7. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis (18.07.21)

7. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1. Kön 17,1-16 Jer 23, 1-6 Eph 2, 13-18 Mk 6, 30-34

 

Stellung im Kirchenjahr

In der protestantischen Tradition steht der Sonntag unter dem Zeichen des Herrenmahls: Brot und Wein verbinden die GlĂ€ubigen mit Gott und untereinander – weltweit.

Gemeinschaft und Verbundenheit derer, die das Wort Gottes hören, sind das Thema in der römisch-katholischen Lesereihe.

Vereint in weltweiter Verbundenheit – ĂŒbergreifende Aspekte der Nachhaltigkeit

„Wenn ich in unserer Partnerkirche in Tansania beim Gottesdienst die Menschen mit ‚Liebe Schwestern und BrĂŒder‘ grĂŒĂŸe, dann kann mir deren Lebenssituation nicht gleichgĂŒltig sein, wenn ich wieder in Deutschland zurĂŒck bin.“, mit diesen Worten begrĂŒndet der Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm das kirchliche und sein persönliches Engagement fĂŒr eine Begrenzung des Klimawandels.

Dass aus Fernen NĂ€chste werden, das durchzieht die Texte dieses Sonntags in unterschiedlicher Weise. Am Deutlichsten kommt es in den Worten des Epheserbriefes zum Ausdruck (Zweite Lesung in der römisch-katholischen Leseordnung), aber auch die anderen drei Texte zeugen davon, dass durch Gott neue Gemeinschaft geschaffen wird. Gemeinschaft aber, das Wissen um den „fernen NĂ€chsten“ fĂŒhrt zu Verantwortung fĂŒr das „gemeinsame Haus“, in dem wir leben.

1 Kön 17,1-16 – Elia bei der Witwe von Sarepta: Mehl, so viel du brauchst!

Klimaskeptiker*innen könnten in der Einleitung der Perikope einen Hinweis darauf erkennen, dass der gegenwÀrtige Klimawandel nichts Anderes als eine Strafe Gottes sei. Eine solche Interpretation ginge aber am Skopus des Textes vorbei.

Inmitten einer DĂŒrrekatastrophe wird zunĂ€chst der Prophet selbst von Gott mit Wasser und Nahrung versorgt. Als sich die Lage zuspitzt und auch der Bach vertrocknet, an den Gott Elia geschickt hat, und Menschen wie die Witwe in Sarepta nur noch die Hoffnung haben, schnell zu sterben, da sichert der Prophet das Überleben der Frau und ihres Sohnes, die ihn, den Fremden, bei sich aufnimmt.

Der eben beschriebene, ĂŒbergreifende Aspekt, dass aus Fernen NĂ€chste werden, findet sich also auch in dieser ErzĂ€hlung: Aus der Zumutung des fremden Mannes an die arme Witwe, nĂ€mlich ihr von dem Wenigen, das sie hat, auch noch abzugeben, entsteht ein nachhaltiges Miteinander dieser drei Menschen.

Die VerĂ€nderung beginnt in dem Moment, in dem mir die Not des anderen nicht mehr egal ist: Die Witwe lĂ€sst sich betreffen von der Not des Propheten, und dieser sieht die Not der Witwe und ihres Sohnes. Dass schließlich genug Mehl fĂŒr alle da ist, wird auf ein Wunder Gottes zurĂŒckgefĂŒhrt – gleichwohl lĂ€sst sich ausgehend von der ErzĂ€hlung ĂŒber Perspektiven einer zukunftsfĂ€higen ErnĂ€hrung der Weltbevölkerung nachdenken:

ZunĂ€chst einmal macht erschrocken, mit welcher SelbstverstĂ€ndlichkeit Elia, der fremde Mann, die mittellose Frau um Nahrung bittet. Diese SelbstverstĂ€ndlichkeit erinnert an das System des Extraktivismus, durch das die LĂ€nder des globalen Nordens seit Jahrhunderten Rohstoffe aus den LĂ€ndern des globalen SĂŒdens abziehen.

WĂ€hrend der Extraktivismus jedoch verbrannten Regenwald, gebrochene Abbraumbecken (Brumadinho 2019!) und tote FlĂŒsse zurĂŒcklĂ€sst, lĂ€sst sich Elia ansprechen von der Notlage, welche die Frau ihm schildert und die er mit seiner Bitte nach Nahrung noch verschĂ€rft. Es ist Zeit, genau hinzusehen, unter welchen Bedingungen unsere Lebensmittel produziert werden, und den Preis wahrzunehmen, den Böden, WĂ€lder, Mitgeschöpfe und Landwirt*innen dafĂŒr zahlen, dass unsere Nahrung „billig“ ist.

Der vermeintlich gĂŒnstige Preis konventioneller tierischer Produkte ist nicht möglich ohne Sojaprodukte vor allem aus Lateinamerika, die als Eiweißfutter verwendet werden. Der Preis, den die Menschen in den AnbaulĂ€ndern dafĂŒr zahlen, und die Wunden, die unserer Erde durch die Monokulturen entstehen, sind enorm. Tierische Produkte aus artgerechter Tierhaltung und ökologischer Landwirtschaft kommen ohne Sojaeiweiß aus, je nach Anbauverband muss das Eiweißfutter zum Großteil oder sogar ausschließlich auf eigenen HofflĂ€chen produziert werden.

Konventionelle Landwirtschaft entzieht dem Boden mehr NĂ€hrstoffe, als sich in diesem wieder bilden, der Einsatz von agrochemischen Produkten ist daher fĂŒr solche Betriebe unverzichtbar. Das Mehl, das als Produktionsgrundlage nie ausgeht, ist ein pointiertes Gegenbild zu solchem Extraktivismus. Den Boden als sich nie erschöpfende Grundlage der Landwirtschaft zu erhalten, ist Ziel des ökologischen Landbaus und insbesondere der Permakultur. Permakultur fördert das Zusammenspiel der Organismen in einem Ökosystem. Dadurch gelingt es, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten oder sogar ausgelaugte Böden zu regenerieren. Die KrĂ€uterspirale ist ein einfaches Beispiel der Permakultur, das vielleicht sogar vor dem Pfarrhaus entstehen kann. Brot fĂŒr die Welt fördert in mehreren Projekten den Ausbau der Permakultur und trĂ€gt so dazu bei, Böden als Lebensgrundlage zu bewahren (https://www.brot-fuer-die-welt.de/projekte/aethiopien-kirchenwaelder/).

Jer 23,1-6 – Die resiliente Gesellschaft

In der Corona-Krise im FrĂŒhjahr 2020 hat sich gezeigt, dass Staaten mit einem funktionierenden, starten Sozial- und Gesundheitssystem ungleich besser in der Lage waren, die Ausbreitung des Virus und die durch COVID19 verursachte Sterblichkeit einzudĂ€mmen als LĂ€nder, die von hoher sozialer Ungleichheit und/oder geringer öffentlicher Daseinsvorsorge geprĂ€gt sind. In Indien, Brasilien oder Argentinien, aber auch in den USA glichen große Teile der Bevölkerung dagegen eher einer Herde, die von ihren Hirten im Stich gelassen orientierungslos umher irrte, vor die Wahl gestellt, vielleicht an dem Virus oder ganz sicher an Hunger zu sterben (bzw. die ohnehin prekĂ€re wirtschaftliche Lage der Familie noch zu verschlimmern).

Good governance, das ist in der Corona-Krise deutlich geworden, bedeutet Vorsorge und FĂŒrsorge fĂŒr alle Teile der Bevölkerung. In der Verheißung des Davidssohnes (v.5) nennt der Prophet zwei Stichworte, die auch heute noch als Leitlinien guten Regierungshandelns gelten: Recht und Gerechtigkeit.

Der Gerechtigkeitsbegriff hat in der sozialethischen Diskussion der letzten Jahrzehnte eine Ausdifferenzierung erfahren, die angesichts von Corona- und Klima-Krise von Bedeutung ist: Neben die klassische Verteilungsgerechtigkeit ist die Chancengerechtigkeit getreten, und mit Blick auf die Herausforderungen durch die zunehmende ErderwĂ€rmung wird eine Klimagerechtigkeit angemahnt, die darin zum Ausdruck kommt, dass die klassischen industrialisierten Staaten, die fĂŒr einen Großteil der historischen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, auch eine höhere (finanzielle) Verantwortung fĂŒr die EindĂ€mmung der ErderwĂ€rmung ĂŒbernehmen.

Egal ob Corona- oder Klima-Krise: Ziel einer guten Hirtin oder eines guten Hirten eines Volkes muss es sein, eine Gesellschaft zu gestalten, die in allen ihren Teilen widerstands- und anpassungsfĂ€hig ist (resilient) gegenĂŒber kommenden Herausforderungen.

Ein interessanter Nebenaspekt des Prophetenwortes ist, dass bad governance in die Zerstreuung fĂŒhrt, good governance aber dazu fĂŒhrt, die Menschen aus allen LĂ€ndern der Welt wieder zusammen zu bringen. Auch hier werden aus Fernen wieder NĂ€chste – und die Beobachtung lĂ€sst sich ohne große Probleme auf Regierungshandeln wĂ€hrend der Corona-Krise ĂŒbertragen: Maßnahmen zur EindĂ€mmung des Virus wurden national bzw. bundesstaatlich getroffen, Grenzschließungen waren die Folge. WĂ€hrend der Lockerung der BeschrĂ€nkungen hingegen wurde den meisten Regierenden sehr schnell deutlich, dass ein Recovery nur gelingt, wenn nationale Maßnahmen (zumindest) multinational flankiert und koordiniert werden. FĂŒr den Kampf gegen den Klimawandel als globale Herausforderung gilt dies in besonderer Weise!

Eph 2,13-18 – Wenn aus Fernen NĂ€chste werden

Der oben geĂ€ußerte Leitgedanke fĂŒr diesen Sonntag, dass aus Fernen NĂ€chste werden, ist zentrales Thema der Passage aus dem Epheserbrief. Ferne und Nahe, so fĂŒhrt der Apostel im auf die Lesung folgenden Vers aus, sind in Christus nicht mehr Fremdlinge, sondern Gottes Hausgenossen.

Der Frieden, den Christus verkĂŒndet, gilt Fernen und Nahen in gleicher Weise. Dieser Frieden, von dem der Epheserbrief spricht, ist zunĂ€chst der Frieden mit Gott, dann aber auch der Frieden zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen, an die sich der Apostel wendet.

Wenn wir in die Konfliktgebiete unserer Welt sehen, so sind es hĂ€ufig VerteilungskĂ€mpfe oder der Streit um Ressourcen, die den Frieden gefĂ€hrden und zu Auseinandersetzungen fĂŒhren: Konflikte um Wasser (zum Beispiel zwischen Israel und PalĂ€stina oder Ägypten und den Anrainerstaaten des oberen Nils), Konflikte um Öl- und Gasfelder (zwischen Griechenland und der TĂŒrkei oder im Nahen Osten), Konflikte um seltene Rohstoffe (in vielen Regionen Afrikas) 


Der Ressourcenhunger unseres aktuellen Wirtschaftssystems und der Unfrieden auf der Welt sind auf diese Weise immer sichtbarer miteinander verbunden. Die „alte“ Trias des Konziliaren Prozesses von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung hat nichts von ihrer AktualitĂ€t verloren: Wenn wir es lernen, mit den Ressourcen dieses Planeten verantwortlicher umzugehen als bisher, dann ist genug fĂŒr alle da, dann besteht die Chance, dass auch die Konflikte auf dieser Erde weniger werden. Die sozial-ökologische Transformation unseres Wirtschaftssystems ist die notwendige Grundlage fĂŒr die Sicherung des Friedens auf dieser Welt.

Christinnen und Christen kann es nicht egal sein, unter welchen Arbeitsbedingungen und zu welchem Preis fĂŒr Mensch und Mitwelt Rohstoffe abgebaut werden, denn die Menschen in den AbbaulĂ€ndern sind in Christus zu unseren NĂ€chsten geworden.

Mk 6, 30-34 – Zeit zum Essen

Die Abgrenzung der Perikope in der Leseordnung ruft zunĂ€chst einmal UnverstĂ€ndnis hervor: zur Lesung vorgesehen ist lediglich die Einleitung des Speisungswunders. Wer den Text zur Grundlage der Auslegung macht, sollte darĂŒber nachdenken, die gesamte Geschichte zu lesen.

Bereits in der Einleitung aber wird deutlich, dass auch hier wieder durch das Wirken Jesu aus Fernen NĂ€chste werden: Wie Schafe, die keinen Hirten haben, kommen die Menschen aus vielen Orten bei Jesus zusammen. Diese Menschenmengen fĂŒhren zunĂ€chst dazu, dass die JĂŒnger Jesu kaum mehr Zeit zum Essen haben (v. 31), dann aber, nach einem langen Tag des Zuhörens und Redens, auch zu dem Problem, dass alle diese Menschen essen wollen. Die JĂŒnger sind besorgt, dass die wenigen VorrĂ€te die sie haben, fĂŒr diese Mengen nicht ausreichen.

Was dann passiert, können wir als Beispiel einer sharing economy lesen – viele von uns kennen es aber vermutlich auch von Garten- und Sommerfesten, zu denen jede Person etwas mitbringen soll: Da schließlich alle alles miteinander teilen ist am Schluss mehr als genug fĂŒr alle da! Wer hat von einem Sommerfest nicht schon einmal mehr Rest mitgenommen als er oder sie mitgebracht hat 
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Sharing economy ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft: Wir können erhebliche Ressourcen sparen, wenn wir nicht mehr alles, was wir (meinen zu) brauchen, besitzen, sondern mit anderen teilen. Die vielfĂ€ltigen Modelle des Car-Sharings, aber auch die landwirtschaftlichen Maschinenringe sind Beispiele solcher sharing economy. Aber auch Nachbarschaftshilfe und geteiltes Werkzeug oder Foodsharing tragen zu ressourcenleichterem und –bewussteren Wirtschaften und Handeln bei. Kirchengemeinden können ohne großen Aufwand zu StĂŒtzpunkten solcher sharing-Projekte werden.

Wolfgang SchĂŒrger, MĂŒnchen