4. Adventsonntag und Christvesper / -nacht / Heilig Abend / Heilig Nacht (24.12.17)
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
4. Advent: 2 Kor 1, 18-22 Christvesper: Jes 9, 1-6 Christnacht: Jes 7, 10-14 |
4. Advent: 2 Sam 7, 1-5.8b-12.14a.16 Hl. Abend: Jes 62, 1-5 Hl. Nacht: Jes 9, 1-6 |
4. Advent: Röm 16, 25-27 Abend: Apg 13, 16-17.22-25 Nacht: Tit 2, 11-14 |
4. Advent: Lk 1, 26-38 Abend: Mt 1, 1-25 Nacht: Lk 2, 1-14 |
Im aktuellen Kirchenjahr fallen der 4. Sonntag im Advent und der Heilige Abend zusammen. Die liturgische Gestaltung dieses Tages wird in den einzelnen Gemeinden unterschiedlich sein.
Im Mittelpunkt sowohl des 4. Advents als auch des Heiligen Abends steht die Zeitenwende, welche die Geburt Jesu bedeutet. Je nach Intention der Autoren stellen die Lesungstexte diese als âErfĂŒllung der Zeitâ dar (so die Intention des Stammbaums Jesu Mt 1,1-25 oder der Paulusrede in Apg 13,16-25 und Ă€hnlich auch Lk 1,26-38) oder als Umsturz der bisherigen VerhĂ€ltnisse (so vor allem das Magnifikat, Lk 1,46-55, das im evangelischen Lektionar als Evangelium des 4. Sonntags vorgesehen ist, aber auch die VerheiĂungen Jes 9,1-6 und 62,1-5 sind so zu verstehen). Der Fokus des Tages liegt also eindeutig auf der Geburt des Erlösers, jedoch lassen sich in einigen der Lesungstexte auch Aspekte der Nachhaltigkeit hervorheben.
Eine Zukunft geprÀgt von Gerechtigkeit (Jes 9,1-6; Jes 62,1-5)
Finsternis, Einsamkeit und Verlassenheit auf der einen Seite, Freude, Jubel und Gerechtigkeit auf der anderen. In beiden Texten aus dem Jesaja-Buch markiert das Kommen des Erlösers bzw. Messias einen deutlichen Umbruch.
Beiden Texten ist gemeinsam, dass die Adressat*innen (das Volk in Jes 9, Zion und seiner Bewohner*innen in Jes 62) sich in einer unruhigen Zeit erleben: einsam, verlassen, orientierungslos. Dieses Erleben ist demjenigen heutiger Menschen vielleicht gar nicht so unĂ€hnlich: Einfache ArbeitsplĂ€tze brechen weg, die Digitalisierung verĂ€ndert Alltag und Arbeitswelt (Industrie 4.0). Die Welt ist voll von Krisenherden, ehemals sicher geglaubte Errungenschaften der demokratischen Staatengemeinschaft stehen plötzlich wieder in Frage. Wir nehmen wahr, dass die bisherige Form unseres Wirtschaftens und der Lebensstil der Industrienationen nicht zukunftsfĂ€hig sind, aber VerĂ€nderung â die âGroĂe Transformationâ â fĂ€llt schwer und kommt nur mĂŒhsam voran.
Immer deutlicher wird, dass ein friedvolles Zusammenleben der Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert nur gelingen kann, wenn das Miteinander von Gerechtigkeit in (mindestens) einem doppelten Sinn geprĂ€gt ist: Von gerechten â âfairenâ â Handelsstrukturen, in denen die LĂ€nder des SĂŒdens (oder Osteuropas) einen angemessenen Preis fĂŒr ihre Produkte erzielen und so Wohlstand und Lebensperspektiven fĂŒr die Menschen im eigenen Land schaffen können, und von Klimagerechtigkeit, die sich dadurch auszeichnet, dass die âaltenâ Industrienationen die Verantwortung dafĂŒr ĂŒbernehmen, dass Treibhausgasemissionen, die seit dem Beginn der Industrialisierung in die AtmosphĂ€re gelangt sind, heute den Lebensraum aller Geschöpfe bedrohen.
Dass in den Texten Gott selbst der Garant fĂŒr diese neue Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit ist, kann Mut machen, die notwendige Transformation der Gesellschaft zu wagen â allen Unsicherheiten zum Trotz.
Vertrauen und Sicherheit in unruhigen Zeiten (Lk 1,26-38; Lk 2,1-14; Röm 16,25-27; Tit 2,11-14)
Der Aspekt des Vertrauens, der gerade bei der Besprechung der beiden Jesaja-Texte angeklungen ist, ist zentral in den unter diesem Abschnitt zusammengefassten Texten.
Lk 1,26-38
Maria steht vor einem Umbruch in ihrem Leben, den sie selbst gerade nur schwer begreifen kann. Gabriel, der Engel, der ihr begegnet, ordnet mit seinen Worten das Geschehen in den âHeilsplanâ Gottes ein. Die Schwangerschaft ist kein âUnfallâ, sie ist von Gott gewollt. Diese neue Perspektive, mit der AutoritĂ€t eines Engels vorgebracht, schenkt Maria Vertrauen und Sicherheit.
Papst Franziskusâ Enzyklika âLaudatoSĂâ ist nach ihrem Erscheinen breit rezipiert worden â gerade auch in der Politik. Betrachtet man die Inhalte, so sind in ihr wenige neue Erkenntnisse zu finden â âaber offenbar musste manches einfach noch einmal mit der AutoritĂ€t des Papstes gesagt werdenâ, wie ein hoher protestantischer WĂŒrdentrĂ€ger kommentierte.
Lk 2,1-14
Auch hier sorgt eine Engelerscheinung zunĂ€chst fĂŒr Unruhe, nĂ€mlich unter den Hirten von Bethlehem. Ăhnlich wie im gerade besprochenen Text ordnen auch hier die Engel den Umbruch der Zeiten, der mit der Geburt Jesu erfolgt, in den Heilsplan Gottes ein â und machen die Hirten dadurch neugierig, sich selbst ein Bild von dem Neuen zu machen, das da geschieht.
Röm 16,25-27
Im abschlieĂenden Lobpreis des Römerbriefes betont Paulus den Umbruch der Zeiten, der mit der Geburt Jesu geschehen ist, und verweist auf die Weisheit Gottes, die alle Zeiten durchzieht, aber zunĂ€chst als Geheimnis verborgen war.
Tit 2,11-14
Auch der Titusbrief markiert den Umbruch der Zeiten, der mit der Geburt Jesu einhergeht. Allerdings richtet der Autor dann den Blick auf die Frage, was das Ausstehen der Vollendung des Gottesreiches fĂŒr das Leben der GlĂ€ubigen bedeutet. Die Richtung der ZeitlĂ€ufte ist fĂŒr ihn durch das âErscheinen der heilsamen Gnade Gottesâ ein fĂŒr alle Mal festgelegt, die Hoffnung auf Vollendung prĂ€gt die Aussagen des Textes. FĂŒr die GlĂ€ubigen bedeutet dies, von dieser Hoffnung getragen âbesonnen, gerecht und frommâ in der Welt zu leben.
Wie also in unruhigen und unsicheren Zeiten leben, wie UmbrĂŒche und ĂbergĂ€nge gestalten? Die besprochenen Texte stellen der Angst und Verunsicherung zunĂ€chst einmal die VerheiĂungen Gottes gegenĂŒber. Aus der Hoffnung auf das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit können wir voll Vertrauen VerĂ€nderung wagen. Die Attribute âbesonnenâ, âgerechtâ und âfrommâ des Titusbriefes können dabei auch als Attribute eines nachhaltigen Lebensstils verstanden werden:
Besonnen: Wahrnehmen und darĂŒber nachdenken, was und wie viel wir wirklich brauchen und was dem Leben aller Geschöpfe dient.
Gerecht: Ohne soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, ohne Klimagerechtigkeit wird es keine friedliche Zukunft geben (s.o.)
Fromm: Gottvertrauen schenkt Gelassenheit in ĂbergĂ€ngen und Transformationsprozessen, die sich nur begrenzt planen lassen.
Die Gegenwart Gottes im VorlÀufigen (2. Sam 7,1-16*)
Ein nachdenkenswerter Impuls hinsichtlich nachhaltigem Leben und Handeln lĂ€sst sich auch aus der DavisverheiĂung 2. Sam 7 entnehmen â allerdings nur unter BerĂŒcksichtigung der Teile, die aus dem Vorschlag zur Lesung herausgenommen sind.
Die Auswahl zur Lesung fokussiert auf die BestandsverheiĂung fĂŒr das Königtum Davids â die ja in der Perspektive der neutestamentlichen Autoren durch die Geburt Jesu als Davidssohn erfĂŒllt ist.
Den Kontext der VerheiĂung aber bildet die ErzĂ€hlung von der Absicht Davids, auch fĂŒr den Gott seines Volkes ein festes Haus zu bauen, denn âich wohne in einem Zedernhause, und die Lade Gottes wohnt unter Zeltdeckenâ (v.2).
Der Prophet Nathan unterstĂŒtzt den König zunĂ€chst in seinen PlĂ€nen, erfĂ€hrt dann in der Nacht aber eine Offenbarung Gottes. In dieser erinnert Gott daran, dass er in der ganzen Zeit der nomadischen Existenz des Volkes immer mit ihm mitgezogen sei â und nie die Forderung gestellt habe, ein festes Haus zu bauen.
Nomadische Existenz â in der Antike wie heute â ist geprĂ€gt von Subsistenzwirtschaft, die Menschen versorgen sich, so weit es geht, selbst mit dem zum Leben Nötigen, andere Dinge werden mit befreundeten StĂ€mmen getauscht. (Bescheidene) LuxusgĂŒter stammen oft aus eigener handwerklicher Produktion, Ausgangsmaterial sind oft Felle, HĂ€ute oder Knochen der eigenen Tiere. Diese bilden den eigentlichen Reichtum der Familien, die nomadische Nicht-Sesshaftigkeit dient dazu, ihr Weideland dauerhaft zu sichern. Die abgegraste Weide bekommt Zeit, sich zu erholen.
Mit der Sesshaftwerdung zieht nicht nur der König in ein Haus aus Zedernholz, sondern bereits in den StĂ€dten der Antike kommt es zu einem vermehrten Verbrauch an Ressourcen. Abholzung und Ăberweidung lassen sich als Probleme im Umfeld antiker Siedlungsgebiete beobachten.
Adonajs Weigerung, sich jetzt von David einen Tempel bauen zu lassen, kann also als Verweis auf die Zeit der GenĂŒgsamkeit der nomadischen Existenz gelesen werden. Gott erinnert dabei nicht nur an seine eigene GenĂŒgsamkeit, sondern zugleich an die Herkunft Davids: âIch habe dich genommen von den SchafhĂŒrdenâŠâ (v.8) Das liest sich implizit als Hinweis an den König, dass Gott ihm den Prunk des Zedernhauses â dessen er selber nicht bedarf - zwar nicht verwehrt, dass er aber seine Herkunft und die knappen Ressourcen, die damit verbunden sind, nicht vergessen soll.
Mich erinnert diese Geschichte an die ErzĂ€hlungen meiner Eltern und GroĂeltern von der Nachkriegszeit â und daran, wie diese Zeit des Mangels ihren Umgang mit Ressourcen, insbesondere Lebensmitteln, nachhaltig geprĂ€gt hatâŠ
Wolfgang SchĂŒrger, MĂŒnchen