Sexagesimae / 7. Sonntag im Jahreskreis
ev. Predigttext | kath. 1. Lesung | kath. 2. Lesung | kath. Evangelium |
Apg 16, 9-15 | 1 Sam 26, 2.7-9.12-13.22-23 | 1 Kor 15, 45-49 | Lk 6, 27-38 |
Frieden anstatt Krieg
Der Fokus des Sonntags Sexagesimae in den protestantischen Kirchen liegt auf der Ausbreitung des Wortes Gottes. Die Geschichte von der Bekehrung der Tuchhändlerin Lydia und ihres ganzen Hauses ist zwar insofern herausgehoben, als das Wort Gottes auf europäischem Boden zuerst von einer Frau gehört und angenommen wird. Daraus jedoch Dimensionen sozialer Nachhaltigkeit zu erschließen, wäre doch reichlich konstruiert.
Diese soziale Dimension der Nachhaltigkeit kommt dagegen sehr wohl in der alttestamentlichen Lesung und im Evangelium der römisch-katholischen Lesereihe zum Ausdruck.
Jesu Aufforderung zur Feindesliebe ist zweifelsohne einer der widerständigsten Texte des Neuen Testaments: Es widerspricht dem allgemeinen Verhalten, auf Gegenwehr zu verzichten, dem Räuber auch noch zusätzliche Sachen anzubieten und seine Feinde zu lieben.
Genau diese tut allerdings auch David, als Saul ihn verfolgt. Obwohl er durch die Wagenburg hindurch bis zu Saul vordringen kann, verzichtet er darauf, seinen Widersacher umzubringen, sondern raubt nur seinen Speer und Wasserkrug, die er am nächsten Tag als Zeichen dafür präsentiert, dass er mitten im Feldlager des Gegners gewesen ist.
Seinem erstaunten Begleiter Abischai erklärt er dieses Verhalten mit folgenden Worten: „Wer könnte die Hand an den Gesalbten des Herrn legen und ungestraft bleiben?“ (v.9) Wer die Blutfehden kennt, die heute noch in Teilen der arabischen Welt üblich sind, versteht schnell, wie recht David hat: Gewalt würde Gegengewalt hervorrufen, und das Zusammenleben der Menschen und Stämme würde bleibenden Schaden nehmen. Davids Gewaltverzicht hält das Volk Israel zusammen - und trägt so zu einem sozial nachhaltigen Miteinander bei.
Eine ähnliche Überzeugung steht auch hinter den Worten Jesu, denn seine provizierenden Aufforderungen zur Feindesliebe und zum freizügigen Geben begründet er im Verlauf des Abschnittes durchaus utilitaristisch: „Gebt, so wird euch gegeben!“ (v.38) und „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun, so tut ihnen auch!“
Nachhaltig gelingendes Miteinander erfordert, das eigene Gerechtigkeitsempfinden oder die eigenen Rachegelüste auch einmal hintan zu stellen und den Frieden zu suchen. David kann das - im Vertrauen darauf, dass es Gott ist, der das letzte Gericht über seine Gegner sprechen wird (v.10).
Wolfgang Schürger, München