1. Sonntag nach Epiphanias / Taufe des Herrn (12.01.20)

1. Sonntag nach Ephiphanias / Taufe des Herrn


ev. Predigttext kath. 1. Lesung kath. 2. Lesung kath. Evangelium
Mt 3,13-17 Jes 42, 5a.1-4.6-7 Apg 10, 34-38 Mt 3, 13-17

Im Zentrum des 1. Sonntags nach Epiphanias steht die Taufe Jesu. Sie verdeutlicht die Kontinuität des Wirkens Jesu mit der Heilsgeschichte Gottes, wie Matthäus in der Darstellung seines Evangeliums durch den Hinweis auf die Gerechtigkeit (Gottes), die erfüllt werden muss, betont. Aspekte der Nachhaltigkeit klingen daher nur in der Jesaja-Verheißung des Gottesknechtes an:

Jes 42,5a.1-4.6-7: Gott sorgt für seine Geschöpfe

Die Gottesknechtslieder des zweiten Jesajabuches (Jes 42,1-9; 49,1-6; 50,4-9; 52,13-53,12) haben durch alle Zeiten hindurch immer wieder Anlass zur Rückfrage geboten, wer denn mit diesem Knecht Gottes gemeint sei. Der biblische Text selbst bleibt unscharf, der Bezug auf das Volk Israel in Jes 49,3 wird von vielen Auslegerinnen und Auslegern als Einschub interpretiert. Gerade durch diese Unschärfe oder Offenheit laden die Lieder zur Re-Interpretation ein, zu der Frage, durch welche Knechte Gott zur je aktuellen Zeit je und je handelt. (Klassisch dazu immer noch: Carlos Mesters, Die Botschaft des leidenden Volkes, Neukirchen-Vluyn 1990)

Wie im Evangelium des Sonntags ist auch in den Gottesknechtsliedern die Gerechtigkeit Gottes das zentrale Thema. Der Knecht wird als der leidende Gerechte gezeichnet, der von Gott berufen, von seinen Mitmenschen verachtet und verhöhnt und schließlich von Gott ins Recht gesetzt wird. Es war daher naheliegend, dass die jungen christlichen Gemeinden diese Beschreibung als Verheißung auf Jesus Christus hin gedeutet hat.

Unter der Perspektive der Nachhaltigkeit ist beachtenswert, wie in unserem ersten Gottesknechtslied Gott als Garant der Gerechtigkeit beschrieben wird: In den Attributen, mit denen Gott in der (Selbst-) Vorstellung des Vers 5 beschrieben wird, ist der Bezug zur Heilsgeschichte des Volkes Israel zunächst einmal nicht zu finden, Gott wird vielmehr als der Schöpfer des Himmels und der Erde beschrieben. Der zweite Jesaja offenbart sich damit als Vertreter des theologischen Neuaufbruchs der Exilszeit: Im Gegenüber zu den kosmischen Gottheiten Babylons besteht die „Legitimation“ des Gottes Israels weniger in der (für viele brüchig gewordenen) Heilsgeschichte mit seinem Volk, sondern in seinem schöpferischen Wirken von Anbeginn der Zeiten. (Dass die Heilsgeschichte nicht bedeutungslos geworden ist, zeigt Vers 9, der freilich von manchen als Nachtrag interpretiert wird: Gott verweist darauf, dass seine frühere Verkündigung – nämlich das Unheil über das Volk Israel – eingetroffen ist.)

Die Verheißung des ersten Gottesknechtsliedes ist, dass dieses schöpferische Wirken Gottes nicht aufhören wird: Neues (Leben) soll sprossen (Vers 9b) und selbst das geknickte Rohr soll nicht zerbrechen (Vers 3). In der Situation des Exils sind die Bilder des Vers 3 natürlich genauso wie die starken Bilder des Vers 8 im übertragenen Sinn gemeint und auf das geknickte Volk Gottes im Exil bezogen. Jedoch kommt darin eine schöpferische Fürsorge Gottes zum Ausdruck, die gerade im Bezug auf die Selbstvorstellung Gottes im Vers 5 auf die gesamte Schöpfung ausgeweitet werden kann.

Eine predigende Auslegung der Gottesknechtslieder fragt gerne danach, wer denn heute der Knecht oder die Knechte Gottes sind – und adressiert die Gemeinde als diese Knechte. Die Gottesknechte von heute sind dann in die Nachfolge des schöpferisch-fürsorglichen Handelns des jesajanischen Gottesknechtes gerufen, der an dem Kleinen und Unscheinbaren nicht achtlos vorübergeht (das geknickte Rohr und der glimmende Docht) und für Blinde und Gefangene neue Lebensperspektiven bereit hat.

Wolfgang Schürger, München