8. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis (22.7.18)

8. Sonntag nach Trinitatis / 16. Sonntag im Jahreskreis

ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
1 Kor 6, 9-14.(18-20) Jer 23, 1-6 Eph 2, 13-18 Mk 6, 30-34

1 Kor 6,9-14.(18-20)

Im Gegensatz zu seiner Auflistung der Werke des Fleisches in Gal 5,19-21 spricht Paulus im Lasterkatalog in Versen 9-10 nicht abstrakt von der Sünde, sondern konkret vom Sünder. Nicht von der Unzucht, sondern vom Unzüchtigen ist die Rede. Paulus identifiziert hier den Menschen mit seinem sündhaften Handeln und macht deutlich, dassaußerhalb von Christus die Sünde den Menschen in seinem tiefsten Wesen beherrscht. Genau diese Sündhaftigkeit des Einzelnen steht auch dem Streben nach Nachhaltigkeit im Wege. Man achte darauf, wie sehr der Lasterkatalog von Selbstsucht und grenzenlosem Hedonismus geprägt ist! Das Problem liegt somit nicht außerhalb des Menschen, darf also nicht so auf abstrakte gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Ursachen zurückgeführt werden, dass dabei der Einzelne in den Hintergrund gerät. Trotz der großen Kraft der Sünde, gibt es keinen Grund zur Resignation und zum Pessimismus, denn in Jesus Christus ist Umkehr und radikale Veränderung möglich! Paulus erinnert die Korinther an ihren früheren Wandel und kontrastiert diesen mit dem empfangenen Heil: "Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, [aber] ihr seid geheiligt, [aber] ihr seid gerecht geworden" (V. 11). Drei Mal verwendet er das Wort "aber" (leider nicht in der Lutherübersetzung ersichtlich), um die heiligende Transformation zu beschreiben, die sich bei ihrer Bekehrung ereignet hat. Wenn nur durch Christus die sündhafte Selbstsucht des Menschen durchbrochen wird, ist klar, dass die kirchliche Verkündigung des Evangeliums von grundlegender Bedeutung für nachhaltiges Handeln ist. Zum Beispiel wird eine Umkehr vom grenzenlosen zum nachhaltigen Konsum erst durch das Kultivieren der Selbstbeherrschung als Geistesfrucht (Gal 5,23) konsequent möglich. Nachhaltiges Handeln ist somit aufs Engste mit christlicher Jüngerschaft verbunden.

Anscheinend versuchten einige innerhalb der Gemeinde in Korinth sündhaftes Verhalten mit einer gnostischen Abwertung des Leibes zu entschuldigen. In den nachfolgenden Versen stellt der Apostel den Thesen der Korinther seine schöpfungsbejahende Theologie gegenüber. Die Aussagen "Alles ist mir erlaubt" (V. 12) und "Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichtemachen" (V. 13) sind wahrscheinlich Slogans dieser proto-gnostischen Fraktion. Dem gegenüber hebt Paulus die zukünftige Auferstehung des Leibes (V. 14) und das gegenwärtige Innewohnen des Heiligen Geistes (V. 19) hervor. Der Leib ist weder gegensätzlich zu noch unbedeutend für das geistliche Leben. Genauso wie sich Sünde auf leiblicher Ebene manifestiert, so auch Heiligkeit!Das Heil ist für Paulus kein Hintersichlassen der Schöpfung sondern vielmehr die Vervollkommnung und Befreiung der geschaffenen Welt (vgl. Röm 8,20-21). Hieraus ergeben sich wichtige Impulse für nachhaltiges Handeln, denn die große Bedeutung des Leibes impliziert immer auch eine Sorge für die gesamte Schöpfung!

Jer 23,1-6

Der Hirtendienst stellte im hebräischen Weltbild die Idealvorstellung von Selbstaufopferung für das Wohlergehen anderer dar. Die Könige Judas werden von Jeremia als Hirten beschrieben, die ihrer Berufung nicht nachgekommen sind: Anstatt das Volk in Gerechtigkeit zu führen, haben sie es zum Götzendienst verleitet. Damit haben sie, im Gegensatz zu einem Hirten, der die Herde beisammen hält, das Volk zerstreut und ins babylonische Exil geführt. Das Wohlergehen des Volkes, das die Könige ignorierten, wird jedoch nicht von Gott ignoriert, denn es ist seine Herde - es ist sein Volk (V. 2). Den Königen wurde Verantwortung delegiert, keine absolute Macht gegeben. Da sie ihre Verantwortung missbraucht haben, droht ihnen das Gericht: "Jetzt kümmere ich mich bei euch um die Bosheit eurer Taten". Auch die Kirche muss stets die Regierenden in aller Welt daran erinnern, dass sie Verantwortung gegenüber den Menschen und Gott zu tragen haben. Nachhaltigkeit ist die notwendige Folge dieser doppelten Verantwortung. An dieser Stelle darf auch eine prophetische Warnung ausgesprochen werden: Das Gericht Gottes richtet sich gegen all diejenigen, denen es um Selbstbereicherung statt Fürsorge geht.

Jeremia erinnert die falschen Hirten daran, dass Gott sich selbst um sein Volk kümmern und es aus der Gefangenschaft zurückführen wird. Die Macht der korrupten Könige wird ein Ende haben und Gott wird für das Volk "Hirten erwecken, die sie weiden", (V. 4) d.h. Könige, die ihrer Aufgabe tatsächlich gerecht werden. Trotzdem will Jeremia die Hoffnung nicht allein auf Menschen ruhen lassen und schließt in Versen 5-6 eine messianische Verheißung an: Der Messias wird "Recht und Gerechtigkeit üben im Land" und "man wird ihm den Namen geben: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit". Dadurch wird deutlich, dass selbst bei allem ehrenwerten politischen Einsatz für Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung die Hoffnung letztendlich in Gott und seinem gnädiges Heilshandeln ruhenmuss.

Eph 2,13-18

In diesem Abschnitt spricht Paulus die Heidenchristen in Ephesus an und erinnert sie an die großen Privilegien, die sie in Christus haben. Die Heiden wurden mit Gott, aber damit auch mit den jüdischen Gläubigen versöhnt. Sie waren "Ferne", sind aber durch Christi Sühnopfer "in die Nähe gekommen" (V. 13), d.h. sie haben Anteil am Bund und allen Verheißungen erlangt. Christus selbst ist der "Friede", der gläubige Heiden und gläubige Juden vereinte, indem er die "trennende Wand" niedergerissen hat (V. 14). Unter Umständen handelt es sich hier um eine Anspielung auf die Abgrenzung des Vorhofs der Heiden im Jerusalemer Tempel. Außerdem sieht er auch im mosaischen Gesetz eine weitere Abgrenzung, die in Christus aufgehoben ist (V. 15). Aber auch das Trennende im Menschen, die Feindschaft und der Hass, ist durch Christus getötet, sodass in der Kirche als Leib Christi Einheit herrscht (v. 16). Da Christus der Friede ist, ist auch die Verkündigung des Evangeliums eine Botschaft des Friedens, die sich an alle Menschen richtet. Dabei spricht nicht die Kirche, sondern Christus selbst zu den Menschen und bietet ihnen seinen Frieden dar (V. 17). Die Versöhnung der Menschen mit Gott und die damit einhergehende Versöhnung untereinander wird im gemeinsamen Zugang zum Vater konkretisiert (V. 18).

Auch wenn der Pax Romana den Bürgern des römischen Reiches relativen Frieden und Stabilität bescherte, war damit die Feindschaft zwischen den Völkern nicht aufgehoben. So gab es zwischen Juden und Heiden oftmals Spannungen, die sich auch in der frühen Kirche bemerkbar machten. Die Versöhnung der Menschen mit Gott und die Versöhnung der Gläubigen untereinander sind aber laut Paulus unzertrennbar miteinander verbunden, da beide vom „in Christus sein“ abhängen. In der Kirche als Leib Christi kann nichts mehr zwischen den einzelnen Gläubigen stehen. Ist der Mensch wirklich vereint mit Christus, dann ist für Rassismus, Vorurteile, Hass und Ausgrenzung kein Platz mehr. Gerade heute, wo immer mehr Menschen mit Flüchtlings- oder Migrationshintergrund Anschluss auch an deutsche Kirchengemeinden suchen, ist diese Wahrheit von entscheidender Bedeutung und muss mit großer Eindringlichkeit verkündet werden.

Mk 6,30-34

Nach ihrer Aussendung und ihrer Predigttätigkeit (6,6b-13), kehrten die Jünger wieder zu Jesus zurück und erstatteten ihm Bericht von ihrer erfolgreichen Mission. Durch ihren arbeitsreichenDienst hatte sich die Kunde von Jesus so stark verbreitet, dass große Volksmengen zu ihnen strömten, sodass selbst zum Essen keine Zeit war (V. 31). Jesus sah, dass die Zwölf durch ihre Tätigkeit völlig erschöpft waren und wollte ihnen Ruhe verschaffen, indem sie mit dem Boot den See von Galiläa überquerten und sich in eine "einsame Gegend" zurückzögen (V. 32). Wie auch bereits im Sabbatgebot im AT (welches sich selbst auf Sklaven, Fremde und sogar das Vieh erstreckte) wird deutlich, dass der Mensch Ruhebenötigt und diese ihm gewährt werden muss. Wenn dies selbst bei der besonderen Berufung der Apostel und ihrer außerordentlichen Aufgabe der Fall war (man denke nur an die radikalen Bedingungen der Nachfolge Jesu!), so gilt dies selbstverständlich auch in der heutigen Arbeitswelt. Dabei ist es egal, ob es sich um ein Büro in Deutschland oder eine Näherei in Bangladesch handelt. Der Mensch ist keine Maschine und soll es auch nicht sein. Jesu Fürsorge für die Jünger ist das Vorbild welchem auch wir folgen sollten. Hier ist insbesondere die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gefragt, aber auch jeder Einzelne muss sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob er nicht genau gegen dieses Prinzip verstößt (z.B. durch das Ausnutzen verkaufsoffener Sonntage, oder dem Kaufen von Produkten, die in Ausbeutungsbetrieben produziert wurden). Aber auch Ruhe kann mißbraucht werden: nämlich dann, wenn der Mensch sich den Nöten anderer verschließt (siehe Mt 12,1-13). Dies wird in unserem Evangelium darin veranschaulicht, dass sich Jesus der führungslosen Volksmenge annimmt und sie lehrt, obwohl seine Pläne mit den Jüngern allein zu sein, durchkreuzt wurden (V. 33-34). Die Notwendigkeit zu ruhen darf also nicht zu einer bequemen Ausrede für das Vernachlässigen von aktiver Jüngerschaft und dem Dienst am Nächsten werden - und dies schließt das Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit mit ein.

Marc Jankowski, Mönchengladbach