Fastenzeit – Pater Wolf

Fastenzeit - Ende der Freude?

Aus: andere zeiten - Das Magazin zum Kirchenjahr, Heft 1/2019, Hamburg, Andere Zeiten e.V., www.anderezeiten.de

Mit dem Aschermittwoch endet der Trubel des Faschings. Karneval ist um Mitternacht zu Ende: Carne vale - lebe wohl, du Fleisch! Es beginnt die Zeit des Fastens, des Verzichts auf mancherlei Genüsse.

Von Pater Notker Wolf

40 Tage ohne Alkohol, Zigaretten oder Süßigkeiten. Manche legen auch ein „Handy-Fasten" ein. Sie blicken nur mehr zu bestimmten Zeiten auf ihr iPhone. Selbst Tanzveranstaltungen und Hochzeiten waren früher in der Fastenzeit verboten, weil das oft mit Ausgelassenheit einhergeht, nicht einfach mit Freude. Festfeiern im kirchlichen Bereich werden größtenteils auf die Zeit nach Ostern verlegt. Der Ernst der Fastenzeit soll gewahrt bleiben. Fastenzeit als Zeit der Besinnung auf die Art, wie wir leben, Fastenzeit als Umkehr und Rückkehr zu Gott. Der Mensch ist mehr als er isst und bedarf immer wieder besonderer Zeiten, um sich dessen bewusst zu werden. Wir Menschen brauchen Rituale. Wir sind nun mal Wesen aus Leib und Seele.

Wenn Menschen die Fastenzeit zum Anlass nehmen, Fastenkuren einzuschalten, ein Heilfasten, ist das sicher zu begrüßen. In einer Fastenpräfation heißt es: „Durch das Fasten hältst du die Sünde nieder, erhebst du den Geist, gibst uns die Kraft und den Sieg." Immer geht es darum, wieder Herr über sich selbst zu werden und sich von Abhängigkeiten zu befreien. Der Verzicht erscheint negativ, führt aber in Wirklichkeit führt zur Freiheit. Er stärkt die Willenskraft. Das klingt nach einer leichten Übung – ist es aber nicht. Auch nicht für kirchliche Würdenträger. Der frühere Erzabt von St. Ottilien hat einmal mit Beginn der Fastenzeit auf seine Zigarren verzichtet. Wenige Tage später ging aber ein Mitbruder zu ihm, er solle es besser bleiben lassen. Denn jetzt sei er immer so schlecht gelaunt. Und er hat den Rat beherzigt.

Wir leben in einer multireligiösen Gesellschaft. Auch andere Religionen kennen das Fasten. Die Muslime nehmen in der Zeit des Ramadan vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang keine Nahrung zu sich und enthalten sich des Nikotin. Bauunternehmer klagen, dass während des Ramadan die muslimischen Arbeiter von den Baugerüsten fallen – einfach, weil sie wegen des Fastens zu schwach sind. Hindus enthalten sich grundsätzlich des Fleischgenusses und anderer Nahrungsmittel. Fastenzeit soll für einen Christen aber mehr sein als Enthaltsamkeit. Es ist die Vorbereitung auf Ostern. Der heilige Benedikt schreibt in seiner Regel: „Der Mönch soll immer ein Leben führen wie in der Fastenzeit. Dazu haben aber nur wenige die Kraft." Deshalb rät er: „Gehen wir also in diesen Tagen über die gewohnte Pflicht ein wenig hinaus. Durch besonderes Gebet und durch Verzicht beim Essen und Trinken ... Er entziehe seinem Leib etwas an Speise, Trank und Schlaf und verzichte auf Geschwätz und Albernheiten. Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er das heilige Osterfest." Benedikt ist kein Mann des extremen Verzichts. Er weiß um die Schwächen des Menschen. Es geht um das rechte Maß. Es könnten sich sonst Stolz und Eitelkeit einschleichen. „Ein wenig" und „etwas" sind die Stichworte. Entscheidend ist das Osterfest, auf das wir „mit geistlicher Sehnsucht und Freude" zugehen sollen.

Die Fastenzeit war in den ersten christlichen Jahrhunderten die Vorbereitung auf die Taufe in der Osternacht und ist es zum Teil auch heute noch. Die Sonntagslesungen bereiten die Täuflinge stufenweise vor. Da ist die Rede von der Versuchung Jesu und seinem Sieg über den Versucher. Da wird die verborgene Herrlichkeit Jesu gezeigt, der Samariterin am Brunnen verspricht er Wasser für das ewige Leben, er heilt einen Blindgeborenen und ruft den Lazarus zum Leben zurück. Jesus als Lebensspender schlechthin. In der Osternacht schenkt Jesus den Täuflingen und uns allen das Wasser des Lebens, das neue Licht im Dunkel unserer Welt. Er hat den Tod überwunden. Deshalb musste ein guter Prediger in früheren Zeiten an Ostern die Gläubigen zum Lachen bringen. Der Tod und das Böse sind besiegt. Das Lachen ist die Freude über diesen Sieg. „Tod, wo ist Sieg! Tod, wo ist dein Stachel," ruft der heilige Paulus aus. So ernst die Tage von Gründonnerstag bis Karsamstag sind, umso so freudiger ist die Osternacht. Das Ziel der Fastenzeit ist nicht die Trauer, sondern die Freude.

Wenn nun aber die Fastenzeit doch einen ernsteren Anstrich hat, dann geht es um Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, um die Läuterung unserer Herzen. „Wenn ihr betet, dann macht es nicht wie die Heuchler, die gern an die Öffentlichkeit treten, um den Leuten aufzufallen," sagt Jesus. Und weiter: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht, wie die Heuchler, damit die Leute merken, dass sie fasten ... Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute es nicht merken" (Matthäus 6,16-18). Es heißt auch: „Wenn du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut." Wenn ich da an die zahlreichen Plaketten und Tafeln denke, auf denen die Namen von Stiftern verzeichnet sind! Wie ist das mit dem Evangelium vereinbar?

Jesus spricht im Zusammenhang mit Fasten also auch von Almosen. Wenn wir fasten sollen wir ja keine Güter auf die Seite legen, um sie nach Ostern zu genießen. Das haben wir als Kinder mit den Süßigkeiten getan. Gott hat sein Leben mit uns geteilt, uns sogar sich selbst geschenkt. So sind auch wir aufgerufen, in der Fastenzeit etwas wegzugeben, es mit denen zu teilen, die weniger haben. Wir brauchen vieles nicht. Lassen wir los, nicht nur Überflüssiges, sondern auch etwas, was ein Opfer für uns bedeutet. Es ist kein Verlust: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Loslassen, sich von vielem befreien – ist das nicht eine Freude, ein Symbol für die Freiheit von der Abhängigkeit unserer sündigen Neigungen? Das rührt an die wirkliche Vorbereitung auf Ostern. Fastenzeit ist nicht das Ende der Freude, sondern der Weg zu wahrer Freude.