4. Sonntag nach Trinitatis / 12. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
1 Petr 3, 8-15a (15b-17) | Ijob 38, 1.8-11 | 2 Kor 5, 14-17 | Mk 4, 35-41 |
Vorbemerkung
Am 4. Sonntag nach Trinitatis (14. Sonntag im Jahreskreis) geht es um die Folgen des Glaubens. Dass er nämlich überhaupt welche hat, und welcher Preis winkt, wenn man sie an den Tag legt. Leider wird auch erwähnt, was passiert, wenn der Glaube eine Luftnummer bleibt. Das hören wir gar nicht mal so gern, aber zuweilen muss man es erwähnen. Denn der Glaube, der keine Folgen und damit keine Zukunft haben will, ist stumpf und widerspricht sich selbst. Denn der drängt in die Zukunft, er glaubt sich in das Reich Gottes und gestaltet aus diesem Glauben die Welt. Nach christlichem Verständnis benötigt eine nachhaltig gestaltete Welt den Glauben an eine Zukunft. Dieser Glaube nimmt nach unserem besten Wissen und Gewissen das Reich Gottes vorweg, ohne auf die dumme Idee zu kommen, dass wir schon jetzt das Reich Gottes schaffen können. „Wir suchen den Frieden und jagen ihm nach“, heißt es in Ps 34,15. Solches Suchen und Nachjagen kann man für wenig ambitioniert halten, aber es nimmt eben auf, dass wir in unseren Versuchen, die Welt gut zu gestalten, tastend sind, durchaus fehlerhaft handeln können und manchmal gar wie von allen guten Geistern verlassen wirken. Aber immerhin: wir versuchen es, wir suchen und jagen! Und ist das nicht schon ganz viel?
Wenn an diesem Sonntag diese leicht deprimierende, aber sehr realistische und fröhliche Einsicht durchdringen kann, wäre es schön. „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6,2) ist der evangelische Wochenspruch. Ein praktischer Ratschlag, um einem metaphysischen Anspruch nachzukommen. Früher hätte man gesagt: wer Gutes tut, kommt in den Himmel. Das klingt in der Tat naiv, geht aber in die richtige Richtung.
Ev. Predigttext: 1. Petr. 3,8-17
In der Nachhaltigkeitsforschung gibt es viele Theorien darüber, was denn Nachhaltigkeit überhaupt sei. Ebenso komplex wird für die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ darüber gesprochen, welches die zu vermittelnden Fertigkeiten sein sollten und welche Tugenden wünschenswert wären.
Der vielleicht etwas hemdsärmelige Petrusbrief hat ein paar Vorschläge: „mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig“. Was für die einen verdächtig nach alten Hüten aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Klassiker. Zum nachhaltigen Handeln gehören Menschen, die wahrnehmen, ob es Mensch und Natur gut geht, die ihr Handeln nach diesen Eindrücken gestalten wollen und Lust an Gesellschaft haben. Oder wie der vom Petrusbrief ausführlich zitierte Ps 34 sagt: „wer das Leben lieben und gute Tage sehen will“, der ist ein interessanter Typ, den man sich zum Freund und Nachbarn wünscht. Vielleicht haben wir hier den inneren Motor dessen ganz gut beschrieben, was Konzepte der Nachhaltigkeit von uns wollen können.
Das Leben lieben und gute Tage sehen wollen. Also innige Zuneigung zur Mitwelt und Mut, in die Zukunft zu gehen. Später redet der Text von „Verantwortung vor jedermann“ und „Rechenschaft … über die Hoffnung, die in euch ist“. Das geht in die gleiche Richtung einer Gestaltung der Gegenwart und der Zukunft. In einer Predigt dazu kann es hilfreich sein, dieses Bild sprachlich auszuloten und zu bewegen: „das Leben lieben und gute Tage sehen wollen“. Was mag das für ein Mensch sein, der so lebt? Ein Mensch wohl, bei dem man gern sein mag. Er hat seine Linie, aber ist kein Richter. Er liebt DAS Leben, nicht nur seins. Er hofft, dass das Leben eine Zukunft hat, unabhängig von seiner eigenen.
In evangelischen Kreisen hat man zuweilen Angst, das Evangelium könnte zu kurz kommen, dagegen die Ethik vorherrschen. Wer schon die Verheißung, die darin liegt, dass jemand das Leben liebt und gute Tage sehen will, nicht zu erkennen vermag, sei auf diese beiden Verse hingewiesen: „Und wer ist's, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig“ (V.13f.). Wir haben ja nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen, wenn wir dem Evangelium eine Gestalt unter uns zu geben versuchen. „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Röm 8,38f.).
1. Lesung röm./kath.: Hi 38,1.8-11
„Bis hierher sollst Du kommen und nicht weiter!“. Die naiv anmutende Hoffnung, die Zerstörungskraft der Natur habe ihre Grenzen und ginge keinesfalls zu weit, scheitert schon an unserer Erfahrung. Im Zusammenhang der Klimaschutzdebatten wissen wir um schon geschehende und zukünftig sich häufende Unwetterereignisse in allen Teilen der Welt, auch bei uns. Was früher unvorstellbar war, nämlich die Möglichkeit des Menschen, Grundordnungen des irdischen Lebens in kurzer Zeit zu manipulieren oder gar zu kippen, ist nun Realität. Der Text kann daran erinnern, dass ein Umgang mit der natürlichen Welt aus einer Haltung des Dankes und des Staunens Leben zu behüten vermag.
2. Lesung röm./kath.: 2. Kor 5,14-17
Der Kausalsatz zu Beginn („Denn die Liebe drängt uns …”) liest sich schnell weg, und sagt doch so viel: nachhaltiges Handeln ist eines aus der Liebe heraus. Was gibt dieser Text, der so mitten in die Soteriologie führt, für Anregungen zum nachhaltigen Handeln? Vielleicht kann man es so sagen: das Handeln aus Liebe für Nachhaltigkeit hat auch etwas mit Hingabe zu tun. Ich kann zum Beispiel etwas opfern, indem ich selbst für andere auf den Verbrauch einer Ressource verzichte, obwohl ich sie munter schon jetzt verprassen könnte. Ich könnte ein neuer sein, indem ich nicht mehr „Fleisch“ bin und die Werte dieser Gesellschaft einfach kritiklos übernehme, sondern den Mut zu einem neuen Leben finde und andere damit anstecke.
Ich erinnere mich an ein Lied des Hamburger Musikers Kid Kopphausen mit dem Titel „Das Leichteste der Welt“, das mir von solchen Menschen zu erzählen scheint:
„Doch ja, ich weiß jetzt, es gibt Menschen, die diese Welt durchaus rechtfertigen / Die durch ihr bloßes Dasein andern Menschen leben helfen / Die lieben und lieben und lieben und lieben und lieben und lieben / Als wäre es das leichteste der Welt / Ich will einer von Ihnen sein, oh ja ich will“.
Evangelium röm.-kath.: Mk 4,35-41
Gerade im Hinblick auf die schon aufbrechenden und prognostizierten Katastrophen durch Raubbau an der Natur, Klimawandel oder Überbevölkerung kann man sich bei diesem Text fragen: gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen „den Kopf in den Sand stecken“ und „mit dem Kopf auf dem Kissen schlafen“? Ist der Messias hier geschildert als Drückeberger, Realitätsverweigerer oder religiöser Phantast?
Dazu nur ein paar skizzenhafte Bemerkungen: Jesus ist der, der überhaupt den Fortgang der Handlung auslöst: „Lasst uns ans andere Ufer fahren!“ Es ist völlig klar, dass wir nicht nicht-handeln sollen und können. Dazu gehört das (wohlkalkulierte) Risiko, aber ein Leben ohne die „großen Windwirbel“ gibt es nicht, darauf haben wir uns einzustellen.
Der Umschwung der Handlung und die Lösung kommen zustande durch diesen Satz der Jünger: „Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?“. Nebenbei: fragen wir denn angesichts des durch uns verursachten Zustands der Welt danach, ob wir umkommen? Jesus jedenfalls reagiert sofort, denn „er stand auf und bedrohte den Wind …“. In einem bekannten Lied heißt es: „Gott liebt diese Welt und wir sind sein Eigen, wohin er uns stellt, sollen wir es zeigen“. Diese Liebe macht es unmöglich, dass Jesus die Frage der Jünger verneinen könnte. Solchen Umschwung zur Rettung bekommen wir hin, wenn wir wie die Jünger unsere Not zu Wort kommen lassen: was uns bedrängt, uns quält und zusetzt. Es muss ins Gebet gebracht, unter uns und vor Gott beschrieben und diskutiert werden. Wer die Probleme totschweigt, ist in Wirklichkeit derjenige, der den Kopf in den Sand steckt.
Dr. Thomas Schaack, Kiel