9. Sonntag nach Trinitatis / 19. Sonntag im Jahreskreis 2017 [III/A]
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Mt 7, 24-27 | 1 Kön 19, 9a.11-13a | Röm 9, 1-5 | Mt 14, 22-33 |
Mt. 7, 24-27 Vom Hausbau
Das Bild, das Jesus hier verwendet, entstammt nicht (mehr) unmittelbar unserer Vorstellungswelt. Die Erfahrung, dass Wind und Wetter unser Haus – und damit unsere Existenz – bedrohen, machen wir in unseren Breiten nur selten. Unser Häuser sind „auf Fels“ gebaut. Doch wenn wir uns Beispiele vor Augen führen, wo Menschen genau das erleben, was hier beschrieben wird, dann wird die existenzielle Bedeutung von „auf den Fels bauen“ deutlich: Der Taifun Yolanda (manchmal auch Haiyan genannt) verwüstete 2013 weite Teile der Philippinen, rund 10.000 Menschen fielen dem Sturm zum Opfer. In der Stadt Tacloban wurden vor allem die Behausungen der Ärmsten der Bevölkerung, gebaut aus Wellblech, Holz und Abfall, einfach von einer Flutwelle weggespült. Die Überlebenden berichten von der traumatischen Erfahrung, wenn ein Haus innerhalb weniger Sekunden weggerissen wird von Sturm und Wassermassen - und oftmals die Bewohner damit. Der Wiederaufbau der Stadt Tacloban ist geprägt von dem Wunsch, den Menschen ein neues Zuhause zu geben, das Stürmen standhält.
- Reportage über den Taifun Haiyan/Yolanda und den Wiederaufbau auf den Philippinen: http://www.gumgraphics.de/missio-magazin/ebook/03_2014/#/22
1 Kön 19.9a11-13a
Ein unmittelbarer Bezug zu Themen der Nachhaltigkeit im vorgegeben Lesungstext ist m.E. nicht gegeben. Ein Bezug lässt sich am ehesten herstellen, wenn man den Kontext des Lesungstextes berücksichtigt. Der Prophet Elija zieht sich verfolgt und niedergeschlagen in eine Höhle zurück, nachdem er bei den Israeliten kein Gehör gefunden hat (1 Kön19, 10). Die Situation der Bedrohung lässt sich in Verbindung bringen mit der Erfahrung vieler „moderner Propheten“, dass sie für ihr konsequentes Eintreten für ihre Überzeugung, Nachteile und oder auch Verfolgung erleiden. Der Einsatz für Friede und Gerechtigkeit, für Menschenwürde und Menschenrechte oder schlicht das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten, ist in weiten Teilen der Welt mit Gefahren für Leib und Leben verbunden. Ein Beispiel: Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ dokumentiert regelmäßig Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit ein und setzt sich für bedrohte Journalisten ein:
https://www.reporter-ohne-grenzen.de
Ein weiteres Beispiel: In den vergangenen Jahren haben Verletzungen der Religionsfreiheit deutlich zugenommen. Opfer von Benachteiligung und Einschränkungen bis hin zu Verfolgung sind häufig – aber nicht nur! – Christen, nicht zuletzt in biblischen Ländern (etwa in Syrien und Nordirak) sowie in einigen afrikanischen (Nigeria, Sudan) und asiatischen Staaten (China, Vietnam, Indien, Indonesien). Die Verletzung der Religionsfreiheit geht meist einher mit der Verletzung anderer Menschenrechte und betrifft häufig auch andere (religiöse, ethnische etc.) Minderheiten.
Für Elija bringt die Situation der Verfolgung und sein Rückzug in die Höhle eine besondere Gotteserfahrung. Der syrisch-katholische Priester Jacques Mourad wurde von Terroristen des „Islamischen Staates“ entführt; am 10. Oktober 2015 konnte er fliehen. Über seine Zeit in der Gefangenschaft des IS sagt er u.a. in einem Interview: „Trotz aller Leiden erlebten wir Augenblicke der Gnade, die meine Seele nicht unberührt ließen und die Zeit verwandelten. Gott hat mir einen wunderbaren inneren Frieden gegeben.“
Das vollständige Interview: https://www.missio-hilft.de/de/angebote/publikation/kontinente/ausgabe-2-2016/jacques-mourad.html
Zum Thema Einschränkung der Religionsfreiheit / Bedrängte Christen
- http://www.dbk.de/verfolgte-bedraengte-christen/home/
2013 erschien der erste Ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland; ein weiterer ist für 2016 geplant
- https://www.missio-hilft.de/de/themen/religionsfreiheit/laenderberichte/ (Ausführliche Berichte zur Situation in einzelnen Ländern)
- Aktion Lebenszeichen des Hilfswerks missio (u.a. mit Informationen über Einzelschicksale bedrängter Christen)
- https://www.missio-hilft.de/aktionlebenszeichen/
- www.bedrängte-christen.de (Blog des Hilfswerks missio, v.a. mit aktuellen Informationen)
Mt 14, 22-33
24Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind. (…) 30 Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich!
Ein Boot in Seenot, gebeutelt von Wind und Wellen, die Menschen in Angst: Die Situation weckt Assoziationen mit den Bildern, die uns aus den Nachrichten mittlerweile allzu vertraut sind: Überfüllte, unzureichend ausgestattete Boote mit Männern, Frauen und Kindern, die sich auf der verzweifelten Suche nach einem besseren Leben zu der gefährlichen Reise über das Mittelmeer aufmachen. Für unzählige endet sie tödlich; allein im Zeitraum von Januar bis Mai 2016 ertranken 2449 Menschen im Mittelmeer, darunter viele Kinder. (Quelle: Internationale Organisation für Migration, http://germany.iom.int/). Die Panik, die auf einem solchen untergehenden Schiff herrscht – wir können und wollen sie uns nicht vorstellen.
Es fällt schwer, mit diesen Bildern im Kopf, von Glaube und Vertrauen und von der rettenden Macht Gottes zu sprechen. Ich beneide Petrus, der sie in der biblischen Erzählung so unmittelbar erfahren darf; für ihn geht sein „Abenteuer“ gut aus – mit der Erfahrung, der rettenden Macht Jesu. Seine Bitte „Herr, rette mich“ wird erhört. Beim Gedanken an den Flüchtlingen in ihren Booten liegt auch mir „Herr, rette mich“, „Herr, rette uns“ auf den Lippen: Rette uns, vor der Mitleidlosigkeit und der Gleichgültigkeit, mit der wir vom sicheren Ufer aus auf diese Boote blicken.
- Zwei Erfahrungsberichte von Flüchtlingen über ihre Flucht über das Mittelmeer:
- oGeda, Fabio: Im Meer schwimmen Krokodile. Eine wahre Geschichte, München 2012, S. 135-139
- o„Die lange Reise des Habtu Yohannis“ (v.a. S.5) https://www.missio-hilft.de/media/thema/fluechtlingshilfe/haus_fuer_alle/wohnzimmer/erfahrungsbericht-eritrea~1.pdf
- Erfahrungsbericht eines Militär-Seelsorgers, der den Einsatz eines deutschen Marineschiffs im Rahmen von „Humanitäre Hilfe zur Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer“ (HumHiMed) begleitete: https://www.missio-hilft.de/media/thema/fluechtlingshilfe/haus_fuer_alle/wohnzimmer/erfahrungsbericht-mittelmeer~1.pdf
- Predigt von Papst Franziskus beim Besuch auf der Insel Lampedusa am 8. Juli 2013 über die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“: https://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papa-francesco_20130708_omelia-lampedusa.html
- Über die Aktion „Leben retten“ der Sternsinger: Auf 4000 Planken haben Kinder und Jugendliche ihre Wünsche und Hoffnungen für Flüchtlinge geschrieben oder gemalt. Daraus ist ein großes symbolisches Boot entstanden.
https://www.sternsinger.de/themen/leben-retten-die-ausstellung/
A. Wiesheu