest und ist nicht in der Lage, sich mitzufreuen.
Keine(r) soll draußen bleiben
Der Erzähler Jesus hat mit seiner Lebenspraxis exemplarisch gezeigt, dass keinem nach dem Willen Gottes die Einladung zum Fest des Lebens vorenthalten werden darf. Mit der Geschichte eröffnet Jesus seinen Hörern ein Angebot, sich das liebevolle Verhalten des Vaters zum Vorbild zu nehmen. Er wirbt dafür, Barmherzigkeit zu üben, ohne zu rechnen, zu messen, zu richten und zu verurteilen. Sein Anruf lautet: Öffnet doch wie der Vater eure Herzen und Türen. Gebt der Liebe Raum und dem Abgrenzen und Ausgrenzen keine Chance. Niemand soll draußen bleiben und die Eingliederung in die Gemeinschaft verwehrt werden. Aktuelle Beispiele dafür, dass Menschen an den Rand oder ganz ins Abseits gestellt werden gibt es unserer Gesellschaft und darüber hinaus viele. Da sind z.B. Menschen in sozial prekären Verhältnissen zu nennen, Langzeitarbeitslose; allein stehende Frauen mit Kindern; Migranten, denen oft zu Unrecht soziales Schmarotzertum vorgeworfen wird; junge Menschen mit einem fremd klingenden Namen oder dunklerer Hautfarbe, die bei ihrer Arbeits-, Berufs und Wohnungssuche diskriminierend abgewiesen werden. Ihnen allen und weiteren Gruppen werden dadurch Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe beschnitten oder ganz vorenthalten. Im globalen Kontext sind es unzählige Millionen von Menschen, die nicht zuletzt wegen unseres höchst aufwendigen, Ressourcen verschlingenden Wirtschafts- und Lebenshaltungssystems elementarem Mangel ausgesetzt sind. Der Skandal fortbestehenden Hungers von 1 Milliarde Menschen, die oft völlig unzureichende Gesundheitsversorgung für große Bevölkerungsteile vieler Länder, die auch durch Umweltbedrohungen ausgelöste Flüchtlingsströme, sind allein schon genügend Belege für die Ausgrenzungen, die in großem Maße weithin als gegeben ohne wirklichen Veränderungswillen hingenommen werden. Das englische Wort für erinnern »remember« heißt sinngemäß: wieder ein Mitglied einer menschlichen Gemeinschaft, ob als kleine oder große Einheit, zu werden. Erinnern erhält damit eine weit über das Individuelle hinausgreifende, sogar universale Bedeutung. Diese Art von Erinnerungsarbeit zu leisten ist nicht einfach. Denjenigen von uns, die sich auf relativ gesichertem Terrain bewegen, fällt es schwer, eine Wende, eine Umkehr zu vollziehen. Allzu tief sind wir in die unsere Lebensvollzüge bestimmenden Strukturen hineinverstrickt, so dass wir uns von diesen nur wenig wirksam freimachen können. Dennoch, die Geschichte von dem Vater, bei dem es keinen Ausschluss gibt, bleibt der Stachel, der uns nicht zur Ruhe kommen lassen darf.
Friedrich Bodelschwingh, der Gründer von Bethel, hat für das Leben der Christen die Losung ausgegeben: „Die barmherzige Auffassung aller Dinge soll der oberste Gesichtspunkt sein.“ Dieser Grundsatz hat nicht ausgedient, er ist weiter gültig, auch wenn klar ist, dass er immer mit dem Ringen um Gerechtigkeit gepaart sein muss.
2.: Mk 4, 35 -41 Die Stillung des Seesturms
Die Erzählung folgt der Gleichnisrede vom Kommen des Reiches Gottes und ist die erste von vier Wundergeschichten. Sie geben Zeugnis von Jesu Vollmacht. Die Sturmstillung zeugt dafür, dass er auch den Naturgewalten zu gebieten vermag.
Der See Genezareth liegt 22 m unter dem Meeresspiegel. Fallwinde von den umliegenden Bergen können im Nu hohe Wellen aufkommen lassen. Die Winde können aber auch wieder schnell abflauen. Anschaulich wird der Kontrast in dem Boot geschildert: Einerseits die Aufregung der Jünger, die mit der bedrohlichen Lage überfordert sind, andererseits der schlafende Jesus, der von den rasenden Elementen unbeeindruckt ist. In ihrer Angst wecken die Jünger ihren Herrn auf und äußern vorwurfsvoll die anscheinend von ihm unbemerkte Gefahr. Dieser sorgenvolle, hilflose Aufschrei steht für die Not der Glaubenden, die sich von bösen Mächten und vom Leiden angefochten an Gott wenden und keine Antwort erhalten. Jesus gebietet Sturm und Wellen, den für dämonisch gehaltenen Naturgewalten, und erweist dadurch seine Vollmacht. Er tadelt die Jünger wegen ihrer Furcht und ihres Unglaubens. Glauben entsteht nicht durch Wunder, sondern aufgrund des Vertrauens auf Gottes in Jesu Person und Botschaft erschienene, heilschaffende Macht.
Der Sturm nimmt in der Bildersprache die Erzählung der Sturmflut auf, die das Verderben über die Erde brachte. Hier wie dort sehen sich die Menschen der scheinbar ungebrochenen Macht des Bösen ausgeliefert. Die Jünger wussten, dass das Wasser der Urzeit als ein Bild der elementaren Bedrohung menschlichen Daseins zu verstehen war Die Rettung erfolgt bei der Sturmstillung nicht wegen der Geschicklichkeit der Bootsinsassen und der Manövrierfähigkeit des Bootes. Es ist das schöpferische, kraftvolle Wort, mit dem Jesus in der Vollmacht Gottes dem Schrecken ein Ende bereitet.
In der Gewissheit von Gottes Macht den Mächten entgegentreten
Die alte Kirche hat die Sturmstillung auf die Errettung der bedrängten Gemeinde durch Christus gedeutet. Bis heute findet diese Interpretation ihre Darstellung mit dem die Wellen durchquerenden sicheren Boot, dessen Mast das Kreuz ist (z.B. beim Ökumene-Symbol). Damit wird ein Bild von Kirche hochgehalten, in der sich eine Gruppe von Menschen sammelt, die auf die bewahrende Nähe Gottes vertraut. Kirche gleichsam als Rettungsstation für die Getreuen. Demgegenüber wäre ein Bild des Bootes darzustellen, das umherkreuzt, um alle die aufzunehmen, die in den ungezähmten Wassern des Lebens und der Verhältnisse fragend, suchend, Hilfe benötigend den unheilvollen Mächten ausgesetzt sind.
Die bei der Sturmstillung in Erscheinung tretenden Naturgewalten lassen uns an die deutliche Zunahme von Naturkatastrophen denken, deren Ursachen zumindest teilweise menschengemacht sind. Sie sind Folge der Nichtachtsamkeit gegenüber den im Naturgefüge herrschenden Gesetzen und der uns aufgetragenen Bewahrung der Schöpfung.
Schließlich lassen die im Boot in Not geratenen Jünger an die zunehmende Zahl von Bootsflüchtlingen denken, die oft ungeschützt das Mittelmeer mit oft schlimmem Ausgang zu überqueren suchen. Eine Situation, der in Europa mit ungenügenden, teilweise menschenverachtenden Maßnahmen begegnet wird.
Gerhard Fritz, Landau