5. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis (17.07.22)

5. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Mose 12,1-4a Gen 18, 1-10a Kol 1, 24-28 Lk 10, 38-42

Stellung im Kalender:

Der Sonntag, 17. Juli, Welttag der internationalen Gerechtigkeit, erinnert an die Annahme des Vertrags zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs 1998 und ist 2022 zugleich der 75. Todestag des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der sich für die Rettung jüdischer Menschen vor dem Holocaust einsetzte. Der Nelson-Mandela-Tag am anschließenden Montag erinnert an den südafrikanischen Freiheitskämpfer, der am 18.07.1918 geboren wurde, und soll zu humanitärem Verhalten anregen. Am 18.07.1987, also vor 35 Jahren, begingen vom Apartheid-Regime unterstützte Rebellen in Homoine, einer Stadt in Südafrikas Nachbarstaat Mosambik, ein Massaker, bei dem 386 Menschen ums Leben kamen.

Exegetische Anmerkungen und Bezüge zur Nachhaltigkeit

Gen 12,1-4a:

Nach einer kurzen Einleitung (11,10-32) beginnt mit der Perikope die Abra(ha)mserzählung, wobei Gott sich als herausfordernder („Geh fort") Orientierungsgeber („Land, das ich dir zeigen werde"), Beschützer (Segen für Abram) und Verteidiger (Fluch über seine Gegner) vorstellt. Durch Abram als Stammvater soll, so Gottes Zusage und Verheißung, dies dann auf die ganze Menschheit („alle Sippen der Erde") übergehen und für sie gelten. Darauf aufbauend, bricht Abram mit seiner Familie und seiner Habe auf.

Gen 18, 1-10a:

Eine lachhafte, ja lächerliche Verheißung macht Gott dem alten Abraham und seiner fast ebenso alten Frau, unglaublich geradezu. Begegnung und Verheißung sind situiert in einem Mahl, das ganz überraschend kommt, jedoch Abram aufnahmebereit findet, sowohl was die Gäste als auch ihre Botschaft betrifft. Abram bietet einem Gott Gastfreundschaft, der auf Augenhöhe begegnet, sich einmischt und das auch dazu in einer Weise, dass die Betroffenen es kaum glauben können. Und doch lassen sie sich darauf ein und erfahren im nächsten Jahr, dass das Unglaubliche Realität wird, das Leben gegen alle Erfahrung doch weitergeht.

Kol 1,24-28:

Unmissverständlich klar macht Paulus, dass der Einsatz für das Heil der Welt kein Spaziergang, geschweige denn ein Zuckerschlecken bedeutet. So wie Jesus selber durch das Leiden zur Auferstehung ging, schließt auch die Mission der JüngerInnen Leid und Schmerz ein. Doch sie gewinnen die Fähigkeit, den Einsatz gegen alles Bedrohliche, Unheilvolle und Verstrickende auf sich nehmen, wenn und weil es in ihnen eine Tiefenschicht gibt, in der die Verbundenheit mit Christus Wirklichkeit und stärker als alles Leiden wird.

Lk 10, 38-42:

Nachfolge Christi darf nicht – wie es Franz Kamphaus, der Anfang des Jahres seinen 90. Geburtstag beging, in seinem Buch „Priester aus Passion" beschreibt –in „seelenlosen Aktivismus" abgleiten. Die Arbeit, die wir für Jesus tun, braucht die Unterbrechung zur rechten Zeit, benötigt das Gegengewicht des intensiven Hinhörens auf sein Wort und der Beschäftigung mit seinem Wort, braucht die Zeiten, in denen wir uns ganz, mit allen Sinnen dem uns begegnenden Christus widmen, der sich nicht nach unserem Zeitplan richtet.

Predigtskizze

Ausgangspunkt könnten Gottes Zusagen in Gen 12 bzw. 18 sein, in denen Gott vor existenzielle Herausforderungen stellt bzw. Verheißungen gibt, die aus menschlicher Perspektive unmöglich, ja lachhaft erscheinen. Angesichts immer komplexerer Krisen im ökologischen, gesellschaftlichen und politischen Bereich liegen Beispiele auf der Hand, denen gegenüber aber die fast schon irrationale Zusage, dass unsere Geschichte gut ausgeht, umso ermutigender und für unser entsprechendes Handeln umso maßgeblicher daherkommt.

Gottes Zusage umgeht dabei gerade nicht unsere Wirklichkeit oder färbt sie gar rosarot. Es geht nicht um ein Darüber-Hinweg-Träumen oder Alice im Wunderland, sondern um den konkreten Einsatz für das Heil der Welt, der nicht bei Jesus und auch nicht bei Paulus ohne Leid und Schmerz, Bedrängnis und Einschränkung erfolgt, sondern nur durch die Krise, als solche bewusst angenommene und gemeisterte, hindurch.
Dies gelingt, wenn wir uns von Gottes Verheißung leiten lassen und uns um eine ständige und stete Verbindung zu Jesus, seiner Person, seiner Botschaft, seinem Wirken bemühen. Dazu braucht es nicht zuletzt die Bereitschaft, dass wir unsere Arbeit und unseren Einsatz unterbrechen, um bei ihm aufzutanken und uns von ihm neu ausrichten zu lassen, gerade dann, wenn es vielleicht sogar nicht unserem Plan und unseren Erwartungen entspricht.

Beispiele zur Umsetzung und weitere Kontexte

1. Bereit sein zum Aufbruch (Gen 12 und 18; Lk 10)

Wir können die Welt und unser Leben gestalten und verändern. Genau dies wird von uns erwartet von jener höheren Instanz, die wir Gott nennen.
Ich betrachte die Gedanken als jenes Instrument, das uns Menschen als Gestaltungsmöglichkeit mitgegeben wurde. Da Sie wissen, dass Sie die Möglichkeit der freien Entscheidung mitbekommen haben, finden Sie hier jenes Mittel, mit dem diese Entscheidungen umgesetzt und wirksam werden können. Ihre Gedanken sind also Ausdruck einer göttlichen Energie in Ihnen.

Aus Jens Baum: Wie's weitergeht, wenn nichts mehr geht. München: Kösel, 2002.

2. Das Wirkliche frei und tapfer ergreifen (Gen 12; Kol 1)

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen, nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Aus Dietrich Bonhoeffers Gedicht „Stationen auf dem Wege zur Freiheit".

3. Liebe, nicht Selbstaufopferung (Kol 1; Lk 10)

Ich möchte scharf unterscheiden zwischen einer selbstlosen Liebe, verstanden als Sich-Aufopfern, und einer zweckfreien Liebe in dem Sinne, dass jemand einfach seine Liebe weggibt und sich nicht darum kümmert, was er nun dafür bekommt. Das ist nicht diese bösartige Selbst-Aufopferung. Denn bei ihr wird meistens (...) doch so etwas wie eine Gegenleistung erwartet. Denn wersich selbst aufopfert, muss nach den psychischen Gesetzen, über die wir uns nicht hinwegsetzen können, alles wieder zurückgezahlt zu erhalten. Es ist ein langer Prozess bis zu der Fähigkeit, seine Liebe voll verschenken zu können. Bin ich einmal an diesem Punkt, dann ist die Frage der Selbstaufopferung nicht mehr akut.

Aus Karin Struck: „Jesus, die Ketzer und das Rufen nach Gott. Über Religion, Liebe und die Erfahrung von Frauen heute", in: Karl-Josef Kuschel: Weil wir uns auf dieser Erde nicht ganz zuhause fühlen. München/Zürich: Piper 1985.

Dr. Joachim Feldes, Dannstadt-Schauernheim