30.o3.25 – Laetare / 4. Fastensonntag

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Joh 6, 47-51 Jos 5, 9a.10-12 2 Kor 5, 17-21 Lk 15, 1-3.11-32

Die Autorinnen und Autoren haben einen gemeinsamen, ausführlichen Beitrag verfasst, mit vielen Hintergrundinformationen zur Entwicklungsarbeit und Situation beispielsweise in Indien und Papua-Neuguinea
Anne Freudenberg-Klopp, Referentin für Theologie und Nachhaltigkeit im Ökumenewerk der Nordkirche; Linda Corleis, Referentin für Brot für die Welt im Diakonischen Werk Hamburg; Torsten Nolte, Referent Ökumenische Diakonie im Diakonischen Werk Schleswig-Holstein  und Jörg Ostermann-Ohno, Referent für Indien, Papua-Neuguinea und Pazifik im Ökumenewerk der Nordkirche

 

1. Stellung des Sonntags im Kirchenjahr

Der Sonntag Lätare liegt in der Mitte der Passionszeit und hat seinen Namen aus Jesaja 66, 10-11 „Freut euch…“. Mitten in allem Leiden scheint schon das Osterlicht auf.  Darin liegt etwas Tröstliches. Zu diesem Sonntag gehört traditionell die besondere liturgische Farbe rosa als Mischung von violett (Passion) und weiß (Auferstehung). Hier deutet sich die Wende vom Tod zum Leben an, von Zerstörung zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Dies gehört ins Zentrum des christlichen Glaubens. Und gleichzeitig bleibt die Erfahrung vieler Menschen, dass diese Sehnsucht nach erfülltem Leben, unzerstörbarer Liebe und gerechtem Frieden immer wieder durch Mächte und Systeme des Todes mitten im Leben bedroht und zerstört wird.

 

2. Exegetische Hinweise und theologische Impulse

2.1 Johannes 6,47-51 (EKD Text)

Innerhalb des Johannesevangeliums stellt die Lebensbrotrede Jesu in Joh 6,30-51 einen wesentlichen Entscheidungsmoment des ganzen Evangeliums dar. Hier verbinden sich irdischer Jesus und angekündigter Christus. Nach den vielen Zeichen wie dem Brotwunder und Seewandel in Joh 6,1-25 wird hier der tiefere Grund des jesuanischen Auftretens deutlich – als Brot des Lebens wird Jesus in seiner ganzen Bedeutung für die Menschen erkennbar. Brot als unmittelbare Lebenserfahrung, die immer tiefer zu einer wahren Erkenntnis Jesu Christi als Brot des Lebens führt.

In den Versen 47-51 kommen die Worte Brot und Leben jeweils fünf Mal vor. Das Essen des Brotes ist Voraussetzung der Lebenszusicherung und meint bildhaft die innere Kommunikation mit Jesus durch den Glauben. Der, der vom Himmel herabkommt, verweist auf den österlichen Sinn und damit auf den göttlichen Schöpfer.

Alles beginnt mit dem Glauben: wer glaubt, hat ewiges Leben (V47). Und dieser Glaube braucht sich an nichts anderem als am „Ich bin“ Jesus zu orientieren (V48). Jesu Selbstzeugnis aus Vers 35 „Ich bin das Brot des Lebens“ wird aufgegriffen und verstärkt: er ist Geber und Gabe zugleich. Die Unterscheidung vom alttestamentlichen Volk, das ungesättigt geblieben ist, stellt keine Abwertung der früheren Gotteserfahrungen dar. Diese Erinnerung stellt die Verbindung der Gotteswirklichkeit über die Zeiten hinweg sicher (V49). Das Wort wird zur nahrhaften Wegzehrung für alle, die glauben – diese himmlische Vision trägt elementare Bedeutung für alle irdische Existenz (V50). Die Wendung für das Leben der Welt (V51) ist im Neuen Testament einzigartig. Das ist die universale Linie, die festhält, dass Gottes rettendes Handeln in Christus der ganzen Welt gilt.

 

2.2 kath. Lesung Josua 5,9a10-12

Nach dem Weg durch die Wüste kommen die Israeliten im gelobten Land an und finden in Gilgal ihr Standquartier. „In Gilgal stellte Josua die zwölf Steine auf, die man aus dem Jordan mitgenommen hatte.“ (Jos 4,19-20)  Diese sollten die Israeliten stets daran erinnern, wie JHWH sie trockenen Fußes durch das Schilfmeer und durch den Jordan geführt hatte. Über 40 Jahre waren die Israeliten ununterbrochen unterwegs und es gab keinen passenden Ort für die Beschneidung und auch keine Zeit für die Heilung. Erst in Gilgal ist es möglich das Lager lange genug zu beziehen, um eine unkomplizierte Heilung zu ermöglichen, anlässlich der Zeit zwischen den zwei Festen Pessach und Mazzot. Mit Pessach verbindet sich der Auszug aus Ägypten und mit Mazzot der Einzug ins Verheißene Land.

Hier im Buch Josua wird Mazzot als Fest der Landnahme verselbstständigt, ganz im Sinne des agraischen Ursprungs. „Pessach war das Fest zum Aufbruch der Hirtinnen und Hirten mit ihren Herden zu den Frühjahrsweiden im Wald oder in die Steppe, während die Bauern im Dorf zurückblieben. Mazzot war das Fest zu Beginn der Getreideernte. Die Abwesenheit von Sauerteig symbolisierte, dass die letztjährige Ernte vollständig verzehrt ist und die Gemeinschaft ganz auf den Segen des kommenden Jahres angewiesen ist.“

Das Ende des Manna (vgl 2 Mose 16) signalisiert das Ende von Israels landloser Existenz. Die Wüstennahrung, die ihnen schon seit 4 Mose 11 nicht mehr schmeckte, haben die Israeliten nun endgültig hinter sich gelassen. Das Manna ist beides: Himmelsbrot und Brotersatz, Heilszeit der Gottesnähe und zugleich Unheilszeit der Landlosigkeit.

 

2.3. kath. Evangelium Lukas 15, 11-32

Das Gleichnis in Lukas 15 ist dem lukanischen Sondergut zuzuordnen und ist im Kontext des Reiseberichts in Lukas 9, 51-19,27 von Leiden, Tod und Auferstehung zu verstehen. In allen drei Gleichnissen in Lukas 15 geht es um das Verlorengehen und das Gefunden- bzw. Aufgenommen werden. Leitmotiv ist die Freude und nimmt damit das Thema vom Sonntag Lätare auf.

Die Bitte des jüngeren Sohnes, sich das Erbe auszahlen zu lassen ist nachzuvollziehen. Es geht um die Notwendigkeit, eine eigene Existenz zu gründen. Mit dem Ausbruch aber trennt sich der Sohn aus dem Familienverband, er löst sich aus der ihn tragenden und schützenden Tradition (V13). Der Sohn geht dem Vater verloren: familiär (die Hausgemeinschaft ist aufgehoben), kommunikativ (in der Ferne reißt das Gespräch ab) und auch wirtschaftlich (sein Kapitalanteil und seine Arbeitskraft verschwinden aus dem ökonomischen Gefüge des väterlichen Hofes). Die Geschichte nimmt ihren Verlauf. Das Geld geht aus, die Hungersnot zwingt ihn auch seine kultisch-religiösen Bindungen abzustreifen und sich bei einem Heiden als Schweinehirt zu verdingen. (VV14-16) Der absolute Bruch, nicht nur zur Familie, sondern zur Volksgemeinschaft, ist damit vollzogen. Dieser letzte Schritt hilft nicht zum Überleben.

„Da ging er in sich“ heißt es in V17. Er erkennt, dass er am Ende ist, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Er beschließt umzukehren. Der Sohn macht sich auf den Weg zum väterlichen Anwesen (VV18-19). Der Vater läuft, der Würde eines Familienvaters unangemessen, dem Verlorenen entgegen (V20) und nimmt ihn wieder als Familienmitglied auf, obwohl der Sohn kein Recht mehr dazu hat. Durch das Erbarmen des Vaters ereignet sich eine unerwartete Wende. Das Wort „jammern“ (spalizein) kommt nur in den synoptischen Evangelien vor. „Im ungebührlich schnellen Laufen des Vaters äußert sich die Dynamik der Gnade. Zwischen Heillosigkeit und Heil liegt …. das Wunder der Bewegung des Erbarmens in die Heillosigkeit hinein. (Schneider-Flume Seite 343).

Die Anweisungen zur Einkleidung des Sohnes und zur Bereitung des Festes werden mit der Aufforderung zur Festfreude abgeschlossen, die in V24 mit der Wendung vom Tod zum Leben, vom Verlorensein zum Gefundenwerden begründet werden.

Der ältere Sohn schließt sich durch seinen Zorn von der Festfreude und aus der Mahlgemeinschaft aus. Es bleibt offen, ob er sich auf die Bitte des Vaters einlassen kann.

 

2.4. kath. Lesung Zweiter Korinther 5,17-21

Das 5. Kapitel ist eingebettet in den apologetischen Abschnitt über das Apostelamt des Paulus, das hier theologisch reflektiert wird (2,12-6,10) und hier wiederum eingefügt in die Passagen über den apostolischen Dienst der Versöhnung als Leben aus der Versöhnung (5,11-6,10). Vers 17 führt nach Vers 16 eine weitere positive Folge aus dem Heilswerk Christi (V14f.) auf und ist mit der negativen Konsequenz aus Vers 16 eng verbunden. Durch das neue Sein im Herrschaftsbereich Christi (ἐν Χριστῷ) ist der Mensch bereits in die eschatologische Neuschöpfung Gottes einbezogen, die mit Christus beginnt. Als „neue Schöpfung“ ist Teil der noch ausstehenden gesamten eschatologischen Schöpfung Gottes (vgl. Röm 8,19). Vers 18 erläutert die Konsequenzen nach V.16f. hinsichtlich ihres Ursprungs: Gott hat dies neue Erkennen und Dasein gewirkt als versöhnendes Handeln Gottes durch das Sterben und Auferstehen des Christus „für alle“. Gott ist damit Subjekt und zugleich Ziel der Versöhnung. Objekt sind alle, die sich diese Versöhnung durch ihre Bekehrung zueignen und wahr werden lassen durch den „Dienst der Versöhnung“.  Vers 19 leitet begründend die Versöhnungsbotschaft aus dem universalen Versöhnungshandeln Gottes her. Dieses führt durch das Tilgen der Schuld zur Versöhnungsbotschaft der Berufenen. Vers 20 folgert aus der Beauftragung zum Dienst, dass es sich dabei um die Tätigkeit von Botschafter*innen der Versöhnung an Christi Statt handelt und in Entsprechung zu seinem sich selbst erniedrigenden Heilshandeln im Dienst am Nächsten. Diese mündet in die Einladung, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Vers 21 umschreibt in Rechtfertigungsterminologie das Versöhnungsgeschehen mitsamt seiner Konsequenz als Grundlage zur Aufforderung zur Versöhnung mit Gott aus Vers 20, wobei die Sündlosigkeit Christi betont wird. Gottes Gerechtigkeit kommt hier am und im Menschen zur Wirkung. Durch ἐν αὐτῷ ist wiederum eine Rückbindung zu V.17 gegeben. Rechtfertigung als Befreiung von der Macht der Sünde bedeutet Neuschöpfung.

 

3. Predigtanregungen mit Bezug zu Nachhaltigkeit und zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

3.1. „Brot für das Leben der Welt“ Johannes 6, Vers 51

Brot ist aus unserem Leben nicht wegzudenken und wird in Sprichwörtern und Redewendungen oft mit der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung gleichgesetzt. Während bei uns in Deutschland Kartoffeln und Weizen für Brot & Pasta Grundnahrungsmittel sind, ist Reis und Hirse in Asien von zentraler Bedeutung. In Lateinamerika dient die Kartoffel in einigen Ländern ebenfalls als Grundnahrungsmittel und vor allem Mais. In Afrika wird viel gesunde Hirse, Maniok und Maismehl für den typische Maisbrei Ugali konsumiert.

Je nach kulturellem und sozialem Hintergrund ist Brot in Überflussgesellschaften eine Sache des Erlebens, in Mangelgesellschaften ist Brot eher ein Symbol für das Überlebens. In Deutschland werden jährlich etwa 12 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, darunter auch große Mengen Brot. Dies entspricht etwa 75 Kilogramm pro Person pro Jahr. Jeder Deutsche wirft im Schnitt 7,7 kg Brot und Backwaren pro Jahr in den Müll.  Zugleich hat in den vergangenen Jahren die Nachfrage bei den Tafeln in Deutschland erheblich zugenommen. Die COVID-19-Pandemie, gefolgt von wirtschaftlichen Unsicherheiten und steigender Inflation, hat viele Menschen in finanzielle Notlagen gebracht. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass mehr Menschen auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen sind. Insgesamt berichten die Tafeln von einem deutlichen Anstieg der Bedürftigen, was die Organisationen vor logistische und finanzielle Herausforderungen stellt, um die gestiegene Nachfrage zu bewältigen.

Die Armut nimmt zu. Dabei ist zu unterscheiden: Armut ist der Mangel an grundlegenden Bedürfnissen wie Nahrung, Unterkunft und Bildung. In Deutschland gilt ein Mensch als arm, wenn er weniger als 60 % des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Hauptursachen für Armut sind unzureichende Bildung und demzufolge ein erschwerter Zugang zur Erwerbsarbeit, soziale Ungleichheit, fehlenden Geschlechtergerechtigkeit, Missachtung der Menschenrechte, Umweltkrisen, Kriege, Terror und Gewalt. In den letzten zehn Jahren ist die weltweite Armut leicht zurückgegangen, jedoch leben immer noch fast 750 Millionen Menschen in extremer Armut. Aktuelle Zahlen aus dem Jahr 2022 bezeichnen 16,8 Prozent der Menschen in Deutschland als einkommensarm. Im Jahr 2022 konnte erstmalig seit 2006 der fast ungebrochene Trend zunehmender Armut unterbrochen werden. Allerdings waren es im Jahr 2022 immer noch 2,7 Millionen mehr Arme als 16 Jahre zuvor.

Noch knapp sechs Jahre verbleiben bis 2030 der Hunger und die weltweite Armut beendet sein sollen. Das haben die Staats- und Regierungschefs mit der Verabschiedung der globalen Nachhaltigkeitsziele, den SDGs, im Jahr 2015 im SDG1 beschlossen. Dann sollen alle Menschen weltweit in der Lage sein, sich ausgewogen und gesund zu ernähren und alle Formen von Armut beendet sein. Nichts deutet darauf hin, dass dieses Ziel erreicht wird. Im Jahr 2024 hungern noch immer 750 Millionen Menschen weltweit. In 22 Ländern hat der Hunger seit 2016 zugenommen und in 20 Ländern sind die Erfolge weitgehend zum Stillstand gekommen.

Vers 51 in Johannes 6 weist darauf hin, dass wir uns der Welt öffnen sollen und auch genau hinsehen, was zum Leben notwendig ist. Der Text in Josua erinnert daran, dass wir genügend zum Leben haben. Manna in der Wüste ist vergangen. Es gibt alles, man muss keine Vorräte anlegen; an jedem Tag wird einem neu gegeben – man sollte nicht horten. Die Menschen in Papua-Neuguinea leben von der Hand in den Mund. Menschen aus europäischen Ländern sagen, Du musst Profit machen; man soll sich selbst den Himmel bauen, aber es geht um die Rückbesinnung auf die eigentlichen Bedürfnisse.  Die biblischen Texte für den Sonntag Lätare laden ein, sich darauf rück zu besinnen, was man wirklich braucht, nicht zu raffen und egoistisch für sich selbst sorgen, sondern sein Leben „die Welt ausrichten“, dort hinzusehen, wo andere Schmerzen haben.  Am Sonntag Lätare scheint in allem Leid Ostern auf, aber es erinnert uns auch an Kreuz. Das Himmelsbrot ist der Gekreuzigte. In der Wandlung ist Schmerz und aus dem Schmerz kommt etwas Neues.

In den biblischen Texten geht es um das Teilen und Abgeben. Das kommt auch in dem KED Mandat der Kirchen zum Ausdruck. Die Anstöße zur Gründung des Kirchlichen Entwicklungsdienstes gaben Impulse und Debatten aus gesellschaftlichen Bewegungen der 60iger Jahre: Fragen von Gerechtigkeit für die sog. „Dritte Welt“, Abrüstung, Bekämpfung von Rassismus und Apartheid etc. bestimmten die Agenda. Beflügelt von den Forderungen der 6. ÖRK Vollversammlung von Uppsala 1968 richtete auch die EKD-Synode von 1968 in Berlin den mittlerweile historischen Appell an alle Gemeinden und Kirchen, „... zunächst 2 Prozent aller kirchlichen Haushaltsmittel für die Aufgaben des kirchlichen Entwicklungsdienstes zur Verfügung zu stellen und diesen Betrag bis zum Jahr 1975 auf 5 % zu steigern...“ Das ist ein bleibender Auftrag gerade auch angesichts der steigenden Inflation und Kürzungen von Geldern für Entwicklungszusammenarbeit.

Exkurs Länderkontext Indien

Indien ist seit dem Jahr 2023 mit einer Gesamtbevölkerung von geschätzt rund 1,44 Milliarden Einwohner*innen das bevölkerungsreichste Land weltweit. Der Subkontinent ist Heimat für eine große Vielfalt an Religionen, Kulturen und Sprachen, die seit Jahrhunderten überwiegend friedlich zusammenleben. Alle Religionen der Welt sind in Indien zuhause. Das Christentum ist der Legende nach bereits mit dem Apostel Thomas im 1. Jahrhundert in Indien heimisch geworden. Das hohe Maß an Diversität kennzeichnet die Gesellschaft Indiens bis heute und ist sowohl Quelle für kulturellen Reichtum als auch für eine Reihe von Konflikten.

Nach der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht, ist Indien als demokratisch verfasstes Land ein wichtiger Player auf der Weltbühne geworden, das seinen Platz als globaler Akteur einzunehmen sucht. Die Menschen in Indien leben trotz der rasanten Industrialisierung zu 70 % immer noch auf dem Land. Grundnahrungsmittel sind vor allem Reis, Linsen, Gemüse und für Nichtvegetarier auch Fleisch in der vielfältigen Küche Indiens.

Das Ausmaß der Armut in Indien ist zwar rückläufig, dennoch bedeutet sie für viele Menschen nach wie vor Mangel an Bildungs- und Aufstiegschancen, prekäre Einkommen, Diskriminierung, unzureichender Zugang zur Gesundheitsversorgung bis hin zu Mangelernährung und Hunger. Der Klimawandel mit seinen Folgen führt zudem immer häufiger zu Ernteausfällen. Nach wie vor existiert eine weit verbreitete Diskriminierung von Menschen, die den unteren Kasten oder den Kastenlosen (Dalits) oder auch Adivasis (Indigene) angehören. Gewalt gegen Frauen ist zudem ein großes Problem in der patriarchal geprägten Gesellschaft Indiens. Die Hoffnung auf Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und einen bescheidenen Wohlstand ist für viele Menschen immer noch nicht eingelöst.

Exkurs Länderkontext Papua-Neuguinea

PNG ist ein junges Land mit einem einzigartigen Reichtum an natürlichen Ressourcen und Kulturen. Die ca. 11 Millionen Menschen verteilen sich auf zahlreiche indigene Gruppen mit über 800 verschiedenen Sprachen. Das Land ist reich an Bodenschätzen und zugleich arm an Infrastruktur und staatlicher Daseinsfürsorge. Zudem verfügt es über den drittgrößten zusammenhängen tropischen Regenwald weltweit. Große Minenprojekte und der drohende Tiefseebergbau bedrohen jedoch die in weiten Teilen noch intakte Natur.
Wesentliche Lebensgrundlage für die Menschen in PNG ist das Land, das in den Händen der einzelnen Ethnien, Clans und ihrer Familien liegt. Über 80 % der Menschen leben in ländlichen Regionen, oft weit entfernt von Straßen, Schulen und medizinischer Grundversorgung. Der Boden ist fruchtbar und ernährt seine Bewohner*innen mit dem Nötigsten. Traditionell leben die Menschen vom Anbau von Süßkartoffeln, Yams, Taro, Maniok und Gemüse sowie von Früchten aller Art, an den Küsten auch vom Fischfang und Kokosnusspalmen.

Nach dem Human Development Index belegt PNG den 154. Rang von insgesamt 193 Ländern. Bei der Kindersterblichkeit liegt das Land mit 39,2 in Tausend Geburten im mittleren Bereich (2024). Die Zahl der Analphabeten beträgt ca. 40 %. Weit verbreitet sind häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Vier von fünf Frauen, die in PNG aufwachsen, werden Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Viele von ihnen suchen Schutz in kirchlichen Frauenhäusern. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt. Viele junge Menschen zieht es nach der Schule in die wenigen Städte in der Hoffnung, dort bezahlte Jobs zu finden, die aber kaum vorhanden sind. Das führt zu einem hohen Maß an Frustration, kultureller Entwurzelung, Drogenmissbrauch und Gewaltkriminalität. Zu den größten Herausforderungen für die Menschen zählen daher Unsicherheit, Mangel an Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Jobmöglichkeiten. Insbesondere die große Gruppe der jungen Menschen hungert nach Zukunftschancen und damit nach einem Mindestmaß an Wohlstand. Neben dem Raubbau an natürlichen Ressourcen sind es v.a. die immer massiveren Folgen des Klimawandels, die die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bedrohen.

 

3.2. Orte des Erbarmens - Nahrung für die Seele - Beziehungen stiften

In Johannes 6, 47-51 und Lukas 15, 11-32 geht es mehr als um das Sattwerden des Körpers. Es geht um die Frage: wonach hungert der Sohn? Wonach sehnen sich Menschen in Deutschland aber auch anderen Länderkontexten, wenn sie an ihre Zukunft denken?

Mit Blick auf die jüngsten Bundestagswahlen im Februar 2025 stellt sich die Frage, was bewegt Menschen die AFD zu wählen. Einsamkeit ist der Nährboden für den Populismus. Über Tiktok sind junge Menschen empfänglich für Botschaften der AFD, die den Missmut kultivieren und auf Ausgrenzung setzen. Wahlen werden bei uns damit gewonnen, dass Menschen die Aufnahme und damit das Leben verwehrt wird.

In Johannes 6,51 heißt es, wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Der Sohn, der in die Vereinzelung geht, sehnt sich nach Gemeinschaft (Lukas 15). Die biblischen Geschichten zeigen, Heil ist in Beziehungen möglich. Selbst in den scheinbar ausweglosen Situationen gibt es Zukunftsperspektiven. In Lukas 15 erbarmt sich der Vater.  Dieses Erbarmen spiegelt Gotteswirklichkeit. Erbarmen kennt keine Vorbedingungen. Es schafft die Wende vom Tod zum Leben. Und auch im in der Lebensbrotrede in Johannes 6 will Jesus nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele Nahrung geben, den Hunger nach gutem sinnvollem Leben stillen. Jesus steht für die tiefe Sehnsucht in uns, Liebe und Geborgenheit zu erleben, für den Wunsch nach Gottes Nähe. Leben mit dem Vertrauen, geliebt zu sein, einfach so wie ich bin – mit der Gewissheit, dass Gott für mich da ist, für mich sorgt; dass ich habe, was ich zum Leben brauche und nicht festhalten muss, was mir gehört.

Kirchen sind wichtige Orte, um Beziehungen leben und Gemeinschaft inklusiv zu gestalten. Das lebte der Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez Merino in seinem theologischen Ansatz besonders vor. Er nahm sich die Not des Volkes zu Herzen. Er schaute auf das Leiden und die Kämpfe des einfachen Volkes und nahm sie zum Anlass und Ausgangspunkt für theologisches Nachdenken. In seinem Hauptwerk „Theologie der Befreiung“ formulierte er den Vorrang des konkreten praktischen Lebens vor der theologischen Reflexion. Er sah Arme und Unterdrückte als erste Adressaten des Evangeliums. Nächstenliebe war für ihn kein allgemeiner Begriff, der soz. neutral für sich steht, sondern untrennbar mit der Frage nach Gerechtigkeit verbunden. Für den Peruaner kam Theologie, so gesellschaftskritisch sie sein mochte, stets "aus dem Herzen der Kirche". Und war zugleich "Antwort auf gesellschaftliche Wirklichkeit". "Wie den Armen sagen 'Gott liebt Euch'? Das ist für unsere heutige Welt die bedeutendste Frage. Unmöglich, sie zu beantworten. Aber zur Antwort gehört, mit den Armen zu leben, einer von ihnen zu werden", betonte er einmal. Wo auch immer er lehrte - häufig kehrte er heim nach Peru in die Armenviertel. Dort war Gutiérrez zu Hause. Seine Stärke war nicht eine weltweite Vernetzung der Theologie, sondern ihre Verortung bei den Menschen der Slums Lateinamerikas. Das System der sog. „Basisgemeinde“ stammte als Idee von Gutierrez und lebt heute in Lateinamerika zigtausendfach. Armut, so argumentierte er, sei etwas, dem man sich widersetzen müsse, anstatt sie zu ertragen, und Geistliche und Gemeindemitglieder müssten eine führende Rolle dabei spielen, sich für die Bedürftigsten einzusetzen. „Nur echte Solidarität mit den Armen und ein wahrer Protest gegen die Armut unserer Zeit“, schrieb er, können den konkreten, lebenswichtigen Kontext schaffen, der für eine theologische Diskussion über Armut notwendig ist.“ Für Gustavo Gutiérrez gehörten die theologische Reflexion und das geistliche Leben unabdingbar zusammen: „Theologie ist notwendigerweise Spiritualität und rationales Wissen zugleich.“ (TdB 71). Gutierrez steht für das, was der französische Bischof Jacques Gaillot einmal so formuliert hat: „Wer in Gott eintaucht, taucht neben den Armen wieder auf.“ So sagt es auch Jesaja 58: Dem Hungrigen da Brot brechen, die Nackten kleiden, die Elenden aufnehmen.

 

3.3. Versöhnung mit der Mitwelt

Paulus geht es in 2 Korinther 5,17-21 um Versöhnung und um Neuschöpfung als Konsequenz aus dem Versöhnungswerk Christi. Ein realistischer Blick auf die Welt heute zeigt uns: wir leben in einer Welt voller Unversöhnlichkeit. Diese Unversöhnlichkeit beginnt in Familien und unter Nachbarn, sie setzt sich fort zwischen politischen Lagern in zunehmend polarisierten Gesellschaften und zwischen Konflikt- und Kriegsparteien bis hin zum unversöhnlichen Umgang des Menschen mit Gottes Schöpfung und damit letztlich auch Gott gegenüber.

Dieser unversöhnlichen Welt gilt Gottes Wort der Versöhnung. In Christus hat der Schöpfer das Wort der Erlösung aufgerichtet wie ein Leuchtfeuer inmitten einer dunklen, von Krieg, Gewalt, Gier und Hass zerrissenen Welt. Indem wir selbst uns dieses Wort zu eigen machen und ihm glauben, werden wir selbst zu Versöhnten, die Wege aus dieser Unversöhnlichkeit finden, die die Welt zerreißt.

Noch ist die Welt voller Unversöhnlichkeiten, noch ist sie unerlöst und noch sehnt sich die ganze Schöpfung mit allen Geschöpfen, mit der belebten und unbelebten Natur nach der Erlösung von Tod und Verderben. Noch stöhnt und seufzt auch die Schöpfung unter den Wehen einer Neugeburt in Gottes versöhnter Welt (vgl. Römer 8,18-22).

Als Versöhnte Gottes werden wir selbst zu Bot*innen dieser neuen Welt, auf die wir hoffen. Der Ruf „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ schließt den ganzen Erdkreis mit ein. Die Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander ist nur universal zu denken und schließt die Versöhnung mit Gottes Schöpfung ein.

Wer unversöhnlich gegen Gottes Schöpfung handelt, handelt letztlich gegen Gott selbst. Wer sich mit Gott versöhnen lässt, so Paulus, der findet zu einem neuen, verwandelten Umgang mit seinem Nächsten, mit der Welt und der Schöpfung insgesamt – denn er / sie ist selbst eine neue Schöpfung Gottes, die das zukünftige Heil schon exemplarisch vorwegnimmt. Nur so ist das gute Leben zu finden, wenn es alles Leben mit uns und um uns herum einschließt.

Anne Freudenberg-Klopp, Linda Corleis, Torsten Nolte und Jörg Ostermann-Ohno, Nordkirche

Literatur:

Ernst Axel Knauf: Josua, Zürcher Bibelkommentare AT 6

Göttinger Predigtmediationen, Dritte Reihe Trinitatis bis 14. Sonntag nach Trinitatis, 2005, Lukas 15  Gunda Schneider-Flume, Seite 330 ff

Udo Schnelle: Das Evangelium nach Johannes, Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament, 5. Auflage,

Predigtstudien Perikopenreihe I Erster Halbband 2018/2019, Johannes 6,47-51 ab Seite 192 ff

Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Zur Perikopenreihe , Johannes 6,47-51 von Stefan Koch, Seite 155 ff

Gottesdienstpraxis I. Perikopenreihe Band 2, 4. Sonntag nach Epiphanias bis Misericordias Domini, Johannes 6,47-51 von Susanne Schildknecht, Seite 84 ff